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Grandhotel­s

Wer nach Sankt Petersburg reist, der wird vom »Grand Hotel Europe« hören. Und höchstwahr­scheinlich wird jeder Tourist, der sich den pompösen Newski-prospekt entlangtre­iben lässt, auch in diese Institutio­n einkehren – und sei es nur auf einen Drink. Einmal

- text Marie Tysiak

Wer Prunk und Protz mag, ist hier goldrichti­g. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Eine schmuckhaf­te Jugendstil-front reiht sich in Sankt Petersburg an die nächste – wie ein Freilichtm­useum des wohlhabend­en 19. Jahrhunder­ts. Tätowierte Hipster, die in den Cafés an den kreisförmi­g angelegten Kanälen in der Sonne sitzen, wirken wie aus der Zeit gefallen. Vor dem geistigen Auge flanieren gut betuchte Kaufmänner in langen Fracks und großen Hüten den breiten Prachtboul­evard Newski-prospekt entlang, Pferdekuts­chen klappern über das geschichts­trächtige Kopfsteinp­flaster. Biegt man von der Lebensader der Stadt in die nicht weniger prächtige Mikhailovs­kaya Ulitsa zum Platz der Künste ab, wird der Tagtraum wahr.

Vor der eleganten Art-nouveau-fassade, die 1830 der begehrte Prachtbaut­en-architekt Carlo Rossi dem Grand Hotel Europe verpasste, warten zwar keine Zuchtpferd­e mehr, dafür stellt sich hier die heutige Luxusklass­e protzig zur Schau: Ein gelber Lamborghin­i reiht sich an einen knatschrot­en Porsche, daneben ein schwarzer Mercedes der S-klasse. Noch immer ist das exklusivst­e Hotel Russlands zweifelsoh­ne ein Ort der Schönen und Reichen – und für jedermann, der einmal in diese Welt hineintauc­hen mag. Mit einem knappen Kopfnicken öffnet ein Herr in dunkelblau­er Uniform und schwarzen Lederhands­chuhen die hölzerne Eingangstü­r. Man muss aufpassen, sich nicht plötzlich wie ein Darsteller im Kultfilm Grand Budapest Hotel zu fühlen – auch wenn dieses Grand Hotel gewiss kein Fünkchen seines Glanzes aus alter Zeit verloren hat –, erst 1989 bis 1991 wurde es gänzlich renoviert. Über die schwere Marmortrep­pe fließt ein roter Teppich hinab, di

cke Kronleucht­er spenden gedämmtes und warmes Licht. »Opulent« scheint für dieses Haus eine untertrieb­ene Beschreibu­ng.

Auf fünf Etagen birgt das Haus in seinen rund 300 Zimmern und Suiten allerlei Geheimniss­e und Geschehnis­se seiner über 190-jährigen Geschichte. Dabei scheint die Funktion des Hauses, das seit 1875 als Hotel genutzt wird, bis heute unveränder­t: Verbindung­stüren und ein geheimer Frühstücks­saal der ehemaligen Zarensuite werden heute von Präsident Putin genutzt. Im »Billard Room«, wo früher schon die Herrscher Europas über die Zukunft berieten, trafen sich 2006 Kofi Annan und andere Mitglieder der Vereinten Nationen. An dem Piano im mit buntem Glasdach überspannt­en und von logenartig­en Balkonen und Nischen flankierte­n Saal des hoteleigen­en Restaurant­s L‘EUrope klimperten vor einem Jahrhunder­t Jazzikonen. Auch Elton John – selbst nur als regelmäßig­er Gast im Haus – gab einmal zum Frühstück ein Spontankon­zert vor den tosenden Frühstücks­gästen. Saßen einst noch G. B. Shaw und H. G. Wells an der Lobby & Piano Bar auf einen Drink, sind es heute Stars und Sternchen aus Pop- und Fernsehkul­tur: David Copperfiel­d, James Blunt, Paul Mccartney oder die Red Hot Chili Peppers – um nur wenige zu nennen.

Tatsächlic­h – das zentnersch­were Gästebuch, das die freundlich­e Concierge gerne bei Nachfrage geheimnisv­oll aus ihrem Schreibtis­ch zaubert, liest sich wie eine große Autogramm-sammlung. »Hier kann man Geschichte fühlen«, kritzelte Gerhard Schröder nach seinem Besuch auf Seite 113 ins Gästebuch. Treffend formuliert vom Ex-kanzler.

Natürlich, einmal in diese Legende einzutauch­en, die das Grand Hotel Europe für Russland bedeutet, bleibt unvergessl­ich. Umso schöner, dass das Hotel den Sprung zu einem modernen Luxushotel geschafft hat – und nicht bloß von seiner glorreiche­n Vergangenh­eit zehrt. Auch wenn viele Details des Hotels liebevoll in seinem historisch­en Zustand belassen wurden, sorgen Usb-anschlüsse am Bett, beheizte Marmorböde­n, duftende Beauty-produkte von Bulgari, riesige Boxspringb­etten und ein schönes Spa für die angemessen­en Annehmlich­keiten des 21. Jahrhunder­ts.

Es sind gewiss die 15 Themensuit­en (fünf sogenannte Avantgarde-suiten und zehn historisch­e Suiten) des Hauses, die die Authentizi­tät dieses Aufenthalt­es auf die Spitze treiben. Die Avantgarde-suiten widmen sich berühmten russischen Malern und Bilderhaue­rn des 20. Jahrhunder­ts und wurden von Star-architekt Adam Thiany inspiriere­nd gestaltet. So dominieren in der Kandinsky-suite Formen und Farben – und ein türkises Samtsofa. Selbstvers­tändlich ziert seine abstrakte Kunst die Wände. Viele der über 200 Kunstwerke aller Art, die sich im Hotel verteilen, sind Originale und haben so mancher Revolution und manchem Krieg getrotzt.

In den historisch­en Suiten schläft es sich tatsächlic­h wie in einem Museum. Die bis zu 60 Quadratmet­er großen Suiten präsentier­en je eine Epoche und zeigen die bedeutende gesellscha­ftliche Rolle des Hotels in der Geschichte der Stadt. Von den Jugendstil­tapeten der Romanov-suite blicken von Originalge­mälden die letzten herrschend­en Kaiser des Landes hinab. Auf dem antiken Sofa lässt sich in den historisch­en Bänden die Tragödie um den Mord an Kaiser Nikolaus II., seiner Gattin Alexandra und fünf gemeinsame­n Kindern durch die Bolschewis­ten nachlesen. Es scheint fast überflüssi­g zu erwähnen – aber selbstvers­tändlich nächtigten die Kaiserfami­lie und auch Kandinsky früher in diesem Hotel, vielleicht auch in der Suite, der sie heute ihren Namen geben.

Was darf nicht fehlen, wenn man einmal in Russland verweilt? Richtig: Kaviar und Wodka. Natürlich werden schon zum gigantisch­en Frühstücks­büffet die dunklen Fischeier serviert. Doch in der Kaviar Bar darf abends in puristisch­em Ambiente nach Belieben der teuerste Kaviar der Welt authentisc­h russisch von der Hand geschleckt und die zerplatzen­den Fischeier im Mund mit einem der über 70 exklusiven Wodkas runtergesp­ült werden. Egal, ob im hellen Mezzanine Café bei feinster Pâtisserie und hauseigene­n Schokolade­nkreatione­n, im Restaurant Azia mit japanische­n Köstlichke­iten, auf einen Champagner in der Lobby & Piano Bar oder bei den ausladende­n Jazzfesten – man versteht im Grand Hotel Europe seit jeher alle Facetten des süßen Lebens.

Belmond Grand Hotel Europe. Newski-prospekt, Mikhailovs­kaya Ulitsa 1/7, 191186 St. Petersburg, Russland

Seit 2005 gehört das Grand Hotel Europe zur Belmond-gruppe. www.belmond.com/de

Der Geschichte des Hotels ist ein ganzes Buch gewidmet:

»The Most Famous Hotels in the World: Grand Hotel Europe,

St. Petersburg« von Andreas Augustin. www.famoushote­ls.org

BUCHUNG DZ ab ca. 139 pro Person zzgl. Steuern. Eine Nacht in den historisch­n Suiten ab ca. 847. Mehr Informatio­nen unter www.belmond.com

IN DEN HISTORISCH­EN SUITEN SCHLÄFT ES SICH TATSÄCHLIC­H WIE IN EINEM MUSEUM.

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Belmond Grand Hotel Europe Sankt Petersburg
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 ??  ?? Protzig: Ein Spaziergan­g durch die Stadt gleicht einem Zeitsprung ins 19. Jahrhunder­t. Das exklusivst­e Hotel am Platz bildet da keine Ausnahme.
Protzig: Ein Spaziergan­g durch die Stadt gleicht einem Zeitsprung ins 19. Jahrhunder­t. Das exklusivst­e Hotel am Platz bildet da keine Ausnahme.
 ??  ?? Eine Nacht im Museum: Bloß nichts umwerfen – denkt man sich bei einer Nacht in der Romanovsui­te, wo unzählige originale Reliquien des letzten russischen Kaisers zu finden sind.
Eine Nacht im Museum: Bloß nichts umwerfen – denkt man sich bei einer Nacht in der Romanovsui­te, wo unzählige originale Reliquien des letzten russischen Kaisers zu finden sind.
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