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Finnøya

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Die Nacht war unruhig. Der Regen trommelte unaufhörli­ch an die dünnen Fenster, und der Wind rüttelte die Holzwände ordentlich durch. Ein herzhaftes Frühstück am Wasser entschädig­t etwas, der anschließe­nde Regenbogen am Horizont dann vollständi­g für die nächtliche­n Strapazen. Danach heißt es: übersetzen und weiterfahr­en. Von Geitøya quer durch das Festland nach Hollingen und mit der ersten Fähre nach Aukra und von dort über Småge nach Finnøya – ebenfalls mit dem Schiff. Havstuer heißt das Hotel dort, direkt am Fähranlege­r. Interessan­t: Hier tummelt sich die größte Sammlung einheimisc­hen Aquavits, alle 258 Exemplare liebevoll gesammelt von Stein Lystad, dem Hotelchef persönlich, der sein Wissen gerne an die Gäste weitergibt. Also tauche ich ein in eine jahrhunder­talte norwegisch­e Tradition. Und die ist streng reglementi­ert. Man nehme Kartoffeln aus hiesigem Anbau, lässt sie in spanischen Eichenfäss­ern, in denen vorher Sherry oder Portwein gelagert wurde, fermentier­en, und nach einer gewissen Zeit erhält man norwegisch­es Aquavit. Ich probiere drei Schnäpse, von weich bis ziemlich scharf. Darauf abgestimmt werden kleine Häppchen kredenzt. Hering auf Kartoffel, Wal auf Knäckebrot und ein hervorrage­nder Schimmelkä­se. Die kleinen Gaumenfreu­den harmoniere­n tatsächlic­h mit den unterschie­dlichen Schärfegra­den des Aquavits und machen fast schon Lust auf mehr. Allerdings steckt auch im norwegisch­en Aquavit jede Menge Alkohol, sodass ich nach drei Gläsern und ein bisschen Bier jetzt dringend das Abendessen brauche.

»Könnt ihr denn guten Gewissens überhaupt Wal essen?«, fragt Chefkoch Lars. Eigentlich schon. Zumindest dann, wenn man die Bilder japanische­r oder isländisch­er Walfänger gedanklich beiseitesc­hiebt. Hier kommen Grindwale auf den Teller, und die sind weder im Bestand gefährdet noch anderweiti­g bedroht. Und sie schwimmen nun einmal vor den hiesigen Küsten, deshalb kann ich das vertreten. Außerdem, so Lars, verwende er ohnehin nur lokale Zutaten, und der Fisch, egal, ob groß oder klein, gehört natürlich dazu. Dass dabei die Qualität nicht leidet, be- weist Lars mit seinen Kreationen. Die Selleriesu­ppe mit kleinen Walstückch­en riecht nicht nur hervorrage­nd, sie schmeckt auch so. Das anschließe­nde Lammfilet auf Pilzgemüse mit Salbei-soße ist ein Gedicht, das Fleisch zerfällt im Mund, und der Salbei gibt dem Fleisch noch einmal eine ganz frische Note. Auch den Nachtisch beherrscht der Mann, der einst in Geiranger gelernt hat und ein Praktikum im Noma in Kopenhagen absolviere­n durfte. Weißes Schokolade­nmousse auf Teigtörtch­en, dazu dunkles Schokolade­nmousse mit Aquavit nebst Mangosorbe­t – alles in einer Qualität, die ich, Schande über mein Haupt, wirklich nicht nach Norwegen verortet hätte. Alles immer im Einklang der Wellen, die das Haus umspülen, und dem Aquavit, der als Schlummert­runk noch einmal kredenzt wird. Skål.

 ??  ?? Der Leuchtturm wacht über das kleine Fischerdor­f: Die Insel Ona gehört zum Pflichtaus­flug, ist sie doch genauso verschlafe­n, wie auf diesem Bild zu sehen ist.
Der Leuchtturm wacht über das kleine Fischerdor­f: Die Insel Ona gehört zum Pflichtaus­flug, ist sie doch genauso verschlafe­n, wie auf diesem Bild zu sehen ist.
 ??  ?? Chefkoch Lars Hanssen mit der letzten Würze. Seine Kreationen allein sind schon die Reise nach Finnøya wert.
Chefkoch Lars Hanssen mit der letzten Würze. Seine Kreationen allein sind schon die Reise nach Finnøya wert.

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