FÜR MICH WAR ER EINE ART SUPERHERO, WIE AQUAMAN.
groß wie Ein-familienwohnungen in Hongkong … und tatsächlich: In der Wüste des Al Wadi Khadeja Rerservats werden Träume wahr, als drei elegante Oryxantilopen in Schwarz-weiß livriert vor der Herberge warten. Auf dem Dach der Moon Bar sind die Sterne zum Greifen nah, leuchtet das Firmament und fügt den Träumen Sternschnuppenwünsche hinzu. Cinderella goes Orient irgendwo zwischen Realität und La La Land.
1.000 TRÄUME IN EINER NACHT
Ein Kaffee am nächsten Morgen öffnet die Augen und bringt die Erkenntnis: Das Ritz Carlton Al Wadi ist ein real gewordenes Traumhotel, auch für nur eine und keine zusätzlichen 1.000 Nächte, denn die Karawane zieht weiter. Ras al Khaimah hat noch ein paar Überraschungen im Programm.
HIMMELSRITT
Der Berg ruft, auch aus der Wüste heraus. 1.934 Meter ragt der Jebel Jais, die höchste Erhebung der Bergkette Ru'us Al Jibal, Ras al Khaimahs, ja sogar der Vereinigten Arabischen Emirate, in den Himmel über dem Wüstenstaat. Wer den Traum vom Fliegen träumt, der darf sich seit Februar 2018 zum Jebel Jais Flight, zum Rekordflug an die längste Zipline – eine stählerne Seilrutsche – der Welt hängen. 2.830 Meter lang – und damit längst im Guiness-buch der Rekorde eingetragen – fliegen Mutige bäuchlings und mit bis zu 150 Stundenkilometern sicher verzurrt durchs Tal. Helm, Sicherheitsbrille und -handschuhe, jede Menge Karabinerhaken und eine orangene Schutzhülle, die an Kleid und Teppich gleichermaßen erinnert – Aladdin lässt grüßen. Männer, Frauen, Jugendliche mit Nerven so dick wie die Stahlseile nutzen die Megarutsche der Macher von Toroverde. Wen der Mut am Ende doch verlässt, der fährt mit dem Auto zurück ins Tal des Hadschar-gebirges, vorbei an steinernen Landschaften, Geröllteppichen und dem omnipräsenten Sand, der hier noch die Farbe der Steine trägt.
RAS AL KHAIMAH KANN MEER
Der Sand an den Ufern der Küste – übrigens mit einer Länge von insgesamt 64 Kilometern – strahlt hingegen perlweiß in der Mittagssonne. Das Meer indes schimmert gerade noch in sattem Grün und wechselt mit dem Sonnenstand sogleich in ein karibisch anmutendes Türkis, wobei die kleinen Wellenspitzen wie 1.000 Brillanten glitzern. Dabei ist das Juwel des Landes die arabische Perle. Die schmückende Meeresfrucht entsteht, in dem sich nur ein einziges Sandkorn zur richtigen Zeit, am richtigen Platz in einer Auster bettet. Mehr braucht es nicht, um etwas so Kostbares wie eine Perle entstehen zu lassen. Und Sand am Meer gibt es genug in Ras al Khaimah.
DAS ERBE DER PERLENTAUCHER
Mindestens so viele Geschichten erzählte auch einst ein Großvater seinem Enkel. Es waren die Erzählungen von Mohammed bin Abdulla Al Suwaidi, einem der letzten kommerziellen Perlentaucher der Alsuwaidi-familie, die – ähnlich wie ein Sandkorn in einer Auster – im Gedächtnis des jungen Abdulla Al Suwaidi einen ganz speziellen Platz fanden und zu etwas Besonderem heranwuchsen. »Mein Großvater nahm mich mit zum Hafen und erzählte mir von seinen Abenteuern und den tapferen Perlentauchern unserer Vorfahren. Für mich war er eine Art Superhero, wie Aquaman.« Täglich 50-, im besten Fall bis zu 200-mal ließen sich die Perlentaucher der letzten Jahrhunderte mit Nasenclip aus Schildpatt, an Seilen und mit Steinen beschwert hinab in Poseidons Reich. Immer auf der Suche nach den schimmernden Schätzen des Meeres. Ein hartes, karges Leben, das die Männer an Bord der Dhauen führten. Die Arbeit erschöpfend, manchmal tödlich. Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich alles, als die Perlen aus dem Persischen Golf nicht mehr mit den Zuchtperlen aus Japan konkurrieren konnten. Perlentauchen kam aus der Mode.
ZEIT UND EINE VISION
Es brauchte Zeit und eine Vision für die Gegenwart. Der Enkel war erwachsen geworden. Abdulla Al Suwaidis engagierte Suche und seine passionierten Visionen haben nun der arabischen Perle die Zukunft geschenkt. Mit modernen Möglichkeiten und dem vererbten Wissen der Generationen von Perlentauchern in der Familie hat sich Al Suwaidi die Gewässer, in denen schon vor Tausenden von Jahren die ersten Prachtperlen gefunden wurden, zu eigen gemacht. Heute ermöglicht der Visionär, Schatzsuchenden und anderen Besuchern seine schwimmende Perlenfarm im kleinen Ort Al Rams zu besuchen, und hat daraus ein lukratives Business inklusive Freiluftmuseum entstehen las
sen. Seine Leidenschaft und sein Stolz auf das Erbe seiner Vorfahren sind spürbar und mitreißend.
METAMORPHOSE EINES SANDKORNS
»Wer möchte eine Perle finden?«, fragt Al Suwaidi, gekleidet im langen weißen Gewand der Emirati, selbstsicher. Eine Besucherin erspäht im smaragdfarbenen Wasser rund um die schwimmende Perlenfarm eine auftauchende Schildkröte. Das Glück scheint ihr hold. Kurze Zeit später liegt strahlend weiß das Juwel des Meeres in ihrer Handinnenfläche. Schönheit liegt im Auge des Betrachters, denn perfekt ist die Metamorphose des Fremdkörpers in diesem Fall nicht, erklärt Abdulla Al Suwaidi und öffnet vor den Augen der staunenden Besucher eine märchenhafte Schatzkiste mit den allerschönsten Exemplaren aus dem Familienbesitz: Perlen in unterschiedlichsten Farben und Formen, glänzend silbrig, goldschimmernd, weich und rund und manchmal murmelgroß. Eine Misbaha, eine islamische Gebetskette aus perfekten Perlen und von unschätzbarem Wert. Meisterwerke, geboren in der Natur aus einem einzigen Sandkorn, das heutzutage auf der schwimmenden Perlenfarm lediglich wohlplatziert wird. Al Suwaidi lebt seinen Traum.
Die Sonne brennt gnadenlos am wolkenfreien Himmel. Zeit, zurück an Bord der traditionellen Fischerboote zu gehen und auf den weichen orientalisch gemusterten Teppichen Platz zu nehmen. Die Hadschar-berge im Rücken nimmt die hölzerne Dhau-fahrt auf Richtung Hafen. Wer gute Augen hat, erkennt das eine oder andere Kamel am Ufersaum.
TISCHLEIN, DECK' DICH!
Im kleinen Örtchen Al Dhait North liegt gleich neben einer Kamelplastik der Eingang zum Restaurant Al Fanar. Um ein Land und seine Menschen kennenzulernen, sollte gegessen werden, was auf den Tisch kommt. Es sitzen hauptsächlich Männer im klimatisierten Restaurant unter einem ausladenden Mandelbaum. Die Damen der Gesellschaft nehmen in extra Familienräumen Platz. Anoop, der junge Kellner, trägt mit einnehmendem Lächeln auf: erfrischende Salate, gegrillte Meeresfrüchte, ganze Fische, Hühnchen-kebap, Reis, Datteln … und als Dessert Eis aus Kamelmilch, das etwas salziger schmeckt als das europäische Milchspeiseeis und in Variationen daherkommt: mit Datteln, Safran, mit Pistazien … das Emirat Ras al Khaimah zeigt auch kulinarisch orientalische Vielfalt.
In der Nacht wirbelt nur kurz ein kleiner Sandsturm durch die Straßen. »Mr. Sandman, bring me a dream!«