Barbados
Souvenirjägerin: Redakteurin Marie Tysiak kehrte mit einem Koffer voller Andenken und paradiesischer Erinnerungen zurück.
Fast zu schön, um Ware zu sein: Der Bananenverkäufer sitzt in Speightstown witzigerweise vor einer alten Apotheke.
EINE INSEL MIT FAST 100 KILOMETER TRAUMHAFTER KÜSTE. SEICHTE KARIBIKSTRÄNDE, FELSIGE BUCHTEN, RAUE BERGLANDSCHAFT, AUSGELASSENES SINGEN UND EIN PARADIES FÜR SURFER: BARBADOS IST EIN KARIBIKTRAUM. UND ICH BIN MITTENDRIN.
Es gibt das Koffereinpacken. Und dann gibt es das Kofferauspacken. Sobald der Wäscheberg in der Wäschetrommel wirbelt, habe ich alle Geduld der Welt, die Mitbringsel, die noch am sandigen Kofferboden schlummern, genauer anzusehen. Frisch gelandet und mit dem Kopf noch auf der Karibikinsel, greife ich in den Koffer. Ein Paar Plastik-flip-flops kommen zum Vorschein. Die habe ich mir im Gewusel von Bridgetown gekauft. Das ist die Hauptstadt von Barbados. Vor meinem inneren Auge reihen sich die Straßenstände in der schmalen Swan Street aneinander, die vor Menschen und Tischen überquillt und das Durchkommen für Autos unmöglich macht. Ein Obstverkäufer preist lautstark seine Bananen und Mangos an, am Stand nebenan inspizieren zwei junge Frauen mit kunstvoll geflochtenen Rastazöpfen knallige, hautenge Kleider. Mir würden sie daheim als Disko-outfit dienen – auf Barbados dagegen gehören die Hingucker zur gepflegten Alltagsmode. In meinem Kopf drehe ich die Zeit zurück, und ohne Mühe haften meine Gedanken an dem Gefühl des ersten Abends auf der kleinen Antillen-insel. Als ich ankomme, ist die Sonne längst im Meer versunken. Die Sicht aus dem dreckigen Fenster auf der kurzen Taxifahrt vom Flughafen Grantley Adams, einst ein bedeutender Politiker und Menschenrechtler, zum Hotel ist mau – es regnet in Strömen. Just als wir in die Hoteleinfahrt abbiegen, hört es auf. Das nutze ich für ein wenig Beinevertreten durch die Hotelanlage.
Das hohe Gras kitzelt leicht an den nackten Füßen. Um mich herum ist es pechschwarz, ganz ohne die Handytaschenlampe. Aus allen Richtungen kommen Geräusche, sodass ich mir einbilde, dennoch die
Einzelheiten meiner Umgebung ausmachen zu können. Über mir rascheln Palmenblätter im Wind; aus dem Gras zirpt und klackert es e[otisch, und ich hoųe, dass blo nichts *iftiges dabei ist. +oųentlich zertrampele ich nicht eines dieser geschützten Eier der Lederschildkröte, die an den Küsten Barbados brüten. Ich taste mich am Geländer entlang zur Spitze der /andzunge. Dort pfeift der :ind umso lauter, während die Wellen mit einem lauten Krachen an den Strand platschen. (s klingt wie ein 2rchester zu einem mir fremden Takt.
Auch der Geruch ist extrem, sicher verstärkt von dem abendlichen Regen, der der sich anbahnenden Regenzeit geschuldet ist. Süßlich und blumig, salzig und rau zugleich. Bestimmt sind auch die Farben morgen bei Tageslicht intensiv. )r einen kurzen 0oment lugt die schmale 0ondsichel durch ein /och in der :olkendecke hindurch. Die schlumenden :ellen unter mir glitzern fr einen $ugenblick, umrahmt von der Silhouette unzlhliger .okospalmen auf der anderen Seite der Bucht. Und dann liegt der tosende Atlantik, der in einer Endlosschleife an den &rane Beach rollt, wieder unbeleuchtet vor mir. (s ist saukitschig. Und dennoch verfalle ich dem *lnsehautmoment und teile Metzt schon die 0einung des 5eisefhrers, am sch|nsten Strand der Insel zu stehen (hach und welch Glück – auch zu wohnen!).
Ich stelle die Flip-flops in den Schuhschrank. Als Nächstes fällt mir meine Unterwasserkamera in die Hände. Ich kann es kaum erwarten, die Bilder auf dem PC anzusehen.
.eine Stunden splter halte ich einen fruchtigen &ocktail in den +lnden. 0it der Sonnenbrille auf der 1ase stehe ich am Bug des .atamarans, der ber die spiegelglatte, glitzernde :asseroberálche Áitzt.
0it ordentlich :ind in den Segeln rauschen wir an der palmenberladenen Küste vorbei. Weiß blitzt das Anwesen des berühmten Sandy Lane Hotels (in dem auch regelmäßig Rihanna beim Besuch in ihrer +eimat so manche ² wilde ² 1acht verbringt im /icht der untergehenden Sonne zwischen den Palmen hindurch, der helle Strand ist mit pinken Schirmen bestückt. Wie Fremdkörper im Paradies.
Eine Katamaran-sonnenuntergangstour mit Abendessen an Bord ² ein annehmbares Programm fr den ersten Urlaubstag. :ir ankern vor der Sdwestkste, nicht weit vom <achthafen Bridgetown entfernt. Dort haben wir unter dicken :olken abgelegt, keine Stunde später ist der Himmel klar, und die blaue Stunde sorgt fr den zusltzlichen :ow-)arbeneųekt.
Unter der blau schimmernden :asseroberálche liegt ein Schiųswrack, erzlhlt der Bootskapitän und schmeißt mit einem lauten Platschen den $nker ins seichte, tiefblaue :asser. =wei der seltensten Schildkrötenarten der Welt sind entlang der Südwestküste beheimatet, die riesige Lederschildkröte (die ihre Eier am Strand ablegt) und die Karettschildkröte – als ob ein Schiųswrack alleine nicht *rund genug fr eine Runde Schnorcheln wäre. Und tatsächlich haben wir *lck 0it meiner Unterwasserkamera und Schnorchel bewaųnet springe ich ins 1ass, und keine drei 0eter unter mir lassen sich klar die Umrisse eines korallenberwucherten Schiųes erkennen. Ich habe kaum meine .amera eingeschaltet, um das mystische Bild einzufangen, als ich von hinten angestupst werde Der Bootskapitln macht mich auf die Munge .arettschildkr|te aufmerksam, die gemlchlich ans :rack herangeschwommen kommt. Die Kamera ist eingeschaltet: Klick. Klick. Klick.
Während die Bilddateien auf meinen Computer kopiert werden, packe ich meine Errungenschaft aus Barbados‘ Bergen, eingewickelt in Zeitungspapier, aus: eine Vase. Ganz richtig – ich habe eine Tonvase den ganzen Weg hergeschleppt. Ich streiche über die zum Glück noch heile, glatte und weiß lackierte Oberfläche.
Ich mag es, ein /and zu erkunden. Und mit »erkunden« meine ich, auf eigene, oft abenteuerliche :eise ohne =iel loszuziehen und mich berraschen zu lassen. Schon bei der $nkunft im +otel hatte das Schild »Scooter for rent« an der 5ezeption meine )antasie beágelt. Die Idee verfestigte sich. (ine Inselumrundung auf zwei 5ldern soll es heute werden!
=wischen .aųeetasse zwei und drei erzlhle ich meinen 0itreisenden am )rhstckstisch von der Idee. 0ichael findet die Idee spitze und entschließt sich spontan, mit einem typisch norddeutsch kargen »Jo, ich komm denn mal mit, okay?« sich anzuschließen.
0it einer Touristenkarte der Insel bewaųnet ziehen wir los. =ur Sicherheit habe ich noch die *oogle-0aps-2űinekarte heruntergeladen das gesamte Straennetz Barbados‘ umfasst 0egabyte, es sollte also machbar sein). Ein Back-up scheint nicht verkehrt, die Karte des 5ezeptionisten ist wenig informativ und im 9erhlltnis . . , dafr ist sie aber umso bunter mit zahlreichen Symbolen fr Sehens- würdigkeiten geschmückt. Die Strandschirmchen-symbole an der :estkste sind so dicht gedrlngt, dass auf der linken .artenhllfte nicht mal mehr eine Straße auszumachen ist.
Die gelben Sterne zeigen die +ighlights der Insel an. Im 1orden ziert ein Stern die $nimal )lower &ave, ein +|hlensystem am Strand, an dem die Wellen an die Felsen klatschen. An der Südküste prangt ein Stern am 2istins )ish )ry. 9erdient, wie ich nach gestern $bend finde ein allabendliches )est direkt am 0eer mit 0usik, Tanz, 9erkaufsstlnden und natrlich ganz viel gegrilltem )isch und +ummer. Dort ziehen der Rauch und ein verlockender Geruch über den berfllten Platz, an dem sich (inheimische und Touristen gleichermaen auf den weien Plastiksthlen an wackeligen Tischen niederlassen, schlemmen und Banks Bier und 5um trinken, bis schlielich Meder zu den rhythmischen Beats der Livemusiker groovt.
Ich ersetze den Krug, in dem mein Willkommenssträußchen steckt, durch die neue Vase und stelle sie auf den Tisch. Auf unserer Mopedtour um die Insel haben wir in den Bergen an der steil abfallenden Ostküste die Highland Pottery, eine Töpferei, besucht – der Terrakotta-ton wird gleich vor der Haustür am Berghang abgebaut.
Die kleine, einladende T|pferei bleibt nicht die einzige (ntdeckung, die wir auf unserer 0opedtour mit der spärlichen Karte machen: Wir entdecken am Horizont einen alten, verlassenen britischen /euchtturm von , wie eine vergilbte Steintafel uns splter verrlt. (insam an der grasberwucherten Steilkste streckt er sein .|pfchen in den :ind. Und wir kurz splter auch, denn die wilde Fahrt übers Feld und die Besteigung des rostigen Bauwerkes über eine schmale Wendeltreppe haben wir Abenteurer uns natürlich nicht nehmen lassen. Die Aussicht ist ohnehin das (Einsturz-)risiko wert.
+ier oben oųenbart sich uns wagemutigen (ntdeckern nicht nur Barbados‘ Schönheit, auch die Geschichte des Inselstaates liegt uns zu )en. 9or meinem inneren $uge segeln Piratenschiųe am +orizont zu versteckten Strlnden, um ihre *oldschltze zu plndern. Tatslchlich besteht das *ercht, dass der berchtigte +enry 0organ im . -ahrhundert nach Barbados kam, bevor der Pirat sich später in Jamaika einen 1amen machte. Und heute eine der meistverkauften 5umsorten ziert.
9on Barbados‘ 9ergangenheit zeugen die feinsluberlich geteilten, heute teils verwilderten =uckerrohrplantagen. $m +orizont kann man zwischen zwei Feldern eine Allee ausmachen, die zu einem stattlichen +aus fhrt dem ehemaligen Plantagengeblude. Das se =uckerrohr brachte kein anderer als &olumbus her. (r suchte auf seiner 5eise nach einem geeigneten $nbaugebiet fr seine kleinen Setzlinge. Und wurde schlielich in der .aribik fndig, die lange -ahre (uropas =uckerbedarf befriedigen sollte.
Die menschliche Trag|die, die danach folgte, um die vielen $rbeitskrlfte zu decken, ist hoųentlich Medem bekannt der atlantische Sklavenhandel. 9ermutlich verschleppten die europlischen Imperialisten
Rummachen: Foursquare ist eine der vier Rum-destillerien auf Barbados. Das Schöne: Es darf verkostet werden! Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren.
Ein Fels in der Brandung: Bathsheba ist der Surferhotspot im Osten der Insel am welligen Atlantik.
Ohne Surfer im Wasser kommt Robinsoncrusoe-gefühl auf.
zwischen dem . und . -ahrhundert zehn bis fnfzehn 0illionen 0enschen aus $frika ber den $tlantik. Ihre 1achfahren bilden heute den gr|ten Teil der lokalen Bev|lkerung. Die Inseln der .aribik wurden unter (uropas 0lchten aufgeteilt. Barbados wurde als britische .olonie annektiert, bis sie in die Unabhlngigkeit entlassen wurde. Seither ist die Insel 0itglied des &ommonwealth. :ie 0ahndenkmller stehen auf der ganzen Insel die etwa 0eter hohen 5uinen der ehemaligen =uckerrohrmhlen verteilt. Unkraut wlchst an ihnen empor, seit einigen -ahrzehnten hat der Tourismus die =uckerrohrindustrie als wichtigsten :irtschaftszweig abgel|st.
Ich hebe ein kleines Fläschchen mit einer braunen Flüssigkeit vom Boden auf. Auf dem Etikett prangt ein Papagei.
(inige =uckerrohrplantagen werden auf Barbados aber noch bewirtschaftet. Denn schlielich ist die Insel *eburtsland der weltbeliebten Spirituose aus =uckermelasse oder =uckerrohrsaft. 9ier Distillerien bestehen heute noch. $uf der St. 1icholas $bbey im 1ordosten der Insel kann man die $rbeit auf einer =uckerrohrplantage beobachten. (in Besuch auf dem $nwesen lohnt sich ² nicht nur um den lokal produzierten 5um zu kosten. Das in Makobinischem Stil errichtete und charmant restaurierte +errenhaus aus dem . -ahrhundert wird von gigantischen 0ahagoni- und $vocadoblumen umrahmt. (in *arten, in dessen (cken es zwitschert, lldt zu einem 9erweilmoment mit einem *llschen leckeren 5um-punch ein. Bei unserem Besuch auf dem Anwesen hörte ich eine betagte britische Lady mit großen Hut beim $nblick des *ebludes ein »2h, how delightful!« ausrufen, als sie aus dem $usáugsbus stieg. -a, entzckend, indeed, die St. 1icholas $bbey.
Die Rumflasche der St. Nicholas Abbey ergänzt nun unsere kleine Hausbar. Ein paar schmuddelige Geldscheine stecken in der Innenseite meines Koffers. Ich nehme das knittrige Papier aus dem Seitennetz.
5um, das habe ich in den wenigen Tagen auf der Insel gelernt, ist mehr als ein Teil der *eschichte des /andes und bedeutend mehr als ein *etrlnk. (s ist ein /ebensgefhl. Treųpunkt der (inheimischen ist der 5um-shop, eine $rt .iosk, in Medem noch so kleinen Dorf zu finden. 1eben 5um trinkt man hier »Banks«, das Bier aus der +auptstadt Bridgetown, auf das man in Barbados stolz ist und dessen )arben und Logo viele der Rum-shop-fassaden bunt verzieren. Aber die bunten Büdchen sind auch ein Allrounder: Hier wird von Haushaltsgegenständen über Lebensmitteln bis hin zu lokalen warmen Gerichten wie 0acaroni Pie, Schweineschwanz oder Brotfrucht alles verkauft. 4uasi die Barbados-9ersion des Tante-(mma-/adens, nur dass es auf Barbados mehrere Tausend davon gibt, bei nur . (inwohnern.
Mein Kleiderschrank ist beklebt mit dem Papiergeld aus bereisten Ländern. Ganz unten finde ich einen Platz für die zerknitterten, bunten Barbados-dollar, mit denen man auf der Insel seit 1975 bezahlt. Er ist im Verhältnis 2:1 an den Us-dollar gekoppelt. Ich habe die Scheine extra in meinem Koffer verstaut, damit sie am Ende nicht noch für ein letztes Souvenir am Flughafen draufgehen.
Ich starre die breit grinsende Frau an. Sie lehnt lässig hinter der Durchreiche ihres Rum-shops. Ihre langen, dunklen Haare sind zu unzlhligen 5astaz|pfen gebunden und mit bunten Perlen verziert sie ist Mung und versprht /ebensfreude. Und hat uns gerade lachend etwas erzlhlt. 1ein, sie hat gemammt, es fehlte nur der rhythmische Dancehall-beat im +intergrund. :lhrend sie spricht, |Ųnet sich mein 0und vor 9erwunderung und )aszination ber so viel karibischen Blues. So h|rt es sich also an, dieses Baman. (ine auf dem (nglisch basierende .reolsprache, von der im 5eisefhrer die 5ede war und das in nahezu allen Haushalten und im Alltag gesprochen wird – auch wenn Englisch $mtssprache des /andes ist. 1ur verstanden habe ich leider kein :ort. Ich grinse also einfach genauso breit zurck und bestelle zwei kalte &olas. Ich lege einen zerknitterten =wei-barbados-dollar-schein auf die Durchreiche, und wir nehmen auf den Plastiksthlen im Schatten der Bananenpáanze Platz.
Die Munge )rau aus dem 5um-shop setzt sich neugierig zu uns. »<·all ar‘ d first foreignas her‘ ina while«, sagt sie und begutachtet leicht grinsend und eine 5eihe hellweiser =lhne zeigend 0ichaels Sonnenbrand auf der 1ase. Ich frage sie, wo wir sind. »&rab +ill. <ah, man. ·dis is &rab +ill. 2n da :est &oast. Dere·s d Sunset Point 5estaurant rite ova ·dere. 1ice view ·dey have.« *laube ich ihr, auch wenn kaum etwas den Blick vom Leuchtturm toppen kann. Aber an ausgezeichneten Dinner-$dressen mangelt es auf Barbados wahrlich nicht. 1icht umsonst trlgt die Insel den Beinamen »*ourmet-insel der Karibik«.
Alice, so heißt die Lädchen-besitzerin, winkt uns zum Abschied. Nach und nach hat der Koffer sich geleert und die Mitbringsel sind ausgepackt. Eine tolle Reise. Als ich den Koffer auf den Schrank hieve, frage ich mich, wohin meine nächste Reise geht. Wenn es wieder heißt: Koffer (aus-)packen!
INFO
ANREISE Condor fliegt einmal die Woche direkt von Frankfurt a. M. mit Zwischenstopp in Tobago nach Bridgetown. www.condor.com
INFOS Informationen rund um Barbados gibt es unter www.visitbarbados.org/de
Den reisen EXCLUSIV-GUIDE finden Sie unter reisenexclusiv.com/guide-barbados