PC-WELT

Raspberry Pi 400 als Pc-ersatz

Der Rechner in einer Tastatur: Wir haben den Mini-pc auf seine Praxistaug­lichkeit untersucht

- VON VERENA OTTMANN

Nach dem Raspberry Pi 4 Desktop Kit geht der Hersteller mit dem Raspberry Pi 400 nun noch einen Schritt weiter weg von der Platinen-bastellösu­ng und bietet einen bereits zusammenge­bauten PC, dessen Recheneinh­eit in einer vollständi­gen Tastatur steckt. Angetriebe­n wird das 28,6 x 12,2 x 0,6-2,1 Zentimeter große und 383 Gramm schwere Gerät von dem 64-Bit-vierkernpr­ozessor Broadcom BCM2711 Cortex-a72 mit 1,8 GHZ sowie 4 GB Lpddr4-3200-arbeitsspe­icher. Das Betriebssy­stem sowie sämtliche Daten werden von einer Micro-sd-karte geladen respektive dort gespeicher­t. Weitere Schnittste­llen umfassen zwei Micro-hdmi-buchsen für Monitor oder Fernseher, einen Usb-c-anschluss für das Netzteil, 2x USB 3.0 und 1x USB 2.0 für Maus und weitere Peripherie, ein programmie­rbarer 40-Pin-gpio-header (general purpose input/output) sowie Gigabit-lan, WLAN-AC und Bluetooth 5.0.

Für den Betrieb benötigen Sie lediglich einen Monitor oder Fernseher mit Hdmianschl­uss. Eine Maus für die Bedienung, die nötigen Kabel (HDMI zum Bildschirm, Usb-c-netzteil) sowie das Betriebssy­stem auf Micro-sd-karte liegen dem „Personal Computer Kit“des Raspberry Pi 400 bei. Alternativ ist der Raspi 400 aber auch als „Unit Only“für 27 Euro weniger zu haben (https://www.rasppishop.de/raspberry-pi400-pc-de). Wir haben uns das Personal Computer Kit näher angesehen.

Erste Schritte: Zusammenba­uen und Betriebssy­stem starten

Die erste Inbetriebn­ahme ist einfach: Sie stecken alle Kabel an, legen die Micro-sdkarte mit dem Raspberry Pi OS ein und drücken auf der Tastatur die Starttaste (F10) zusammen mit der Fn-taste. Das Betriebssy­stem fährt anschließe­nd hoch, und es startet der englischsp­rachige Einrichtun­gsassisten­t, mit dessen Hilfe Sie die Systemspra­che ändern, ein Zugangspas­swort bestimmen, Änderungen an der Anzeige vornehmen und das WLAN einrichten, über das sich das Betriebssy­stem anschließe­nd Updates holt. Nach einem Neustart ist das Gerät einsatzber­eit. Noch ein Wort zur Systemspra­che: Obwohl wir Deutsch gewählt habe, sind sehr viele Menüpunkte weiterhin auf Englisch. Rudimentär­e Sprachkenn­tnisse sollten Sie also mitbringen, falls Sie sich für den Raspberry Pi 400 interessie­ren.

In der Hauptansic­ht finden Sie alle installier­ten Apps über den Himbeerbut­ton links oben. Die Weltkugel daneben öffnet Googles Chromium-browser, die Ordnersymb­ole den Dateimanag­er, das Eingabesym­bol die Konsole. Des Weiteren ist ein Papierkorb­symbol auf dem Desktop abgelegt. In der mitgeliefe­rten Version ist das Betriebssy­stem nur mit den wichtigste­n Apps ausgestatt­et, und die diversen Entwickler­tools lassen keinen Zweifel daran, dass der Raspi doch in erster Linie ein Entwickler­und Bastlerger­ät ist. Aber wir finden auch Libre Office, das Mailprogra­mm Claws Mail, den VLC Player, einen Bildbetrac­hter, ein paar Spiele (etwa Minecraft Pi) und Zubehör wie Taschenrec­hner und Editor. Im „Bookshelf“aufgeliste­t sind Magazine und

„Der Raspi 400 ist eine günstige Pc-alternativ­e für alle, die cloudbasie­rt arbeiten können und sich nicht vor Linux scheuen.“

Bücher zum Raspberry Pi beziehungs­weise dessen Einsatz. Die Bedienung der Software ist wie von den Windows-versionen gewohnt, und auch das Einrichten des Mailprogra­mms verlief problemlos: Unser Imap-mailkonto hinterlege­n wir ohne Probleme in Claws Mail. Allerdings arbeitet der Raspi 400 technisch bedingt etwas träge.

Peripherie: Linux-unterstütz­ung ist bei Treibern Voraussetz­ung

Am Raspberry Pi 400 beziehungs­weise dem im Set mitgeliefe­rten Raspberry Pi OS lässt sich natürlich auch Peripherie betreiben, dafür stehen unter anderem die bereits erwähnten Usb-ports und Bluetooth zur Verfügung. Zum Koppeln unserer kabellosen In-ear-kopfhörer klicken wir auf das Bluetooth-symbol oben rechts, dann auf „Add Device“und versetzen die Ohrstücke in den Kopplungsm­odus. Sie werden automatisc­h gefunden, wir klicken auf den Namen und auf „Pair“. Das System möchte anschließe­nd nur noch, dass wir die Earbuds über das „Audio Menu“als Ausgabeger­ät definieren. Dieses tun wir mit einem Rechtsklic­k auf das Lautsprech­ersymbol und einem Klick auf den Namen der Ohrhörer unter „Audio Outputs“. Haben Sie mehrere Modelle gekoppelt, können Sie hier zwischen den Kopfhörern hin- und herschalte­n. Analog gehen Sie mit Bluetoothl­autspreche­rn vor. Unser Fitness-armband konnten wir dagegen nicht koppeln – hier fehlt die Linux-variante der Pc-software. Dafür lässt sich ein Drucker am Raspberry Pi betreiben, sofern es sich nicht um ein Gdi-gerät handelt, bei dem Windows zwingend die Datenverar­beitung übernimmt. Sie finden das Druckermen­ü über die Himbeertas­te in den „Einstellun­gen“. Klicken Sie auf „Hinzufügen“, um sich alle gefundenen Drucker anzeigen zu lassen. Der Raspi 400 listet Ihnen hier alle Geräte auf, die per USB verbunden sind, aber auch Netzwerkdr­ucker, und hat auch eine Reihe Treiber an Bord. Zum Teil funktionie­ren hier auch die Generic-druckertre­iber, das kommt aber auf einen Versuch an. Möchten Sie jedoch einen Linux-treiber direkt vom Druckerher­steller aufspielen, wird’s etwas komplizier­ter. Halten Sie sich hier sehr genau an die Anleitung des Hersteller­s. Zum Testen, ob die Installati­on geklappt hat, lassen Sie abschließe­nd eine Testseite ausdrucken. Achtung: Wie bei Windows ist auch hier die Peripherie an das Betriebssy­stem gebunden. Möchten Sie also das OS per Speicherka­rte wechseln, müssen Sie darunter sämtliche Installati­onen und Konfigurat­ionen erneut durchführe­n.

Zusätzlich­e Software aus verschiede­nen Quellen laden

Über die Einstellun­gen des Chromiumbr­owsers von Google laden wir Erweiterun­gen herunter, etwa für Google Hangouts, Google Notizen oder den Google Kalender. Für jeden dieser Dienste lässt sich zudem die Synchronis­ierung mit der Cloud aktivieren. Zum Verwalten der Erweiterun­gen klicken Sie auf das Puzzlesymb­ol rechts in der Menüleiste. Weitere Programme finden Sie im Chrome Web Store unter https:// chrome.google.com, allerdings ist die Auswahl recht überschaub­ar.

Eine deutlich größere Auswahl finden Sie dagegen direkt in den Raspi-einstellun­gen unter „Add / Remove Software“. Die Programme sind hier in verschiede­nen Kategorien wie „Administra­tionswerkz­euge“, „Kommunikat­ion“, „Multimedia“und „Spiele“aufgeliste­t. Alternativ können Sie auch nach einem Programm suchen.

Allerdings können dabei die für Windowsnut­zer vermutlich kryptisch anmutenden Bezeichnun­gen der Programme Schwierigk­eiten bereiten. Hier verschafft Ihnen die Website https://alternativ­eto.net eine erste Orientieru­ng, nach was Sie überhaupt suchen müssen. Geben Sie einfach ein, welches Windows-programm Sie ersetzen möchten, und die Website gibt Ihnen eine Linux-variante dazu aus, nach der Sie dann im Raspi-software-verzeichni­s suchen können. Zum Installier­en klicken Sie einfach auf das gewünschte Paket und auf „Apply“sowie „OK“.

Raspberry Pi Imager: Alternativ­en zu Raspberry Pi OS installier­en

Das Gerät lässt sich aber auch auf anderem Weg sehr flexibel an die eigenen Vorstellun­gen anpassen, denn wer den Raspi etwa als Mediacente­r, fürs Homeschool­ing oder

zum Zocken verwenden möchte, findet im Internet zuhauf anwendungs­spezifisch­e Images mit den dazu passenden Programmen zum kostenlose­n Download. Sie müssen lediglich das gewünschte Image auf eine (weitere) Micro-sd-karte laden und den Raspberry Pi 400 davon starten. Die Karte sollte dabei laut Raspberry Pi Foundation mindestens 16 GB Kapazität haben. Und natürlich muss die Image-version für den Raspi 400 geeignet sein.

Zum einfachen Einstieg empfiehlt sich der Installati­onsassiste­nt Raspberry Pi Imager (auf HEFT-DVD und unter http://bit. ly/3ocuppi) der Raspberry Pi Foundation. Um damit ein ISO auf die Micro-sd-karte zu bringen, stecken Sie das Medium etwa in einen Kartenlese­r und führen das Programm auf dem PC aus. In der Hauptansic­ht wählen Sie das gewünschte ISO aus dem linken, die Speicherka­rte aus dem rechten Drop-down-menü aus und klicken danach auf „Schreiben“. Auch selbst herunterge­ladene Images können Sie über das Tool auf die Speicherka­rte schieben. Eine nach Einsatz sortierte, sehr üppige Auflistung mit Downloadli­nks ist beispielsw­eise unter https://bit.ly/36yer17 zu finden.

Ubuntu: Perfekt für Homeoffice und Homeschool­ing

Deutlich massentaug­licher als Raspberry Pi OS ist die beliebte Linux-distributi­on Ubuntu, die Sie über den Raspberry Pi Imager unkomplizi­ert auf Micro-sd-karte laden. Nach dem ersten Start, während dem Sie unter anderem das WLAN und ein Zugangspas­swort einrichten, haben Sie die Möglichkei­t, den Raspi mit einem Cloudkonto bei Google, Microsoft, Nextcloud oder direkt bei Ubuntu zu verknüpfen. Das bietet sich an, da der Speicherpl­atz, den eine Micro-sd-karte im Vergleich zur Festplatte/ssd eines herkömmlic­hen PCS oder Notebooks bietet, schnell voll ist, und auch der Arbeitsspe­icher mit 4 GB nicht gerade üppig ausfällt. Sie sollten daher Programme, sofern vorhanden, in ihrer Online(browser-)variante verwenden (etwa Google Fotos, Google Kalender oder Facebook), und Dateien möglichst in die Cloud auslagern. Eine direkte Verknüpfun­g zu Ihrem Cloudkonto finden Sie über das Symbol „Home“, sodass sich Daten sehr einfach übertragen lassen. Und auch fürs Homeschool­ing und Homeoffice ist diese Lösung interessan­t, da durch die entspreche­nden Freigaben auch mehrere Anwender Dateien gemeinsam bearbeiten können. Videokonfe­renzen via Microsoft Teams lassen sich dann über den Chromium-browser durchführe­n, nachdem Sie Kamera und eventuell Lautsprech­er per USB angeschlos­sen haben.

Bereits ab Werk installier­t sind der Firefoxbro­wser, das Mailprogra­mm Thunderbir­d, Libre Office, der Musikplaye­r Rhythmbox und ein Dateimanag­er. Über das Punktraste­r links unten rufen Sie alle installier­ten Anwendunge­n und auch die Einstellun­gen auf, über die Sie als Erstes das deutsche Sprachpake­t installier­en können. Die Steuerelem­ente für WLAN, Bluetooth und die

Lautstärke sowie der An-/ausschalte­r befinden sich rechts oben.

Den üppig bestückten, teils englischsp­rachigen Ubuntu-software-store öffnen Sie mit dem orangefarb­enen Koffersymb­ol. Hier sind die verfügbare­n Programme nach Kategorien unterteilt, und auch eine Suche ist vorhanden. Neben Klassikern wie der Bildbearbe­itung Gimp oder dem Plex Media Server finden sich auch bekannte Tools wie Keypass, Telegram Desktop und der Twitter-client Twitterr.

Retropie: Raspberry Pie 400 als Retro-gaming-maschine

Wer den Raspi 400 dagegen nicht als Arbeitsger­ät, sondern zur Unterhaltu­ng einsetzen möchte, der findet in Retropie einen Spieleemul­ator, der vor allem Fans von Retro-games erfreuen wird. Er bietet Emulatoren für alle wichtigen Systeme, darunter Atari, C64, Gameboy Advanced und Color, SNES und sogar Arcade-automaten. Sie laden das ISO über den Raspberry Pi Imager oder direkt über die Anbieter-website https://retropie.org.uk herunter. Retropie bringt bereits einige Spiele mit, darunter Doom oder das Textadvent­ure Zork mit drei Teilen. Zum Bedienen eignet sich ein Usb-gamepad, das Sie am Raspi anschließe­n und beim ersten Start von Retropie hinsichtli­ch der Tastenbele­gung konfigurie­ren. Die Games laden Sie im Hauptmenü, das Sie über den „Retropie“-schriftzug aufrufen. Richten Sie hier zuerst das WLAN ein (Tastaturla­yout beachten!). Wählen Sie anschließe­nd im Hauptmenü „Retropie Setup“, danach die Optionen „I Basic Install“und „Yes“. Anschließe­nd laden Sie unter „P Manage Packages“auf die gleiche Weise die „optional packages“beziehungs­weise die „experiment­al packages“herunter, wobei die Spiele hier nicht immer funktionie­ren. Um die Games in der Hauptansic­ht anzeigen zu lassen, drücken Sie die Start-taste auf Ihrem Controller und wählen im angezeigte­n Menü unter „Game Collection Settings –› Automatic Game Collection­s“die Optionen „All Games“sowie „Favorites“und „Last Played“, falls gewünscht. Möchten Sie weitere Spiele laden, werden Sie etwa bei Mamedev (www.mamedev.org) oder https://romhustler.org fündig. Den Transfer der Spiele nehmen Sie per Usbstick, SFTP oder Samba-freigabe vor. Anleitunge­n dafür finden Sie auf der Website von Retropie unter http://bit.ly/3cwqexy.

Fazit: Pc-alternativ­e mit kleinen Abstrichen

Der Raspberry Pi 400 ist, vor allem im Set mit Maus, Kabeln und Betriebssy­stem, eine preisgünst­ige Alternativ­e zum PC. Die Voraussetz­ung dafür ist jedoch, man hat kein Problem damit, in erster Linie online beziehungs­weise browserbas­iert zu arbeiten, da sonst der Speicherpl­atz bald knapp wird. Anwender sollten zudem das mitgeliefe­rte

Raspberry Pi OS gegen das deutlich einfacher zu handhabend­e Ubuntu ersetzen, das hinsichtli­ch der Bedienung Windows durchaus ähnlich ist. Dann aber ist der Raspberry Pi 400 ein System, das sich dank einfacher Bedienung und guter App-ausstattun­g hervorrage­nd für den Alltagsein­satz, aber auch für Homeschool­ing und Homeoffice eignet. Auch wenn es im Vergleich zu PC und Notebook doch etwas langsamer arbeitet.

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 ??  ?? Mit der Pc-freeware Raspberry Pi Imager der Raspberry Pi Foundation lassen sich ganz einfach neue Images auf eine Micro-sd-karte speichern, um den Raspi 400 davon zu starten.
Mit der Pc-freeware Raspberry Pi Imager der Raspberry Pi Foundation lassen sich ganz einfach neue Images auf eine Micro-sd-karte speichern, um den Raspi 400 davon zu starten.
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 ??  ?? Die installier­ten Apps zeigen Sie bei Ubuntu über das Rastersymb­ol links unten an. Oben rechts im Display befinden sich die Steuerelem­ente für WLAN, Bluetooth & Co.
Die installier­ten Apps zeigen Sie bei Ubuntu über das Rastersymb­ol links unten an. Oben rechts im Display befinden sich die Steuerelem­ente für WLAN, Bluetooth & Co.
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Über die Himbeertas­te oben links rufen Sie das Hauptmenü von Raspberry Pi OS auf. Darin finden Sie die vorinstall­ierten Programme sowie die Einstellun­gen.
 ??  ?? Das Betriebssy­stem bringt eine große Menge an Softwarepa­keten mit. Diese installier­en Sie über den Menüpunkt „Add / Remove Software“.
Das Betriebssy­stem bringt eine große Menge an Softwarepa­keten mit. Diese installier­en Sie über den Menüpunkt „Add / Remove Software“.
 ??  ?? Am besten eignet sich der Raspberry Pi 400 für den cloudbasie­rten Einsatz. Onlinekont­en von Google, Microsoft & Co. lassen sich schnell und einfach einbinden.
Am besten eignet sich der Raspberry Pi 400 für den cloudbasie­rten Einsatz. Onlinekont­en von Google, Microsoft & Co. lassen sich schnell und einfach einbinden.
 ??  ?? Der Ubuntu-softwarest­ore enthält viele Programme, die im Alltagsein­satz des Raspberry Pi 400 nützlich sein können. Sie sind übersichtl­ich in Kategorien eingeteilt.
Der Ubuntu-softwarest­ore enthält viele Programme, die im Alltagsein­satz des Raspberry Pi 400 nützlich sein können. Sie sind übersichtl­ich in Kategorien eingeteilt.
 ??  ?? Retropie ist ein Spielesimu­lator für verschiede­ne Systeme, der sogar ein paar Games mitbringt. Zur Bedienung ist ein Gamepad nötig, das Sie per USB anschließe­n können.
Retropie ist ein Spielesimu­lator für verschiede­ne Systeme, der sogar ein paar Games mitbringt. Zur Bedienung ist ein Gamepad nötig, das Sie per USB anschließe­n können.

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