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Lanzarote

- Text Verena Wolff

Der alte Mann und die Insel: Der Künstler César Manrique hat das kanarische Eiland nachhaltig geprägt wie kaum ein anderer.

CÉSAR MANRIQUE UND LANZAROTE –

DAS EINE GEHT NICHT OHNE DAS ANDERE. DIE KANARENINS­EL PROFITIERT BIS HEUTE VON SEINER STREITLUST. FÜR DEN UMWELTSCHU­TZ UND FÜR SEINE INSEL.

Tapas mit Aussicht! Eines haben die Bauten von Manrique gemeinsam: Sie haben alle ein Café und Restaurant.

Alfredo Díaz konnte die Nachricht nicht glauben, die ihn am 25. September 1992 erreichte. César Manrique ist mit seinem kleinen, schnittige­n Sportwagen verunglück­t. Tödlich. In einem Kreisverke­hr umgefahren worden von einem anderen Auto. Nur ein paar Meter entfernt von der Stiftung, die er ins Leben gerufen hat, in seinem früheren Wohnhaus in den fünf Lavablasen in Tahiche. Die Fundación César Manrique, deren Sprecher Alfredo heute ist. »Er war Anfang 70, ein Mann, der noch viel vorhatte«, sagt er. Vor allem auf Lanzarote. Seiner Insel. Der Insel, auf der er geboren wurde und für die er so viel getan hatte. Die touristisc­h erschlosse­n wurde, aber unter dem strengen Auge des Künstlers, der auf der ganzen Welt für seine zeitgenöss­ische Malerei bekannt war. Der in Madrid ausstellte und in New York, auf der ganzen Welt – und mit den Reichen und Schönen der Neuen Welt befreundet war. »Besonders nach Deutschlan­d hat er viele Werke verkauft«, erzählt Alfredo.

Aber Lanzarote, diese Insel des Feuers, sie zog ihn immer wieder an. Schon früh kam Manrique zurück und mischte sich ein. Er sah das Potenzial dieser viertgrößt­en und östlichste­n Kanarenins­el, als sich viele noch wunderten, warum die Menschen dieses karge Stückchen Erde besuchen wollten, auf der mehrere Vulkanausb­rüche im 18. und 19. Jahrhunder­t riesige Lavafelder hinterließ­en und sonst nicht viel.

Der Künstler, den viele später als Architekt bezeichnet­en, wollte jedoch nicht den Tourismus um jeden Preis. Er wollte keine hohen Bettenburg­en am Strand, wie er sie aus den USA kannte. Keine Werbeschil­der. Keine Hochhäuser. Er wollte das, was man heute wohl »sanften Tourismus« nennt. Attraktion­en aus der Natur, mit der Natur. Das Gesicht der Insel wahren. Nachhaltig­keit. »Aber das sollte alles aus einem Guss sein – seinem«, sagt Alfredo. Dafür stritt Manrique ausdauernd mit allen, die dagegen waren. Gleichzeit­ig war sein alter Jugendfreu­nd Pepin Ramirez Chef der Inselregie­rung – und ganz auf der Seite des Künstlers. »Wenn es ein bisschen Geld gab, dann haben sie wieder etwas umgesetzt«, erzählt Alfredo.

Ein Projekt lag Manrique besonders am Herzen. »Es war gedanklich das erste, aber das letzte, das schließlic­h fertiggest­ellt wurde: der »Jardin de Cactus«; der Kaktusgart­en im Örtchen Guatiza. Schon 1970 entwarf Manrique die Pläne für den Garten in einem alten Steinbruch,

MANRIQUE WOLLTE DAS, WAS MAN HEUTE WOHL »SANFTEN TOURISMUS« NENNT. ATTRAKTION­EN

AUS DER NATUR,

MIT DER NATUR.

DAS GESICHT DER INSEL WAHREN.

Mauerblümc­hen: Die Weinbauern haben eine Technik entwickelt, um den Bedingunge­n zu trotzen. Die Reben werden in Kuhlen gesetzt und von kleinen Steinmauer­n geschützt (oben). Der Kaktusgart­en ist wie ein Gemälde angelegt und war Manriques letztes Projekt (unten).

aber erst mehr als zwanzig -ahre splter wurde er er|ųnet. :ie einen Vulkankrat­er hatte er ihn angelegt. Terrassenf­örmig, so wie man früher im Süden Gemüse anbaute. Auch die alte Dorf-windmühle hatte er erhalten, nachdem das Areal von Müll und Schutt gesäubert worden war – die Insulaner hatten den Platz lange als Schrottpla­tz genutzt.

$uch bei der $nordnung der Páanzen berlie‰ 0anritue nichts dem Zufall. »Er sah das Ganze wie ein Gemälde, und so wurden auch die Kakteen angeordnet«, erzählt Alfredo. Rund 4500 stehen heute in dem Garten, Sukkulente­n aus aller Welt. »Wenigstens hat er den Rat der *lrtner beherzigt, welche Páanze sich mit welcher vertrlgt und welche nicht in der Nähe der anderen wachsen kann.«

Ebenfalls im Norden der Insel hat er zwei Höhlen ins rechte Licht gerückt – die eigentlich gar keine Höhlen sind. »Jameos del Agua« und »Cueva de los Verdes« heißen diese unterirdis­chen Orte, die bei gewaltigen Vulkanerup­tionen als Lavatunnel übrig geblieben sind, erzählt Regina Hyspa. Die Österreich­erin lebt schon seit Jahrzehnte­n auf der Insel und hat in dieser Zeit viel über Vulkane gelernt. »Vor vielen Tausend -ahren Áossen riesige /avastr|me ber das /and 5ichtung 0eer.« :lhrend die überirdisc­he Lava recht schnell erkaltete und zu Stein wurde, Áossen die unterirdis­chen Str|me weiter. »Die Decke brach an verschiede­nen Stellen, dort befinden sich bis zu 0eter tiefe Schlchte.« Das sind die »Jameos«, die es an mehreren Stellen auf der Insel gibt.

Insgesamt sind die Tunnel unter der Erde rund sechs Kilometer lang, damit gelten sie als eines der längsten vulkanisch­en Gangsystem­e der Welt. In der »Cueva de los Verdes« ist man 1,6 Kilometer unterirdis­ch unterwegs, auf teils unebenen Stufen aus Lavastein. Für Menschen mit Platzangst ist das nichts – für alle anderen aber ein spannendes Erlebnis.

Und natürlich gibt es eine Höhlenhexe, von der Regina erzählt. Kein Wunder, denn diese Blase hat eine bewegte Vergangenh­eit. »Man erzählt sich, dass die Ureinwohne­r Lanzarotes hier früher Schutz gesucht haben, als die Piraten auf der Insel einfielen.« Die Temperatur liegt gleichblei­bend bei 19 Grad – das entspricht der Durchschni­ttstempera­tur in dieser Gegend. Lebensmitt­el halten sich also, auch über einen längeren Zeitraum. An manchen Stellen kommt Wasser hinein, wenn es regnet. Und den Eingang fand nur, wer wusste, wohin er musste.

Diese Höhle zugänglich zu machen, das hatten sie auf der Insel schon in den 60er-jahren überlegt, als die allererste­n Besucher kamen. Jesus Sotto, ein Ingenieur und Elektriker, überlegte sich also eine Art Lichtshow in bunten Farben für die Felsen. Doch schon da funkte César Manrique dazwischen. »Weiß sollte das Licht sein, oft indirekt – und nur die Schönheit der Natur unterstrei­chen«, erzählt Alfredo.

Genauso wurde es gemacht. Auch an den nicht weit entfernten »Jameos del Agua«. Ebenfalls ein unterirdis­cher Gang, dieser aber mit

einem See, der aus Meerwasser besteht und Heimat eines ganz besonderen Lebewesens ist: eines kleinen blinden Albino-krebses, der sonst nur in Tiefen von mehr als 2.000 Metern lebt. Auch in dieser Höhle machte 0anritue nur so viel wie n|tig ² und lie‰ die 1atur so, wie sie geschaųen war. Und hat damit eine der meistbesuc­hten Attraktion­en auf der Insel geschaųen. (in 5estaurant unter hellroten Sonnensege­ln gibt es auch, oberhalb des (stillgeleg­ten) Pools eine Bar. »Er wollte immer, dass die Besucher es gemütlich haben und ausspannen können«, erzählt Regina.

Auf der Höhle hat er ein Museum eingericht­et, in dem vor allem Vulkanolog­en auf ihre Kosten kommen – und Fachfremde verstehen können, wie die Kanarische­n Inseln aus dem Feuer entstanden sind. Und: Es gibt wunderschö­ne Ausblicke auf die gesamte Anlage. Genauso wie die beiden +ohlrlume in der kargen 1atur kaum auųallen – hätte Manrique nicht Logos für jede dieser Sehenswürd­igkeiten geschaųen, man k|nnte glatt daran vorbeifahr­en ², hat er auch den Aussichtsp­unkt Mirador del Rio erdacht.

Ganz im Norden der Insel, wieder auf den ersten Blick ein Steinhaufe­n, den man kaum erkennt, so fügt er sich in die Landschaft ein. Eine natürliche Terrasse gab es schon in dem Felsen, Manrique hat ein Restaurant mit riesigen Glasfenste­rn bauen lassen, von denen aus man die kleine Nachbarins­el La Graciosa sehen kann. Ein großer Erker mit wunderbare­m Ausblick.

Anders hat er es mit dem Teufel gemacht, ganz im Süden der Insel. In Timanfaya. An der heißesten Stelle der Feuerberge thront ein Restaurant über den Lavabergen, »El Diablo«. Wie ein U-boot sieht es von Weitem aus. Doch obwohl es groß ist und an exponierte­r Stelle steht, fügt auch dieses Gebäude sich perfekt in die raue Landschaft der Montañas del Fuego ein. »Er war eben ein Künstler und kein Architekt«, unterstrei­cht Alfredo.

Auch im Nationalpa­rk steht die Natur im Mittelpunk­t, Landschaft­en, wie sie auch in Island oder +awaii zu finden sind. Durch den Park fahren Busse, private Fahrzeuge sind nicht erlaubt. Und mancher Besucher wird drei Kreuze machen, dass er sich auf den schmalen, steilen Straßen nicht selbst ans Steuer setzen muss. Im Bus: dramatisch­e Musik und die Erinnerung­en eines gewissen Don Andres Lorenzo Curbelo, einst katholisch­er Priester in Yaiza. Er war Augenzeuge, als am 1. September 1730 die Welt unterging – so dachte man damals. Ein Vulkan brach aus. Und er spuckte 19 Tage lang Feuer. Doch damit war nicht Schluss, weitere sechs Jahre sollten die Inselbewoh­ner immer wieder Eruptionen erleben.

Bis heute ist einiges los unter der Erde, wie Besucher an vielen Stellen sehen können. Da ist der riesige Grill aus Vulkanstei­nen vor dem Restaurant, ein bisschen sieht er aus wie ein Brunnen. Doch weder ist Wasser darin, noch muss der Grill angefeuert werden: Die Hitze

kommt aus dem Loch, das rund sechs Meter tief in den Boden reicht. +lhnchensch­enkel, :rste und .artoųeln liegen auf dem riesigen Rost und brutzeln vor sich hin.

Draußen schütten sie in schöner Regelmäßig­keit ein paar Liter Wasser in kleine Löcher, die von Metall umsäumt sind – mit einem lauten Knall kommt der Wasserdamp­f nur Momente später aus der Erde geschossen. Gleich nebenan, an einem anderen großen Loch, werden trockene Zweige in die Hitze gelegt. Innerhalb weniger Sekunden fangen sie Feuer und brennen lichterloh.

Was für die Besucher ein unvergleic­hliches Erlebnis ist, hat die Menschen schon immer vor große Probleme gestellt: Es herrscht Wüstenklim­a auf der Insel, Wasser ist rar. Doch die Asche ist fruchtbar, wenn man weiß, wie man das Land kultiviert. Und das haben vor allem die Weinbauern in La Geria in vielen Jahrzehnte­n mühsamer Handarbeit perfektion­iert. »Sie graben große Mulden in die von meterdicke­r Vulkanasch­e bedeckte Erde, bis sie zu den fruchtbare­n Schichten kommen«, beschreibt Regina. Drum herum wird eine kleine Mauer aus Vulkanstei­nen gebaut, in die Mitte werden die Reben gesetzt. »Diese Technik hat mehrere 9orteile Sie schtzt die Páanzen vor dem Wind, die wasserspei­chernde Asche wird nicht weggeweht – und Tau und 5egen kommen direkt an die Páanzen.«

Malvasia, Listàn und Muskatelle­r haben Fans und Feinde, doch die Winzer konnten schon eine Reihe von Auszeichnu­ngen bei internatio­nalen Wettbewerb­en gewinnen. Geerntet wird per Hand, früher haben die Kamele die Bottiche mit den Reben zu den Bodegas gebracht. Kamele sieht man generell recht oft auf der Insel, heute zur Touristenb­espaßung, früher auch als Transportm­ittel. Wer sich lieber nicht tragen lässt, sondern selbst aktiv sein will, hat alle Möglichkei­ten auf dieser »Insel des ewigen Frühlings«.

Der Ironman wird hier alljährlic­h ausgetrage­n, auch den ganzen Winter über kommen viele Läufer, Schwimmer und Radfahrer, um auf den Straßen und an den Stränden zu trainieren – die Infrastruk­tur ist gut, und das Klima passt den Sportlern. Wer es etwas aufregende­r mag, fährt an die Playa de Famara, im Nordwesten der Insel. Da weht der Wind so sehr, dass man mitunter Schwierigk­eiten hat, die Autotür zu |Ųnen. :ellenreite­r und .itesurfer lieben das ² und zeigen teils atemberaub­ende Kunststück­e auf ihren Brettern. Auch César Manrique liebte dieses Fleckchen Lanzarote, an dem er als Kind viel Zeit verbrachte.

Und wer einfach nur Strandurla­ub machen will? Kann auch kommen. Zwar gibt es keine kilometerl­angen weißen Sandstränd­e wie auf den Nachbarins­eln Fuertevent­ura und Gran Canaria – dafür haben die Strände auf Lanzarote Charakter. Und sie sind oft gar nicht so einfach zu erreichen. Während die Playa de los Pocillos direkt da liegt, wo sich in Puerto del Carmen die Hotels aneinander­reihen, muss man sich die Playas de Papagayo erarbeiten. Eine Schotterpi­ste führt, nicht allzu bandscheib­enschonend, mehrere Kilometer durch die Wildnis ganz im Süden der Insel. Türkisblau­es, glasklares Wasser, feinsandig­e Strände, ein laues Lüftchen und sanfte Brandung. Hier kann man sich kaum vorstellen, wie karg Lanzarote an anderer Stelle aussieht.

Doch sie hat ihre Fans, diese Insel, die vor fast 25 Jahren von der UNESCO zum Biosphären­reservat erklärt wurde. »So ist das mit Lanzarote: Entweder man liebt es, oder man kommt nie wieder«, sagt Regina Hyspa. Genauso wie César Manrique, der der Insel an vielen Stellen seinen Stempel aufgedrück­t hat. Nachhaltig. Geschadet hat es der Insel jedenfalls nicht.

INFO

ANREISE Direktflüg­e ab Deutschlan­d bieten unter anderem

Air Berlin, Condor, Germania und Tuifly an. Wer auf einer der anderen Kanarenins­eln ist, kann mit der Fähre zum Hafen

Puerto de los Mármoles in Arrecife fahren.

VERANSTALT­ER Alle bekannten Veranstalt­er haben Lanzarote im Programm – manchmal auch mit einem Schwerpunk­t auf sportliche Aktivitäte­n, Wanderunge­n oder Golf.

INFOS www.turismolan­zarote.com/de. Auskünfte gibt es auch beim spanischen Fremdenver­kehrsamt unter spain.info/de

Den reisen EXCLUSIV-GUIDE finden Sie unter reisenexcl­usiv.com/guide-lanzarote

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