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Samt WEICH

- text Jennifer Latuperisa-andresen

Ein ehrwürdige­s Herrenhaus aus dem 16. Jahrhunder­t ist heute das todschicke Boutique-hotel Can Bordoy im Herzen von Palma de Mallorca. Eine Hotelschön­heit, die aus der Reihe tanzt und dabei ganz geschmeidi­g bleibt.

Der Gast erwacht in einer Schönheit aus einer anderen Zeit, gleichzeit­ig gepaart mit Designelem­enten aus dem Hier und Jetzt. Zusammen ergeben sie eine Symbiose, die unfassbar ansprechen­d ist, weil sie nicht nur fotogen durch die sozialen Medien geistern kann, sondern gleichzeit­ig eine Ruhe ausstrahlt, die den Alltag in die Sparte Erinnerung verschiebt. Dass das Can Bordoy im Lonja-viertel von Palma ein Hipster-paradies hinter weiß gekalkten Mauern ist, lässt sich gleich im Innenhof erkennen, über den man das Hotel betritt. Mr. B, der Haushund, beschnüffe­lt uns neuen Gäste wie bei einem Begrüßungs­ritual und gibt sich mit der Erkenntnis zufrieden, dass wir nun zur großen Familie gehören. Freudiges Schwanzwed­eln inklusive. Doch einen Moment innehalten lohnt, denn schon der kleine Hof ist geprägt von avantgardi­stischen Outdoor-möbeln, die eher Kunstwerke sind als Sitzgelege­nheiten.

Von dort aus geht es automatisc­h zur Bar, denn eine »echte« Rezeption gibt es nicht. Der Check-in geschieht in den »Suiten«. Gemütlich sozusagen. Ohne Stress. Dafür sorgt die gute Seele des Hotels oder Lady of the House, Klementyna. Aber wer auf dieses Prozedere in der Traveller’s Suite (der kleinsten Kategorie) wartet, muss sich etwas wundern, dass das samtreiche Zimmer mit dem dunklen Holzboden nun Suite heißt. Es ist ehrlich gesagt nicht größer als ein Zimmerchen im Motel One. Und dort würde einem niemals dieses Attribut durch den Kopf geistern. Doch natürlich ist es hier alles viel schöner. Die Möbel sind aus dunklem Holz, die Wände sind in dunklen Farben gehalten. Die Wand zwischen Bad und Bett ist ein schwerer Samtvorhan­g, der gleichzeit­ig auch als Kleidersch­ranktür fungiert. Die Minibar versteckt sich in einem Designerwe­rk, das nicht nur einen Kühlschran­k verbirgt, sondern auch ein Radio. Ein wirklich wunderschö­ner Hingucker. Da klopft es. Klementyna hat frische Blümchen zum Check-in mitgebrach­t. Wie herzlich.

Mr. B, der Haushund, beschnüffe­lt uns neuen Gäste wie bei einem Begrüßungs­ritual und gibt sich mit der Erkenntnis zufrieden, dass wir nun zur großen Familie gehören

Einst waren die »Suiten« Klassenzim­mer. Denn das ehrwürdige Herrenhaus beherbergt­e eine christlich­e Schule. Viel Fantasie wird nicht benötigt, sich Kinder vorzustell­en, die sich durch das eckige Schneckent­reppenhaus nach oben und über den knarzigen Boden in die Räume schoben. Die mundgeblas­enen Fenster werden die eine oder andere Geschichte zu erzählen haben. Gott, was wären die Kleinen begeistert, wenn sie wüssten, dass sich heute auf dem Dach ihrer ehemaligen Schule ein Planschbec­ken befindet, das sich exzellent für ein ausgedehnt­es Fußbad eignet.

Und das ist keinesfall­s zynisch gemeint, denn der kleine Pool ist nicht tiefer als ein paar Zentimeter. Dafür ist der Boden aus Glas und kann vom Treppenhau­s eingesehen werden. Fotogen – in der Tat. Für Kinder ebenfalls gut geeignet. Ansonsten wunderbare­s Chichi für die Instagram-crowd, die ihre halbnackte Freundin beim einzig möglichen Schwimmzug ablichten möchte. Nichtsdest­otrotz lässt sich auf dem Dach wundervoll unter der balearisch­en Sonne entspannen. Dabei kann der Blick wahlweise auf die Kathedrale fallen oder aber auf das Mittelmeer, dessen Rauschen vom geschäftig­en Treiben der Stadt übertönt wird.

Wer mit einem wahrschein­lichen Kater nach einem Degustatio­nsmenü im hauseigene­n Restaurant aufwacht, kann hier langsam zu Sinnen kommen. Das ist eine wundervoll­e Option. Doch die wahre Geheimwaff­e des Hotels befindet sich im Erdgeschos­s. Es ist sozusagen die Dreifaltig­keit des gelungenen Urlaubs. Zum einen haben wir hier das niedliche Spa, das zwar klein, aber durchaus entspannen­d ist. Zum anderen ist da der wunderschö­ne Garten, der zum stundenlan­gen Verweilen einlädt. Entweder an einem der Bistrotisc­he unter Palmen bei Ensaimada und einem Café con leche oder aber am beheizten Pool, der 365 Tage im Jahr Gäste zum Baden lockt. Hübsch, wirklich hübsch.

Doch jetzt müssen wir über die Küche sprechen, denn die überzeugt noch mehr als das Interieur, das sicherlich für zahlreiche Aha-momente sorgt und durch und durch stilvoll ist. Und so sehr, wie jedes Möbelstück aus aller Welt zusammenge­tragen wurde, um zu diesem bildschöne­n Hotel zu verschmelz­en, hat sich Küchenchef Andrés Benítez ins Zeug gelegt, um ein unvergessl­iches Geschmacks­erlebnis zu zaubern. Das fängt schon beim Frühstück an. Das wiederum – und das ist der Superduper­pluspunkt des Hotels – wird den ganzen Tag lang á la carte serviert. Egal, zu welcher Uhrzeit. Toll, oder? Aber am Abend, da lohnt es sich schon, auf den Avocadotoa­st zu verzichten und sich dem Benítez-menü hinzugeben. Nicht nur, weil das preislich unschlagba­r ist, sondern auch, weil es geschmackl­ich verführt, überrascht, verzaubert und dahinschme­lzen lässt. Und wer dann noch mit den Weinen des allwissend­en Sommeliers Emi verzückt wird, der kann sich glücklich schätzen, dieses zauberhaft­e Hotel gewählt zu haben. Denn auch für die wunderbare­n begleitend­en Tropfen gilt vor allem ein Prädikat: samtweich.

INFO

Hotel Can Bordoy, Carrer del Forn de la Glòria, 14,

07012 Palma, Spanien

Die Raten beginnen – je nach Suite und Saison – ab 580 pro Nacht. www.canbordoy.com

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