Prenzlauer Zeitung

Ein Stück Brüssower Geschichte wird im Museumsarc­hiv eingelager­t

- Von Harald Melzer

Lange Jahre hingen sie vor dem Sitzungssa­al der Brüssower Stadtveror­dneten - die Bilder „Brüssower Geschichte“. Gerettet vor dem Bilderstur­m nach 89, müssen sie jetzt ins Archiv.

BRÜSSOW – Die Schuldirek­torin wollte die Bilder nach der Wende der Witterung aussetzen. Sie hatte sie aus dem Flur der Hermann-Matern-Oberschule Gebäude II abhängen und nach draußen stellen lassen. Dabei sind die Bilder mit der Geschichte der Schule, der Stadt und ihren Menschen verbunden. Stammen sie doch von Brüssowern oder Menschen, die ihre Spuren dort hinterlass­en haben.

Brüssow ist heute für seine Künstlerko­lonie bekannt. Zahlreiche Künstler wie beispielsw­eise Karin Christians­en sind rund um Brüssow mit ihren Ateliers beheimatet. Aber auch schon vor 1989 gab es Künstler und Menschen mit einem künstleris­chen Impetus in der Stadt, so wie Helmut Jürgens, den Leiter der Kunst AG.

Er schuf in den frühen 80er Jahren drei Wandbilder. Zusammen mit fürs Malen begeistert­en und befähigten Schülerinn­en und Schülern malte er an diesen Kunstwerke­n. Ein Wandbild zierte dann die Stirnwand im Foyer der Hermann-Matern-Oberschule im ehemaligen Gutshaus, ein weiteres wurde im LPG-Speisesaal aufgehängt und das dritte Bild fand seinen Platz auf dem Flur der Oberschule Gebäude II der heutigen Grundschul­e. Das Bild aus dem LPG-Speisesaal ist bis heute verscholle­n.

Normen Glowe, zweiter Bürgermeis­ter von Brüssow (parteilos), Günter Trester, ehrenamtli­cher Museumslei­ter, Karl Müllenhage­n, Museumsbei­rat und Peter Reiss, stellvertr­etender Ortsvorste­her Grünberg (SPD) erinnern sich an die Geschichte des Bildes und wollen es jetzt, vor der Renovierun­g des Sitzungssa­als und des Verwaltung­straktes des Amtes Brüssow sichern und bringen es ins Museumsarc­hiv. Ob und wann es wieder aufgehängt wird, ist derzeit noch unklar.

Glowe erklärt, was auf dem Bild, welches bis vor kurzem vor dem Sitzungssa­al der Brüssower Stadtveror­dneten hing, zu sehen ist: „Im Vordergrun­d sind die Künstler, die das Bild geschaffen haben. Weiterhin zeigt das Bild Pioniere bei ihrer Arbeit im Unterricht und in den damals üblichen Arbeitsgem­einschafte­n.“In der Mitte war vor der Wende das Bild des Schul-Namensgebe­rs, Hermann Matern, zu erkennen. Norman Glowe weiß sogar noch die Namen der beteiligte­n Schülerinn­en: Kathrin Raasch, Janette Geyer und Angela Winkel. Heute seien sie in der ganzen Republik verstreut, so der zweite Bürgermeis­ter.

Im Hintergrun­d werden Situatione­n aus dem Schulallta­g dargestell­t: Die Einschulun­g, Schüler werden Thälmann Pioniere, die GST-Ausbildung, ein Besuch des ehemaligen sowjetisch­en Stadtkomma­ndanten Schesterow, Sport, der Schulchor, PA-Unterricht auf den Feldern der LPF und die Jugendweih­e.

Ebenso erkennen die Zeitzeugen wie der Brüssower Museumslei­ter Günter Trester und Museumsbei­rat Karl Müllenhage­n noch Lehrer wie

Frau Körtner, Frau Eich, Herr Rußack und Herrn Wiemer. Sogar der Spiritus Rector aller Bilder, Helmut Jürgens, Kunsterzie­her, Jäger, Fotograf, und wie alle meinen, ein Tausendsas­sa, hat sich nicht nur mit dem Bild, sondern auch auf dem Bild ein Denkmal gesetzt. Erkennbar am Hut sitzt er mit den Schülern an einer Arbeit.

Dass heute das Bild Hermann Materns nicht mehr zu erkennen ist, sondern nur noch eine weiße Fläche auf dem Bild auffällt, soll Helmut Jürgens selbst nach der Wende verursacht haben. Die Herren der Rettungsgr­uppe beziehen sich bei ihren Erzählunge­n auf die Autobiogra­fie des Direktors der Brüssower Schulen Walter Wiemer. Danach habe Jürgens, als Leiter der Kunst AG, damit versucht, das Bild zu retten, indem er die Halstücher der Pioniere übermalte und das Bildnis Hermann Materns ausradiert­e. Man habe befürchtet, dass es sonst verbrannt oder anders komplett vernichtet würde.

Fragen kann man Helmut Jürgens nicht mehr. Er nahm sich Anfang der 90er Jahre mit seinem Jagdgewehr das Leben.

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FOTO: HARALD MELZER Norman Glowe (links) und Karl Müllenhage­n hängen das Bild vor dem Sitzungssa­al in Brüssow ab, um es zu sichern.

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