GILLESPIE PATH
Makarora, Südinsel Drei-tages-wanderung
Diese Wanderung ist einfach nur unglaublich – und selbst unter Neuseeländern noch ein echter Geheimtipp. Auch ich habe wieder nur durch Zufall von der Tour erfahren, als ich an der Touristeninfo in Makarora eine kurze Pause einlegte. Als der nette Herr in der Touristeninfo mir das Faltblatt mit der genauen Beschreibung der Route in die Hand drückte, war ich sofort Feuer und Flamme: Flussdurchquerungen, eine Passüberquerung auf 1.600 Metern, ein See, in dem Gletschereis schwimmt, drei Tage Natur pur – und die Rückreise mit einer kleinen Propeller-maschine!
Und so kam es, dass ich am nächsten Morgen das Auto in Makarora stehen ließ und mich zu Fuß in den Mount Aspiring Nationalpark begab. Das Unesco-weltnaturerbe-schutzgebiet ist von alpiner Landschaft geprägt, die von türkisen Bergflüssen durchzogen wird. Gleich zu Beginn muss der Makarora River durchquert werden – nasse Füße sind unausweichlich. Die Touristeninformation informiert vorab über den Wasserstand, ansonsten können Jet-boote für die Überfahrt eingesetzt werden. Und schwupps – einmal den Fluss überquert – befindet man sich auch schon in der absoluten Idylle des Nationalparks, wo es für die nächsten drei Tage keine Autos, Häuser oder jegliche Zivilisation gibt. Der schmale Pfad führt das Tal entlang (Young Valley), zu beiden Seiten erheben sich die grünen Giganten, zur Linken rauscht einem der Young River entgegen. Er wird von Gletscherwasser aus den Bergen gespeist – das gibt ihm eine leuchtend türkisblaue Färbung. Sattgrüne Wiesen, die mit Wildblumen übersäht sind, laden zum Picknick am Ufer ein. Kurz vor Ende der Tagesetappe geht’s noch mal steil bergauf zur »Young Hut« – dem Lager für die Nacht. Die Holzhütte mit geräumiger Küche bietet Platz für 20 Wanderer, die des Abends gemütlich auf der Terrasse beisammensitzen. Manch ambitionierter Wanderfreund hat sogar Bier im Gepäck, das der kalte Fluss noch mal schön runterkühlt vom heißen Sommertag.
Wie sooft war ich eine der letzten Wanderer, die am nächsten Morgen bei strahlendem Sonnenschein starteten – doch hatte ich auf dem teils steilen Weg bergauf schnell einige der neuen Bekanntschaften aus der Wanderhütte überholt. Praktischerweise muss man keine Unmengen Wasser mit sich tragen, denn man kann seine Trinkflasche im Fluss auffüllen. Bis der Weg über eine schmale Brücke den Fluss quert, um sich einmal über den Pass den Weg ins Nachbartal für den Rückweg bahnt. Der Anstieg zum namensgebende Gillespie Pass ist steil – doch das Panorama auf 1.600 Metern ist atemberaubend: Gletscher zu beiden Seiten, stapft man durch den Schnee, der 2.192 Meter hohe Mount Awful scheint majestätisch und doch zum Greifen nah.
Doch dieser Blick sollte nicht das einzige Highlight auf dieser Tour bleiben. Vom schattenspendenden Siberia Valley nun wieder gen Makarora zurückführend, birgt ein kleiner (aber höchst anstrengender!) Abstecher ein wahres Wunder: Ein Seitenarm führt zu einem See, der den bezeichnenden Namen Lake Crucible trägt. »Schmelztiegel« wird er deswegen genannt, weil im Frühjahr unzählige Schollen Gletschereis in dem vom Mount Alba (2.360 Meter) eingebetteten Bergsee schwimmen. Oben angekommen, blickt man wie in einen Kessel zum See hinab. Immer wieder kracht lautstark Eis von der umliegenden Bergflanke dazu, bei herrlichstem Sonnenschein. Absolut magisch. Sie können‘s glauben oder nicht – aber ich war in diesem See baden. Ungefähr drei Sekunden, ganz am Rand, aber immerhin. Ich war drin.
Und es wurde immer besser: An der Siberia Hut angekommen, suchte ich den Hüttenwart auf, der hier im Sommer lebt. Ich hatte Glück – und mein Plan ging auf. Denn: Wer möchte, kann (anstelle den Siberia Stream zurück nach Makarora zu folgen) den letzten Wandertag durch einen 20-minütigen Flug verkürzen. Einige Abenteurer lassen sich direkt ins Tal fliegen, um von hier die Wanderung zum wunderschönen Bergsee zu starten. Für 50 neuseeländische Dollar pro Person darf man den Piloten auf seinem Rückflug begleiten. Und so saß ich am nächsten Morgen in der kleinen Propeller-maschine – und blickte hinab auf das wilde Tal und die hohen Berge zu seinen Seiten. Das alles hatte ich in den letzten zwei Tagen zu Fuß geschafft – und dieses unberührte Fleckchen Neuseeland mit dem treffenden Namen Mount Aspiring kennengelernt.