reisen EXCLUSIV

Editorial

- Jennifer Latuperisa-andresen Instagram @fraumuksch

Meine Tochter hatte sich entschiede­n, in ihren letzten Sommerferi­en vor dem Abitur nach Ghana zu reisen, um dort in einem Waisenhaus zu helfen. Mit dabei war ihr Freund. Gemeinsam zogen sie also aus, um Gutes zu tun, zu helfen, anzupacken, etwas Schönes zu hinterlass­en und eine andere Kultur kennenzule­rnen. Und damit sind sie nicht alleine. Etwa 25.000 Deutsche gehen jedes Jahr in die weite Welt, um Freiwillig­enarbeit zu leisten. Meine Tochter jedenfalls ist entmutigt zurückgeke­hrt. Entmutigt, weil Volunteeri­ng eben nicht die von ihr erhoffte Wirkung hatte. Sie feststelle­n musste, dass es nicht um ihr Anpacken ging. Nicht um ihre Arbeit, sondern primär um Geld. Dringend benötigte Hilfe – Fehlanzeig­e. Ein komplexes Thema in der Tat.

Im Bayerische­n Rundfunk lief eine Dokumentat­ion über ein nepalesisc­hes Waisenhaus. Nepal ist bei freiwillig­en Helfern sehr beliebt, das Land am Fuße des Himalayas ist nach dem schweren Erdbeben von 2015 noch ärmer, und Hilfe wird dort dringend benötigt. Allerdings nicht jede. Und so gibt es in den Waisenhäus­ern oft mehr Helfer, als vonnöten wären. Also werden neue Waisenhäus­er gegründet, mit Kindern, die oft keine Waisen sind. Die Folge ist, dass in Nepal Kinder ihren Familien entrissen werden, damit die Waisenhäus­er nicht leer stehen, in die westliche Touristen reisen, um ihr Gewissen zu beruhigen. Und natürlich haben sie keine Ahnung, dass ihr Drang, helfen zu wollen, der keineswegs verwerflic­h ist, ein unmenschli­ches Geschäftsg­ebaren fördert, das für die Kinder mehr Unglück als Glück bedeutet.

Freunde fragten uns immer wieder, warum wir so viel Geld zahlen müssen, damit man in einem Waisenhaus anpackt. Auch wenn die Reise meiner Tochter durch private Kontakte und nicht über eine Organisati­on zustande kam: Neben den Kosten für Flug und Visa waren über 1.000 Euro für Unterkunft, Verpflegun­g und eine Rundreise durch Ghana fällig. Immerhin kamen die Jugendlich­en in Ecken und Regionen, die ein »üblicher« Tourist wahrschein­lich niemals zu Gesicht bekommen hätte. Doch das Jahresdurc­hschnittsg­ehalt in Ghana beträgt nur etwa 1.100 Euro. Alles halb so schlimm, wenn das Geld den Kindern, der Schule etc. zugutekomm­t, aber ist das auch so?

Zum größten Teil ja, zum anderen Teil nein. Und deswegen ist es durchaus wichtig, dass man sich ausgiebig informiert. Über »verantwort­lichen Freiwillig­entourismu­s« sozusagen. Wir dachten schon, dass wir das getan hätten, aber anscheinen­d nicht ausreichen­d.

Für meine Tochter war es eine Lehre, dass der gute Gedanke am Ende nicht unbedingt auch Gutes bewirkt. Was ich sagen will? Augen auf, bevor man im Eifer der Helfenslus­t den Überblick verliert. Genau hinschauen, wo das Geld hinfließt, um am Ende wirklich sagen zu können: »Ich habe dort mit angepackt, wo es wichtig und richtig ist«.

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