The Ghan
MIT KURS AUF NORDNORDWEST
Reporter Ralf Johnen hat sich zügig (Achtung, Wortspiel!) durch den Outback Australiens bewegt. In der Luxusvariante, versteht sich.
Der Luxuszug »The ghan« Durchquert
Den australischen Kontinent von süd nach nord. Die stunden an Bord Lassen Die grossen zeiten Des Langsamen reisens wieder aufleben.
Ich sehe Cary Grant noch genau vor mir: gut sitzender Anzug, gesunder Teint und diese lächerliche Sonnenbrille. Auffälliger ging es nicht. Doch mit exakt diesem Outfit fühlte er sich sicher, als er in Alfred Hitchcocks »Der unsichtbare Dritte« vor der Polizei floh, nur, um sich bald darauf an Bord des Zuges von einer blonden Doppelagentin bezirzen zu lassen. Während beide heftig flirtend ihr Abendessen zu sich nahmen, fuhr der Zug an einem See entlang. Immer weiter, in silbern glänzenden Wagons. Als die Irrungen und Wirrungen der Handlung ausgestanden sind, sieht man die beiden in einer Schlafkabine herumturteln. Seit ich den Film als kleiner Junge gesehen habe, war ich besessen von der Idee, dass Bahnfahren eine sehr romantische Sache ist – oder zumindest sein kann, wäre da nicht die Realität, die mich vom Interregio bis zum antiken Intercity immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat. Nach der langen Liste von Enttäuschungen habe ich mich in Kanada und Alaska auf die Suche nach der Romantik gemacht. Doch die Panoramawagen, in denen Bloody Marys serviert werden, erinnerten mich an eine Kreuzfahrt auf Schienen. Ganz zu schweigen von den Übernachtungen in Motels.
Auf dem nüchternen Bahnsteig des Parklands Terminals in Adelaide aber kehrt die Hoffnung zurück: ein Zug mit endlos vielen Wagons,
898 Meter lang. Die Außenwände sind elegant gewellt und von einer titanartigen Noblesse. In der Mitte eines jeden Wagons ist ein Schild angebracht, das einen Reiter auf einem Kamel zeigt. Dazu ein Schriftzug: »The Ghan«. Erst beim Einchecken fällt mir auf, dass der Zug, den ich gleich besteigen werde, in exakt jene Richtung fahren wird, die Hitchcock als Originaltitel für seinen Film auserkoren hat: »North by Northwest«.
Um 12.15 Uhr verlässt der Zug die australische Küstenstadt, um Kurs auf Alice Springs zu nehmen. Mit meiner Kabine habe ich mich da schon vertraut gemacht: holzgetäfelte Wände, bequeme Polster (die für meinen Geschmack etwas zu grün geraten sind), kleine Leselampen, ein Tisch und ein großzügiges Fenster. Nicht überkandidelt, aber gemütlich. Das könnte etwas werden.
Nachdem sich die beiden Lokomotiven schwerfällig in Bewegung gesetzt haben, fahren wir vorbei an den Ausläufern der City, verwaisten Gleisbetten und gesichtslosen Suburbs, die aus scheinbar identischen Flachbauten mit rechteckigem Grundriss bestehen, später an Feldern und Getreidespeichern. Als wir eine Plantage mit Olivenbäumen passieren, wundere ich mich kurz. Die Bäume stehen viel enger beisammen als in La Mancha oder in Apulien. Die Australier nehmen es ziemlich ernst mit der Neuerfindung der alten Welt. Auch kulinarisch betrachtet. Das habe ich schon auf dem Central Market in Adelaide gesehen, wo wirklich