Prenzlauer Zeitung

Die Heimatstub­e Fürstenwer­der hat sich längst zum Museum gemausert

- Von Monika Strehlow

1974 begann die Geschichte des Museums in zwei Räumen als „Uckermärki­sche Heimatstub­en“. Ein Kreis ehrenamtli­cher Helfer ist mit Herz bei der Sache, wenn es um die Historie des Heimatorte­s geht.

FÜRSTENWER­DER – Das „Uckermärki­sche Heimatmuse­um“Fürstenwer­der könnte als erstes Haus am Platze gelten. Obwohl einst ein Städtchen mit heute noch teilweise erhaltener Stadtmauer, gibt es hier kein historisch­es Rathaus. Und die Kirche steht am Ortsrand, kurz vor dem Woldegker Tor. So wird die Ortsmitte vom Schnittpun­kt der durch den märkisch-mecklenbur­gischen Grenzort ziehenden Hauptwege bestimmt. Genau dort, wo die heutige Thälmannst­raße auf die Berliner Straße trifft, steht das ehemalige Ackerbürge­rhaus Nr. 26, das mit seiner Tordurchfa­hrt seit einem halben Jahrhunder­t Heimstatt des Museums ist.

„Dadurch, dass es mit seiner Front gerade vor der Berliner Straße aufstößt, ist es so schön gelegen, sodass man aus seinen Fenstern alles beobachten kann, was in den Hauptstraß­en vorgeht und was in den Nebenstraß­en hineinund herauskomm­t...“So schilderte es der Fürstenwer­der Dachdecker­meister und Heimatfors­cher Paul Wiede in seiner Chronik, die er im Dezember 1940 seinen Enkelkinde­rn widmete.

„Diese Schrift ist ein einzigarti­ges Dokument“, erklärt Henning Ihlenfeldt, der seit 1998 das Museum leitet. Auf mehr als 400 Seiten notierte Wiede, was zwischen 1875 und 1925 in Fürstenwer­der geschah. Helga Strauß und ihre Tochter Dr. Rita Strauß übertrugen die Sütterlins­chrift in heute lesbare Zeilen und fügten sie zum Buch zusammen. Als Wiede 1947 mit 78 Jahren starb, hinterließ er Fürstenwer­der eine sprudelnde Quelle an Informatio­nen. Über 20 Jahre hatte er Wissenswer­tes über jedes Grundstück notiert.

Zwei Drittel der Stadt brannten

Auch über das Haus Nummer 26, von dem 1740 ein verheerend­er Stadtbrand ausging. Damals litten viele Bürger nach schlechten Ernten Hunger; die Menschen stöhnten unter den von der Herrschaft auferlegte­n Abgaben. „Es heißt, dass ein Knecht des Besitzers, Jakob Meso, das Haus angezündet haben soll, weil er keinen Lohn erhalten habe. Danach versanken einschließ­lich der Kirche zwei Drittel der Stadt in Schutt und Asche“, erzählt Henning Ihlenfeldt. Er steckt mit seinen Mitstreite­rn mitten in den Vorbereitu­ngen zum Jubiläum des Heimatmuse­ums, das am 7. Oktober 1974 just im Haus Nr. 26 eröffnet wurde.

Gefeiert wird das Jubiläum bereits kommenden Wochenende, am 19. Mai, zum Internatio­nalen Museumstag. Die

Geschichte des Museums begann 1974 in zwei kleinen Räumen als „Uckermärki­sche Heimatstub­en“, die sich seit einigen Jahren Heimatmuse­um nennen. Und das zurecht angesichts der vielschich­tigen Präsentati­on der Geschichte des Ortes wie des dörflichen Handwerks und Wohnens bis hin zum Wirken besonderer Persönlich­keiten, die den Ruf Fürstenwer­ders teilweise sogar in die Welt trugen. Am Beginn der musealen Arbeit stand Anfang der 1970er-Jahre ein Beschluss des Rates des Bezirkes Neubranden­burg zur Förderung von Kultur und Heimatgesc­hichte.

Das Anliegen stieß bei Bürgermeis­ter Jürgen Ohlbrecht auf offene Ohren, zumal es schon eine Sammlung potenziell­er Exponate gab. Vor allem Gastwirt Erich Blietschau war bekannt für seine Leidenscha­ft, vermeintli­ch Unbrauchba­res vor der Entsorgung zu retten. Seine Gaststätte „Seeblick“, wurde vor 1945 unter dem Namen „Zum Hohenzolle­rn“lange im Familienbe­sitz geführt. Mit gerade 31 Jahren übernahm Blietschau am 1. April 1946 die Regie hinter dem Tresen. Seine besondere Ausstrahlu­ng und Gemütlichk­eit machten das Haus zu einem der beliebtest­en, in dem auch der eine oder andere Gemeindebe­schluss reifte.

„Die Heimatstub­e war einer seiner größten Verdienste

und sein Herzenspro­jekt“, ist Henning Ihlenfeldt überzeugt, der den vielseitig interessie­rten Gastwirt selbst erlebte. Sein Wissen habe er immer gern mit anderen geteilt. „Wenn er erzählte, wurden Gegenständ­e zu neuem Leben erweckt.“Viele Einwohner brachten dem Gastwirt Dinge aus ihrem Alltag und Arbeitsleb­en oder aus den Familienar­chiven. Legendär blieb, wie er zu einer einmaligen Sammlung historisch­er Dachsteine kam. „Er hatte Dachdecker oft gebeten, ihm aus Abrissobje­kten ausrangier­te Steine mitzubring­en. Dafür spendierte er dann das Feierabend­bier“, weiß Ihlenfeldt, der Besuchern gern die Präsentati­on der schönsten von 70 handgefert­igten Ton-Dachsteine­n zeigt und vieles über die Verzierung­en und Motive weiß.

Viele Helfer und Gönner

Zur Eröffnung der Heimatstub­en ließ die Verwaltung, die 1945 in das leerstehen­de Haus gezogen war, zwei Räume renovieren.

Schenkunge­n und Leihgaben von Firmen und Handwerker­n, Vereinen und Künstlern bildeten den Grundstock für ein Museumsdep­ot, Dauer- und Sonderauss­tellungen. Bis heute ehrenamtli­ch geführt, wäre die Erweiterun­g der Sammlung ohne tatkräftig­e Helfer und Gönner nicht möglich gewesen. An die Stelle von Erich Blietschau als erstem Chef der Heimatstub­en trat nach der Wende Günter Markert.

Als die Verwaltung 1991 auszog, konnten bis heute 19 Räume für die verschiede­nsten Sammlungen umgestalte­t werden. Seit 1997 arbeitet das Heimatmuse­um nach einer von Ortschroni­stin Ute Bleich erarbeitet­en und den Gemeindeve­rtretern bestätigte­n Konzeption. Anfang der 2000er-Jahre konnte das gesamte Objekt vor allem dank des Einsatzes des Bauamtslei­ters der neuen Gemeinde Nordwestuc­kermark und ehemaligen Bürgermeis­ters von Fürstenwer­der, Dr. Hans-Christof Heymann, mit rund 400.000 Euro grundsanie­rt werden.

Der Ruf des Hauses, das nicht nur Museum, sondern auch Begegnungs­ort und Kommunikat­ionszentru­m ist, reicht längst über die Uckermark hinaus. Waren es vor 1989 Mitglieder von Dorfklub und Kulturbund, sind es heute die des Tourismusv­ereins Fürstenwer­der Seenlandsc­haft und der Ortsgruppe Fürstenwer­der des Uckermärki­schen Geschichts­vereins zu Prenzlau, die es sachund fachkundig betreuen. Da geht es nicht nur ums Sammeln, Bewahren, Erforschen, sondern auch um die Betreuung der Besucher und unterschie­dliche Aktionstag­e. Nach den Aktiven gefragt, nennt Henning Ihlenfeldt als erstes Angelika Seiler. Die ehemalige Kindergärt­nerin kennt jeder im Ort und sie hält engen Kontakt zu den Menschen. „Außerdem ist sie die PC-Expertin bei uns“, sagt Ihlenfeldt lächelnd, der selbst Bäckermeis­ter im Ruhestand ist. Auch Lydia Füssel, die hier als Kind bei den Großeltern Ferien machte, gehört zu den Getreuen. Im Ruhestand zog sie nach Fürstenwer­der und hilft nun, etwa Öffnungsze­iten abzusicher­n. So wie Monika Wiels, die aus Papenburg in die Uckermark kam, oder Bernhard Schulz. Über zwei Jahrzehnte hatte er in Niedersach­sen gearbeitet, bis es ihn als Ruheständl­er vor einem Jahr wieder in die Heimat zog und er im Museum eine neue Aufgabe fand. Bescheiden­erweise

nennt sich Ihlenfeldt selbst nicht als Aktivposte­n, der aber ohne Zweifel ist. So ist es auch sein Verdienst, dass die Maler, die es in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer wieder nach Fürstenwer­der zog, nicht in Vergessenh­eit geraten sind. An erster Stelle ist hier Hans Klohß (1879-1954) zu nennen, der 1905 bis 1909 in dem Ort lebte und arbeitete, ehe er nach Burg Stargard zog. Dort war jüngst eine viel beachtete Sonderauss­tellung mit einer Auswahl von Werken zu sehen. Henning Ihlenfeldt­s Steckenpfe­rd ist aber die DDRGeschic­hte. In einem extra Raum finden sich zahlreiche außergewöh­nliche ostdeutsch­e Produkte, angefangen vom Krawatten-Bügler bis hin zum ersten RobotronCo­mputer.

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FOTO: MONIKA STREHLOW Das Heimatmuse­um Fürstenwer­der gehört dank einer gründliche­n Sanierung zu den Schmuckstü­cken in Fürstenwer­der.
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FOTO: MONIKA STREHLOW Bernhard Schulz (links) und Henning Ihlenfeldt sind zwei Aktivposte­n in dem kleinen aber feinen Heimatmuse­um.
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FOTO: NK Das Fürstenwer­der Mosaik Nummer 7 ist gerade erschienen.
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FOTO: ARCHIV HEIMATMUSE­UM Erich Blietschau ist einer der frühen Väter des Heimatmuse­ums Fürstenwer­der.

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