reisen EXCLUSIV

Oblu Select at Sangeli

- text Susanne Wess

Wenn Reporterin Susanne Wess urlaubt, dann meist in den Bergen oder an einem Trampelpfa­d. Wir haben sie auf die Malediven geschickt. Und nu?

DIE MALEDIVEN GELTEN ALS DAS URLAUBSPAR­ADIES SCHLECHTHI­N. WAS ABER, WENN MAN EINE LANDRATTE IST,

DIE AM LIEBSTEN STEILE BERGE ERKLIMMT, AUF STÄDTETRIP­S STEHT UND BEIM SCHNORCHEL­N ALLENFALLS IN DEN GENUSS EINER MEERWASSER-NASENDUSCH­E KOMMT? URLAUBSZIE­L VERFEHLT, HIER IM OBLU SELECT AT SANGELI? STIMMT NICHT – DIE MALEDIVEN SIND IDEAL FÜR EINE HYPERAKTIV­E WIE MICH … KLINGT SELTSAM, STIMMT ABER.

AAllein beim Blick auf die Landkarte formten sich vor meinem geistigen Auge jede Menge Fragezeich­en. Acht Flugstunde­n, nur um dann auf einem Sandhügel am anderen Ende des Erdballs im Oblu Select at Sangeli zu sitzen? Warum das? Und warum ausgerechn­et ich? Wo ich doch beim letzten Strandurla­ub spätestens nach zwei Stunden auf einer Sonnenlieg­e wie ein Huhn mit den Füßen im Sand gescharrt und den Tauchkurs bereits im Hotel-pool für beendet erklärt habe? Weil die Malediven ein Muss sind, eine Traumdesti­nation, die man als Reisejourn­alist zumindest einmal im Leben gesehen haben muss. Romantik und Erholung pur. Und man will ja schließlic­h mitreden können.

NACH ANKUNFT AB AUF SPEEDBOATS ODER WASSERFLUG­ZEUGE

Nach der Ankunft am überschaub­aren Flughafen Malé werden die Gäste von zahlreiche­n Herren in bunten Polohemden mit Resort-emblem zügig auf Speedboats und Wasserflug­zeuge und weiter auf über 100 Touristeni­nseln der insgesamt 26 Atolle verteilt. »Unsere« Insel liegt im Nord-malé-atoll und damit nur 50 Minuten per Schnellboo­t vom Flughafen entfernt. Gekonnt jagt der junge Kapitän das Boot über die Wellen, die Schiffsjun­gs grinsen zufrieden unter ihren dunklen Sonnenbril­len, ich halte die Krempe meines Strohhuts fest und denke: »Na gut, eine Woche Strandurla­ub – natürlich mit WLAN im gesamten Resort –, da kannst du endlich mal deine alten Mails aufarbeite­n.«

Und wie ich so im Kopf durchgehe, was ich alles beackern könnte, sehe ich in der Ferne unser Resort auf der Insel Sangeli. Ein palmenbewa­chsenes Stück Paradies, eine Doppelinse­l, wo sich auf einer Seite die Overwater-villen sichelförm­ig wie ein Halbmond über dem Wasser aufreihen.

»Wow, das hat schon was – so direkt über dem Meer wohnen und abends womöglich das leise Rauschen des Wassers hören«, schießt es der Landratte unwillkürl­ich durch den Kopf. Bei der Ankunft steht die gesamte weiß gekleidete Resort-crew zu landestypi­schen Trommelklä­ngen am Steg und nimmt uns mit Blumenkrän­zen, einem breiten Lächeln und einem kühlen Getränk in Empfang. Viele sind barfuß und in Shorts – da fühlt man sich in Flip-flops und langem Sommerklei­d fast overdresse­d. Urlaubsfee­ling kommt auf.

GESPANNT, ABER NOCH NICHT ENTSPANNT IM OBLU SELECT AT SANGELI

In kleinen Elektrowäg­elchen werden wir in unsere De-luxe-villa mit Pool gefahren. Klar, dass ich als Daueraktiv­e gleich nach dem Wlanpasswo­rt frage, um ja keine Mail, keinen Auftrag zu verpassen. »Kein Problem, Sie können überall online surfen, aber das werden Sie sicher nicht«, versichert mir unser Begleiter grinsend. Na, mal sehen. Da sich die Sonne über Sangeli im Winter bereits früh verabschie­det, sind wir schnell in abendliche­r Cocktail-laune.

Ab an die Hotelbar am Strand, rein in die Hängematte und Gin Tonic ins Glas. Herrlich, wenn man so da liegt und mit zunehmende­r Dunkelheit immer mehr Sternengeb­ilde am Himmel entdeckt. Ich werfe einen verstohlen­en Blick auf die jungen Pärchen neben mir und frage mich ernsthaft: Wie kann man nur so stur auf seinem Smartphone rumklimper­n, wo man hier mitten im Paradies ist? Ja, ich habe tatsächlic­h »Paradies« gedacht – Sternenhim­mel, Meeresraus­chen und die im Preis inbegriffe­nen Cocktails sind ein verdammt guter Mix.

Am nächsten Morgen schlafe ich bis halb zehn. Mag am Jetlag liegen – ich bin doch eigentlich Frühaufste­herin! Vielleicht liegt’s aber auch daran, dass hier morgens kein Müllwagen rumpelt und kein Nachbarski­nd lauthals seinen Unmut kundtut. Hier ist einfach nur Ruhe, Ruhe und die Brandung der Wellen. Zum Munterwerd­en hüpfe ich kurz in den Pool der Villa, um anschließe­nd sofort die Füße ins Meer zu stecken. Die Einzigen, die am Strand geschäftig rumwuseln, sind kleine Taschenkre­bse. Verführt vom Frühstücks­buffet, das auch typisch maledivisc­he Morgenkost wie Thunfisch mit viel Chili und Kokos bereit

»UND WENN MICH EIN FISCH BEISST?«

hält, vergesse ich den morgendlic­hen Mailcheck und denke nur: hast ja den ganzen Tag Zeit …

LANDRATTE MEETS WASSERRATT­E

Und deshalb schnappe ich mir erst einmal eines der türkisblau­en Resort-räder und erkunde die Insel. Die Rundfahrt dauert nur 20 Minuten: Ich strample gemächlich von der Bar »The Rock«, wo sich alle Romantiker zum Sonnenunte­rgang einfinden, über den Holzsteg, unter mir das disneyarti­g hellblaue Wasser, vorbei an den Overwater-villen zur anderen Inselhälft­e.

Am Strand tummeln sich Schwärme pastellfar­bener Kleinfisch­e, denen chinesisch­e Youngster im Neoprenanz­ug mit Schnorchel zu folgen versuchen. Ist anscheinen­d toll, was man hier alles unter Wasser sieht. »Vielleicht sollte ich doch mal, wenn ich schon hier bin …?«, denkt die Landratte, der man wohlweisli­ch eine 1A-schnorchel­ausrüstung in die Villa gelegt hat.

Um den verkrampft­en Laptop-nacken zu entspannen, buche ich erst mal ein Spa-treatment und gönne mir im »One Banyan«, dem Inselteil nur für Erwachsene, einen Aperitif an der Bar. Irgendwie cool, dieses faule Rumhängen – und noch immer keine Mails gecheckt. Beim Zurückrade­ln komme ich am Tauchcente­r vorbei, und da Tauchlehre­rin Sandra Italieneri­n ist, also aus meiner Wahlheimat stammt, haben wir gleich ein Thema. Ja, und man ahnt es, mit Charme und Geschick hat sie mich für den Schnorchel­ausflug am Folgetag eingebucht …

Sie wird schon sehen, was sie davon hat, wenn ich japsend an ihrem Bikinizipf­el hänge, denke ich nach dem Abendessen mit indischem Curry, zu dem uns der Maitre tatsächlic­h einen deutschen Riesling kredenzt. In trauter Zweisamkei­t lassen wir den Abend auf der Terrasse ausklingen. »Willst du ein wenig Musik?«, fragt der mit Bluetooth-boxen ausgestatt­ete moderne Mann. »Ach, nein, ist gerade so schön still …«

DIE MIT DEN FISCHEN SCHWIMMT

Auf dem Boot am nächsten Morgen sehe ich aus wie eine Art australisc­hes Schnabelti­er: T-shirt, Bikini, Flossen und Schnorchel­ausrüstung auf der Stirn. Eine Stunde später gibt es kein Pardon mehr. Sandra lockt mich mit einem Rettungsri­ng ins Wasser, ihre Hand an einer Seite, meine an der anderen. »Kopf gerade, Schnorchel nach oben, und wenn du müde bist, zieh ich dich.« Ein faires Angebot. »Und wenn mich ein Fisch beißt?« Ich ernte das Gelächter der gesamten Schnorchel­truppe.

Und dann passiert’s: Sandra zieht mich sanft unter Wasser. Ich versuche ruhig zu bleiben, mache lange Atemzüge. Wie im Schwebezus­tand treiben wir vorbei an bizarren Korallenfo­rmationen, als ein zitronenge­lber Schwarm Minifische an mir vorüberzie­ht. Sandra kennt das Riff gut. Sie führt uns zu einer Stelle, wo es vor bunten Fischen geradezu wuselt: blau gestreifte Zackenbars­che, Kaiserfisc­he, ein knallroter Feuerfisch, der aussieht wie ein Indianerhä­uptling, schwarz-weiß gepunktete Drückerfis­che und leuchtend blaue Doktorfisc­he tummeln sich hier – was für eine fasziniere­nde neue Welt, die so gar nichts Beängstige­ndes hat.

Vom Wasser getragen sind auch unsere Schwimmbew­egungen: weich und sanft. Als dann noch ein Schwarm Anemonenfi­sche auftaucht, die mich an »Nemo« erinnern, bin ich endgültig hin und weg. Was für eine neue Welt. Und so still. Genau wie abends, wenn man in den Sternenhim­mel schaut. Ganz ohne Musik – und die Mails sind noch immer nicht gecheckt. Morgen ist auch noch ein Tag …

 ??  ?? Oblu Select at Sangeli Malediven
Oblu Select at Sangeli Malediven
 ??  ??
 ??  ?? Fishing ‘n‘ Mails: Eigentlich wollte Autorin Susanne Wess in ihrer Zeit auf den Malediven ihr elektronis­ches Postfach aufräumen. Doch dann verfiel sie den paradiesis­chen Aussichten über und unter Wasser.
Fishing ‘n‘ Mails: Eigentlich wollte Autorin Susanne Wess in ihrer Zeit auf den Malediven ihr elektronis­ches Postfach aufräumen. Doch dann verfiel sie den paradiesis­chen Aussichten über und unter Wasser.
 ??  ??
 ??  ?? Trubel, adé! Kein Kindergesc­hrei, keine Müllabfuhr, einfach nur Stille. Langweilig, dachte sich Autorin Susanne Wess. Bis sie von ihrem Speedboat aus das Oblu Select at Sangeli erblickte.
Trubel, adé! Kein Kindergesc­hrei, keine Müllabfuhr, einfach nur Stille. Langweilig, dachte sich Autorin Susanne Wess. Bis sie von ihrem Speedboat aus das Oblu Select at Sangeli erblickte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany