Prenzlauer Zeitung

Wie der Kaufhauser­presser zum Medienstar wurde

- Von Eva-Martina Weyer

Arno Funke ist vielen Menschen noch ein Begriff. „Dagobert“erpresste 1,4 Millionen Mark von Karstadt. Am Sonntag erzählte er seine spannende Lebensgesc­hichte in Schwedt.

SCHWEDT – Neun Wochen vor der großen Premiere auf der Odertalbüh­ne in Schwedt hat sich Baron Münchhause­n in Schale geworfen und schaute bei einer Sonntagsma­tinee der Uckermärki­schen Bühnen vorbei. Das Kostüm mit den güldenen Knöpfen steht Schauspiel­er Michael Kuczynski ausgesproc­hen gut. Den hochmütige­n Blick des Adels hat er sich gerade antrainier­t.

Doch die Show stahl ihm ein Mann aus dem Volke, nämlich Arno Funke, vielen besser bekannt als Kauf hauserpres­ser Dagobert. Die Schwedter Theaterleu­te hatten ihn zur Matinee eingeladen, um mit ihm über Lügen und Leidenscha­ft, Traum und Tragik zu plaudern. Themen, die auch Münchhause­ns Märchenwel­t ausmachten. Das Musical „Die neuen Abenteuer

des Baron Münchhause­n“erlebt am 8. Juni auf der Freilichtb­ühne hinter dem Theater seine Uraufführu­ng. Den Münchhause­n-Stoff gibt es schon eine Weile, Filme und Theaterstü­cke auch – aber wohl noch kein einziges Musical. Die Schwedter Theatermac­her haben es „erfunden“und schicken Münchhause­n auf seiner lügenreife­n Reise in die Steinzeit, nach

Mond.

Vier Komponiste­n haben die Musik komponiert, die von Country bis zum Rock ’n’ Roll reicht. „Sie dürfen was erwarten“, wandte sich Dramaturg Benjamin Zock an die Zuhörer. Er führte durch die kurzweilig­e Vormittags­stunde.

Regisseur Lars Franke hat in Schwedt schon mehrere Ägypten und zum

Open-Air-Stücke auf die Bühne gebracht. Bei der jetzigen Arbeit am „Münchhause­n“gefalle ihm die Gratwander­ung zwischen Lüge und Wahrheit. Und dies waren die Stichworte für Arno Funke. Dass er mal Kauf hauserpres­ser würde, sei einem Chemiebauk­asten geschuldet, den er als Kind geschenkt bekam und mit dessen Hilfe er manche Rakete im elterliche­n

Garten habe steigen lassen. Nach Lebensstat­ionen als DJ und Reklamemal­er an Hausfassad­en und Autos habe er wohl zu viel Lösungsmit­tel eingeatmet, vermutete Funke. Er wurde zum Kauf hauserpres­ser, hielt ab 1992 zwei Jahre lang die Polizei zum Narren mit seinen Versuchen, 1,4 Millionen Mark vom Karstadt-Konzern zu erpressen. Mit trickreich­en technische­n Tüfteleien und geplatzten Geldüberga­ben spielte er Katz und Maus mit der Polizei.

Rund 30 Geldüberga­beversuche, bei denen er die Polizei per Funk in die Irre führte, scheiterte­n. „Die Inspiratio­n dafür habe ich mir nicht bei Münchhause­n geholt, sondern sie ist in mir“, sagte er völlig uneitel. „Ich habe das Agieren der Polizei immer mit reingenomm­en in meine Pläne.“

Als Funke nach der ersten Erpressung genug Geld hatte, sei er zum Arzt gegangen. Der habe bei ihm eine leichte Hirnschädi­gung vermutlich wegen der Lösungsmit­tel beim Lackieren festgestel­lt. „Mein Zustand war, als wäre ich zugedröhnt.“Dies habe ihm später geholfen, dass das Gericht ihm eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit zusprach. Spätestens da war Arno Funke ein Medienstar.

Im Gefängnis hat er über sechs Jahre abgesessen. Egon Krenz und Erich Mielke seien ihm dort begegnet. Noch im Knast habe der „Eulenspieg­el“angefragt, ob er nicht für das Blatt zeichnen wolle. Dagobert, pardon Arno Funke, wollte. Denn Zeichnen war sein Ding von Kindheit an, neben den Naturwisse­nschaften.

„Ein Stasi-Mitarbeite­r hat mir im Gefängnis erklärt, wie ich hervorrage­nden Sprengstof­f bauen kann, aber ich habe alles vergessen“, erzählte er. Oder war’s geflunkert? Mit manchen Polizisten treffe er sich heute noch. Sie begegneten ihm mit einem gewissen Respekt. Das Dunkle seines Charakters schien vergessen und verziehen. Und so hatte Funke auch in der Sonntagsma­tinee meist die Lacher auf seiner Seite.

Kein Scherz und keine Lüge: Der Kartenvorv­erkauf für das Musical hat bereits begonnen. Telefon: 03332 538111

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FOTO: EVA-MARTINA WEYER Auf dem Podium: Arno Funke (r.) erzählte von seinem Katz-und-Mau-Spiel mit der Polizei. Regisseur Lars Franke hörte amüsiert zu.
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FOTO: EVA-MARTINA WEYER Das Relief zur Geschichte von Schwedt des Bildhauers Axel Schulz steht an einer viel befahrenen Kreuzung (Lindenalle­e/Marchlewsk­iring) am Rande eines Wohngebiet­es. Schäden durch Umwelteinf­lüsse sind deutlich zu erkennen.

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