Mint-systemprobleme lösen
Der folgende Beitrag bespricht Mint-probleme, die Sie kennen sollten. Diese Bugs, Systemeigenheiten und Pannen sind zum größeren Teil speziell und selten gravierend. Nicht überall gibt es eine Lösung, aber überall Auswege oder Alternativen.
Lösungen, Auswege und Alternativen für Bugs, Systemeigenheiten und Pannen
Diese Sammlung fokussiert sich auf Systemprobleme von Linux Mint 20 und seiner Systembasis Ubuntu 20.04. Den Schluss des Beitrags machen dann Troubleshooting-maßnahmen, die für Linux-desktopsysteme generell gelten dürfen.
Probleme beim Upgrade 19.3 auf 20
Das Upgrade der Version 19.3 auf das aktuelle Mint 20 (siehe ab Seite 6) funktioniert in den allermeisten Fällen schmerzfrei, so auch bei unseren drei Versuchen. Pannen sind dennoch nicht auszuschließen, wobei diese typischen Probleme dominieren:
1. Die Oberfläche friert ein, ist nicht mehr benutzbar und CPU, Lüfter sowie Festplatte laufen auf Höchstlast. In diesem Fall ist ein Gang zur virtuellen Konsole (Tastenkombination Strg-alt-f2) zu empfehlen und dort die Kontrolle des laufenden Upgrades mit ps -elf oder einem Tool wie top oder htop. Dort muss der aktive Prozess mintupgrade angezeigt sein. Ist dies der Fall, genügt im Prinzip eine Portion Geduld: Das Upgrade läuft im Hintergrund weiter und sollte nach weiteren 20 bis 30 Minuten erfolgreich abgeschlossen sein. Wer CPU, Lüfter und Festplatte entlasten möchte, kann in der Konsole die hängende Oberfläche gewaltsam beenden (etwa killall cinnamon).
2. Nach dem Upgrade erscheinen beim Bootvorgang verschiedene kritisch klingende Hardwaremeldungen per „ACPI Errors“. Dies geht auf die Ubuntu-basis zurück und kann dem Mint-team zufolge als „kosmetisches“Ärgernis ignoriert werden. Das Phänomen
gilt nicht nur für das Upgrade, sondern auch für normale Installationen.
3. Auf (Cryptsetup-)verschlüsselten Systemen wird nach dem Upgrade der erste Bootvorgang durch eine Fehlermeldung gebremst („Waiting for encrypted device / swapfile“). Im schlimmsten Fall kommt der Bootvorgang über die initiale Ramdisk nicht hinaus, sondern bleibt mit einem Eingabeprompt stehen. Geben Sie exit ein, um den Start fortzusetzen. Das Problem sollte nach dem ersten Boot von Linux Mint 20 später nicht mehr auftreten.
4. Ernste Paketkonflikte bis hin zur Unbenutzbarkeit des Systems können Fremdquellen wie etwa PPAS verursachen. Einen großen Teil dieser Probleme umgeht das Mint-team mittlerweile mit einer nachgeschobenen, sensibleren Version des Tools Mintupgrade, das die Paketquellen unter „/etc/apt/sources.list.d/“genauer analysiert und gegebenenfalls vorab warnt. Generell scheint die Empfehlung weder skrupulös noch paranoid, vor dem Upgrade alle
Fremdquellen unter den „Anwendungspaketquellen“zu entfernen, am besten auch die zugehörige Software.
Secure Boot im Uefi-bios
Die Mint-community (https://forums.linux mint.com, www.linuxmintusers.de) meldet eine ganze Reihe von skurrilen und teilweise schwer reproduzierbaren Hardwareproblemen mit Wi-fi-adaptern, Grafikchips und Notebook-akkus. Obwohl ein kausaler Zusammenhang nicht offensichtlich ist, scheint bei einigen dieser Probleme die Uefi-sicherheitseinstellung „Secure Boot“mitzuspielen. Und obwohl Linux Mint eine „Secure Boot“signatur besitzt, empfehlen viele Betroffene das Abschalten dieser Uefi-funktion. „Secure Boot“, das den Systemstart von Rootkitschadsoftware verhindern soll, befindet sich im Uefi-setup zumeist unter „Bios Features“, „Security“oder ähnlich und lässt sich mit „Disabled“abschalten. Diesen Hinweis geben wir auf Basis unserer Recherche in den Mint-foren ohne Gewähr weiter.
Chromium: Der verbotene Browser
Wer als Browser unbedingt den freien Chromium bevorzugt, hat es unter Linux Mint 20 schwer: Die Ubuntu-repositories, die Linux Mint mitbenutzt, bieten diesen Browser nicht mehr als klassisches Debpaket an, sondern nur noch als Snap-paket. Snap wiederum verbietet Linux Mint 20, das sich auf das Containerformat Flatpak fokussiert hat. Um auf die Situation hinzuweisen, gibt es sogar ein leeres Dummypaket von Chromium in der „Anwendungsverwaltung“. Es gibt drei Möglichkeiten, auf diese Situation zu antworten:
A. Das Dummy-paket in der „Anwendungsverwaltung“bietet einen Weblink, wo Sie alternative Chromium-quellen finden. Dabei handelt es sich aber um Entwickler- und Beta-kanäle, die nicht unbedingt einen stabilen Browser versprechen.
B. Sie umgehen das Snap-verbot, wie im Beitrag „Software und Bezugsquellen“ab Seite 30 beschrieben, und installieren im Folgenden im Terminal zunächst die Snapumgebung mit sudo apt install snapd und daraufhin Chromium als Snap: sudo snap install chromium
chromium-ffmpeg
C. Am einfachsten ist es, auf Chromium sowie auf Canonical-snaps zu verzichten und den weitgehend identischen Google-browser Chrome zu installieren. Diesen gibt es auf www.google.com/chrome als direkten Download, was dann allerdings den (automatischen) Eintrag einer Fremdquelle in die Paketquellen bedeutet. Das ist erforderlich, damit Chrome seine laufenden Updates beziehen kann.
Home-verschlüsselung: Abmeldung genügt nicht
Die praktische Home-verschlüsselung (mit Ecrypt FS) leidet unter Linux Mint 20 weiterhin an einem Bug, den Sicherheitsbewusste kennen müssen: Die Abmeldung vom System führt nicht dazu, dass die Daten unter „/home/[user]“entladen und unter „/home/.ecryptfs/[user]/.private“lediglich noch unlesbar verschlüsselt vorliegen. Vielmehr hat ein anderes Systemkonto mit sudo-recht vollen Zugriff auf alle Daten. Bewertung: Das Verhalten entspricht nicht der Erwartung, dass die Kontenanmeldung die verschlüsselten Daten aufsperrt und eine Abmeldung diese wieder absichert. Es muss ein Neustart erfolgen, um die Daten vor Fremdzugriff zu schützen. Der Bug ist jedoch insofern nicht gravierend, als er nur auf einem Mehrbenutzersystem zutrifft, wie einem Familienrechner mit mindestens zwei sudo-berechtigten Konten. Dort sollte das System komplett beendet werden, um den Datenschutz zu gewährleisten. Beachten Sie, dass die entscheidende Aufgabe der Ecrypt-fs-verschlüsselung, nämlich die Daten eines mobilen Notebooks vor Fremdzugriff zu schützen (durch Livesystem oder nach Ausbau der Festplatte), uneingeschränkt erfüllt ist.
Home-verschlüsselung für Cinnamon
Die Installationsoption, das Home-verzeichnis des Erstbenutzers zu verschlüsseln, hat die Mint-version 20 weiter mit an Bord. Werden später in der grafischen Benutzerverwaltung zusätzliche Konten eingerichtet, haben Mate und XFCE diese Option gleichfalls im Angebot („Persönlichen Ordner verschlüsseln“). Ausgerechnet die Hauptedition mit Cinnamon lässt diese Einstellung an der grafischen Oberfläche weiterhin vermissen. Hier hilft lediglich der Gang in das Terminal: sudo adduser --encrypt-home
[kontoname]
Im Anschluss daran legen Sie das Kontopasswort fest und bestätigen alle Abfragen über die Eingabetaste.
Kein Samba-browsing
Schon seit Ubuntu 18.04 gibt es eine neue Samba-version, welche die automatische Suche nach Samba-freigaben verhindert. Die Mint-dateimanager melden beim Klick auf das „Windows-netzwerk“neuerdings gar nichts mehr, auch keinen Fehler.
In der Adressleiste erscheint mit smb:/// ein nicht ganz verkehrtes Basisangebot, jedoch mit einem Slash zu viel. Mit „smb:// [Rechnername]“oder „smb://192.168.178. 10“(Beispiel) kommen Sie jedoch jederzeit zur gewünschten Freigabe. Für oftmals benötigte Freigaben empfiehlt es sich, die somit gemountete Netzwerkressource im Dateimanager dauerhaft als Lesezeichen abzulegen (Strg-d). Dann genügt künftig ein Klick auf dieses Lesezeichen.
Nvidia-treiber und Cinnamonskalierung
Die fraktionale Bildschirmskalierung, die in der Cinnamon-edition Einzug gefunden hat, funktioniert nicht mit Nvidia-grafiktreibern. Dieses Problem erbt Linux Mint 20 von Ubuntu 20.04. Bei installierten Herstellertreibern bleibt der Punkt „Systemeinstellungen –› Bildschirm –› Teilweise Skalierung“schlicht inaktiv. Eine Lösung kann zukünftig nur von Ubuntu oder Nvidia kommen. Vorläufig muss sich der Benutzer entscheiden, was ihm wichtiger ist – die höhere Leistung des proprietären Treibers oder die erweiterten Skalierungsmöglichkeiten.
Unsere Empfehlung: Der optimale Grafiktreiber sollte den Vorzug erhalten, zumal es unter Cinnamon mit „Systemeinstellungen –› Schriftauswahl –› Skalierungsfaktor der Schrift“noch eine weitere Option gibt, die Bildschirmdarstellung zu optimieren.
Grub-bootmenü größer und besser lesbar
Auf größeren Bildschirmen fällt das Grubmenü sehr klein aus. Benutzbar ist es zwar durchaus noch, verliert sich jedoch etwas traurig am Bildschirm oben links. Für deutlich mehr Präsenz sorgt ein alternatives, größeres Grub-thema, das sich mit
sudo apt install grub2-theme-mint2k leicht nachrüsten lässt.
Frische Ssh-clients für Windows
Wer auf Linux Mint den Open-ssh-server aktiviert hat und unter Windows die typischen Ssh-clients Putty oder Kitty für den Zugriff nutzt, scheitert eventuell bei der Anmeldung auf die neue Version 20. Die Fehlermeldung über eine „key exchange group“ist nicht zielführend, das heißt: Ein Ändern des Algorithmus unter „Connection –› SSH –› Kex“bleibt erfolglos. Eine einfache Lösung ist, das offenbar veraltete Putty/kitty durch die aktuelle Version zu ersetzen (https:// www.putty.org/ oder http://www.9bis.net/, beide auch auf PLUS-DVD 2). Technischer Hintergrund ist eine geänderte Version von Open SSL, die Linux Mint von Ubuntu 20.04 erbt. Älteres Putty/kitty ist damit nicht mehr kompatibel. Betroffen sind alle Anwender, die diese Windows-clients über längere Zeit nicht aktualisiert haben.
Alternativer Touchpad-treiber
Der Standardtreiber für Notebook-touchpads ist „libinput“, wie Sie mit dem Befehl grep "Using input" /var/log/
Xorg.0.log für Ihr System empirisch testen können. Eventuell erzielen Sie ein besseres Verhalten bei der Touchpad-eingabe mit dem alternativen Treiber „synaptics“: sudo apt install xserver-xorginput-synaptics
Ist dieser Treiber installiert, erhält er automatisch Priorität vor „libinput“. Für den Test des alternativen Treibers ist nach der Installation mindestens eine Neuanmeldung erforderlich. Wenn „synaptics“keine Vorteile bringt, können Sie den Treiber mit „apt remove“wieder entfernen, wodurch automatisch wieder „libinput“aktiv wird.
Pavucontrol: Soundausgänge aktivieren
Wie in nahezu allen Desktop-distributionen kümmert sich in Linux Mint Pulse Audio um die Klangausgabe. Dies betrifft auch die Weiterleitung von Streams an Ausgabegeräte aller Art wie HDMI oder Bluetooth. Meist bleiben diese externen Audiogeräte nach der Verbindung aber erst mal stumm. Die Auswahl des externen oder internen Audiogeräts, das zur Soundausgabe dienen soll, erfolgt üblicherweise über das Pro
gramm Pavucontrol, welches zum Umfang von Pulse Audio gehört und die wichtigste Schaltzentrale für die Soundausgabe ist. In Linux Mint 20 gehört Pavucontrol nicht zum Standardrepertoire und muss mit sudo apt install pavucontrol zunächst nachinstalliert werden. Der Aufruf pavucontrol im „Ausführen“-dialog oder im Terminal öffnet einen systemnahen Mixer. Die Registerkarten „Wiedergabe“und „Aufnahme“zeigen Ihnen jeweils aktive Anwendungen an, die mit Pulse Audio verbunden sind. „Ausgabegeräte“und „Eingabegeräte“listen die verfügbaren Geräte mit dem jeweiligen Ausgabeport und Reglern auf. Die wichtigste Einstellung verbirgt sich unter „Konfiguration“. Dort aktivieren oder deaktivieren die auswählbaren Profile wichtige Ausgänge wie HDMI.
Systemstart mit langer Verzögerung
Neben grundsätzlichen Start- und Bootproblemen können allerdings auch Startprobleme auftreten, die sich „nur“(dies jedoch sehr störend) auf die Startdauer auswirken: Der Start von Linux Mint sollte je nach Hardware nicht länger als etwa 10 bis 40 Sekunden dauern. Wesentlich längere Ladezeiten sprechen oftmals für einen fehlerhaften Eintrag in der Datei „/etc/fstab“, der entweder nach der Installation oder nach manuellem Editieren auftritt. Ein Beweis hierfür ist die Meldung „A start job ist running for dev-disk-by…“, die sich beim hängenden Start durch einen Druck der Esctaste offenbart oder durch einen Systemstart über „Erweiterte Optionen –› recovery mode“. Das System will eine Festplatte mounten, die es nicht vorfindet. Erste Abhilfe schafft ein Auskommentieren der betreffenden Zeile in der fstab (mit „#“). Für den Fall, dass die Festplatte zwingend gemountet werden muss, ermitteln Sie mit lsblk -f deren korrekte Uuid-kennung und tragen diese ein. Kontrollieren Sie darüber hinaus den Mountpunkt, da auch ein nicht existierendes Mountverzeichnis Starthänger verursacht.
Eine einmalige Ad-hoc-analyse erreichen Sie beim Systemstart, indem Sie „Erweiterte Optionen…“wählen und darunter den Eintrag mit dem Hinweis „recovery mode“. Erhellend kann außerdem die Abfrage der Kernel-meldungen mit dmesg -T sein, wobei Sie sich beim Booten notieren sollten (exakte Uhrzeit mit Sekundenangabe), wann der Boothänger auftritt. Dmesg zeigt nämlich die exakte Zeit aller Systemereignisse, die Sie dann genau zuordnen können.
Gravierende Desktopstartprobleme
Bei Desktop-problemen, die erst nach der Anmeldung am System auftauchen (während der eigentliche Bootvorgang zum Login-bildschirm störungsfrei verläuft), ist meist „nur“die Oberfläche fehlerhaft konfiguriert. Während bei Reparaturmaßnahmen für die einzelnen Mint-desktops die erforderlichen Eingriffe eher sanfter sind, sollten Sie die im Folgenden beschriebene Aktion ausschließlich dann verwenden, wenn alles andere scheitert. Denn hier handelt es sich um eine komplett neue Benutzerkonfiguration, die Sie schrittweise wieder restaurieren können: Wechseln Sie mit Strg-alt-f2 zur Textkonsole und melden Sie sich dort an. Beenden Sie zunächst einmal den Window-manager des grafischen Systems: sudo service lightdm stop
Danach benennen Sie Ihr Home-verzeichnis um, erstellen ein neues Home-verzeichnis und setzen die Zugriffsrechte: sudo mv /home/sepp /home/sepp.bak sudo mkdir /home/sepp sudo chown sepp:sepp /home/sepp
Den Namen unseres Beispielnutzers ersetzen Sie durch die Bezeichnung Ihres Benutzerkontos. Anschließend starten Sie wieder den Window-manager: sudo service lightdm start
Damit landen Sie am Anmeldebildschirm und melden sich an. Tauchen keine Probleme mehr auf, lag der Fehler in den Konfigurationsdateien im Home-verzeichnis. Die Maßnahme ist zunächst tiefgreifend, weil sich die Oberfläche jungfräulich präsentiert und alle Anpassungen verloren sind. Sie können aber Ordner und Dateien aus der Sicherungskopie („sepp.bak“) in das neue Home kopieren. Die meisten Konfigurationsverzeichnisse beginnen mit einem Punkt, sind also versteckt und werden erst sichtbar, wenn Sie im Dateimanager „Ansicht –› Verborgene Dateien anzeigen“wählen (Strg-h). Sinnvoll ist das Restaurieren vor allem für umfangreiche Verzeichnisse wie „.mozilla“und „.thunderbird“.