Seit der Bürgermeister 1990 über Nacht verschwand, ist sie im Amt
Ihr Organisationstalent brachte sie vor über 30 Jahren in die Politik. Am 25. Mai plant Gisela Hahlweg, die vieles in ihrem Ort bewegte, ihre letzte politische Amtshandlung.
DEDELOW – Gisela Hahlweg ist eine Institution in Dedelow. Seit 34 Jahren steht sie an der Spitze des mit rund 700 Einwohnern größten Ortsteiles von Prenzlau. Als 1990 der Bürgermeister über Nacht verschwand, übernahm die für ihr Organisationstalent bekannte Gemeindesekretärin für Kultur und Sport mit Zuspruch des Gemeinderates die Verwaltungsgeschäfte. Angesichts der massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen trat sie bei den Kommunalwahlen 1993 zur Wahl als Bürgermeisterin an. Denn sie wollte nicht, dass immer mehr Menschen ihren Heimatort verlassen müssen. Seitdem leitet die gelernte Fernmeldemechanikerin mit wechselnden Teams und in unterschiedlichen kommunalen Strukturen die Geschicke Dedelows.
Doch nun will sie die Zügel aus der Hand legen. „Die Eröffnung des Floriansfestes am 25. Mai wird meine letzte offizielle Handlung“, verrät sie. „Danach verabschiede ich mich öffentlich aus dem Amt.“Den 72. Geburtstag vor Augen findet sie, genug geleistet zu haben. Es gebe Jüngere mit klugen Ideen, die sich um das Dorf sorgen.
Zum Beispiel die IG Dedelow, in der fünf Frauen begannen, den zentralen Platz zum Dorftreffpunkt zu machen. Heute zeugen Spielgeräte, Volleyballf läche und Schutzhütte sowie Familienfest, Trödelmarkt und Lampionumzüge von neuer Kraft im Dorf. Natürlich gehe sie mit einem weinenden Auge, gesteht die wohl dienstälteste Kommunalpolitikerin der Region. „Auch ich musste feststellen, dass nicht alles zu erreichen ist“, erzählt sie zum Beispiel vom verfallenden „Landhotel“. Seit die Schule geschlossen wurde und die Schulspeisung und Gaststätte abgerissen wurden, gibt es für die Dorfgemeinschaft keinen Treffpunkt mehr. So ist das einstige sozialistische Vorzeigedorf mit damals 1200 Einwohnern zwar ein immer noch lebenswerter Ort mit Agrarunternehmen und Kita, aber mit wenig Handwerk und Gewerbe und ohne Arzt, Post oder Lebensmittelladen.
Gut erinnert sich Gisela Hahlweg, wie in den ersten Jahren die Emotionen hochkochten. Besonders bei den Gebietsreformen prallten Meinungen aufeinander. Es war schwer, alle unter einen Hut zu bekommen, so wie 1992 zur Gründung des Amtes Prenzlau-Land aus den Verwaltungsgemeinschaften Dedelow, Holzendorf, Göritz und Güstow. Als es 2001 nach dem Landeswillen – so wie auch die anderen „Kragen“Ämter Templin-Land und Angermünde-Land – aufgelöst werden musste, eskalierte die Auseinandersetzung teilweise.
Bürgerentscheide legten fest, welche Dörfer wo eingemeindet wurden. Dedelow kam zu Prenzlau und seitdem ist Gisela Hahlweg Ortsvorsteherin im Dorf und Stadtverordnete der Kreisstadt. Sie scheute sich nie, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, egal ob als Amtsausschussvorsitzende, Chefin der Prenzlauer Bürgerfraktion oder des Finanzausschusses der SVV. Selbst in aufreibendsten Zeiten behielt sie ihre Zuversicht. „Egal, in welcher Partei oder Wählergruppe jemand ist. Wenn es um die Menschen geht, sollte man an einem Strang ziehen, nicht alles zerreden“, ist sie überzeugt.
Mit Hochachtung spricht sie von denen, die ihr in all den Jahren halfen. Zum Beispiel Dr. Andreas Heinrich, seit 1995 Bauamtsleiter in Prenzlau-Land, danach 2. Beigeordneter des Prenzlauer Bürgermeisters. Der Experte habe sie immer gut beraten. Gemeinsam stemmten sie die Auf lösung des Amtes Prenzlau-Land. Die Vermögensauseinandersetzung mit den Gemeinden oder der Verkauf des Amtsgebäudes in der Stettiner Straße verlangten ein starkes Nervenkostüm.
Die scheidende Ortsvorsteherin könnte auch viel von Projekten erzählen, zum Beispiel der Anbindung der Gemeindeteile Ellingen und Steinfurth oder dem Rückbau von „Neubauten“und der Übergabe des Wohnungsbestandes an das Kommunale Wohnungsunternehmen. Viel wichtiger aber ist ihr ein dickes Dankeschön an die Dedelower. Ohne sie gäbe es keine Ortsfeuerwehr und keinen Fußball- oder Anglerverein. Auch ohne Frauenchor und Seniorengruppe würde dem Dorf ein Stück Seele fehlen, findet sie und versichert, auch künftig mit offenen Augen durch Dedelow zu gehen.