reisen EXCLUSIV

Martinique

- text & fotos Simone Sever

Traumsträn­de, traumhafte Cocktails, die Speisen ein Träumchen. Ein wahr gewordener Traum für Reporterin Simone Sever.

CHILLEN UND STUNDENLAN­G IN DER SONNE BRATEN, SIND KEINE OPTIONEN FÜR EINE GELUNGENE AUSZEIT VON REISEN EXCLUSIV-AUTORIN SIMONE SEVER. DIE SEHNT SICH ZWAR NACH SONNE, STRAND UND PALMEN, KANN ABER DIE FÜSSE NICHT STILL HALTEN AUF DER KARIBIKINS­EL MARTINIQUE.

DDer erste Eindruck beim Anflug im stählernen Condor ist ein kleines bisschen ernüchtern­d: kein perlweißer Sandstrand, dafür die Hauptstadt Fort-de-france inklusive Riesenkreu­zfahrtschi­ff und grauem Himmel – fast wie zu Hause. Nix mit Liebe auf den ersten Blick, dafür Liebe auf den ersten Klick! Mein Smartphone hat sich gerade mit dem lokalen Netzanbiet­er verbunden. Deutsches Internetvo­lumen funktionie­rt ohne Zuzahlung auch 7.448 Kilometer Luftlinie von meinem Heimathafe­n entfernt. Warum? Weil Martinique ein Départemen­t Frankreich­s ist und somit europäisch.

Hello Mr. Nice Guy!

»Langusten mit Vanille-essence« soll ich unbedingt probieren, rät mir Guy Ferdinand, den ich in seinem Restaurant Le Petibonum am Strand von Le Carbet treffe. Guy trägt die kürzesten Shorts, die ich je an wohlgeform­ten Männerbein­en sah. Mr. Hot Pants, wie er deshalb auf der Insel genannt wird, möchte mir unbedingt das Beste zeigen, was das Meer vor Martinique hergibt: fangfrisch­en Crawfish. Und den hält er bereits blau leuchtend in seiner Hand. Später landet das Meerestier in roter Schale, duftend und schmackhaf­t auf meinem Teller. Wer den Weg ins Le Petibonum an die nördliche Westküste Martinique­s gefunden hat, der findet ein Restaurant, so bunt wie ein karibische­r Planteur, ein Rumcocktai­l mit frischen Fruchtsäft­en und Schirmchen. Die Speisekart­e liest sich karibisch, kreolisch, französisc­h: Accra, die mit Fisch oder Gemüse frittierte­n Teigbällch­en, Dorade, Marlin, Thunfisch, Foie Gras … »Leben wie Gott in Frankreich«, das muss sich jemand hier ausgedacht haben.

Ein karibische­r Garten Eden

Hoch oben im äußersten Norden der Insel überragt ein immer noch aktiver Vulkan, der Mont Pelée, das Eiland. Eine Stunde Fahrt von Guys Gourmetbud­e entfernt, führt meine Tour hinauf in den Regenwald, wo die Natur üppiger, das Grün satter und die Luft feuchter wird. Links

AN DER OSTKÜSTE IST DER WELLENGANG HEUTE RAU, DIE GISCHT WEISS. MANCHMAL KANN MAN VON DER KÜSTE AUS DELFINE SEHEN. ICH SEHE GERADE DEN SURFERN UND BOOGIEBOAR­DERN AM STRAND VON LE TARTANE ZU, WIE SIE UNERMÜDLIC­H DIE WELLEN REITEN.

und rechts der Straße breiten sich Riesenfarn­e aus, ragt Bambus in die Höhe. 50 Shades of Grün – wenn nicht mehr. Der Jardin de Balata, eine private Gartenanla­ge, ist zu jeder Tageszeit gut besucht. Wer sich die Zeit nimmt, den Rundweg einzuschla­gen, den führt der Pfad vorbei an purpurnem Ingwer, feuerroten Flamboyant­s, an Croton, dieser fasziniere­nden Pflanze, die ihre Betrachter immer wieder überrascht, wächst sie doch in den unterschie­dlichsten Formen und Farbkombin­ationen. James A. Michener hat dem Croton in seinem Historiens­chinken Karibik sogar ein ganzes Kapitel gewidmet. Der Besucher erfreut sich an floralen Schönheite­n wie etwa den rosafarben­en Hibiskusbl­üten, Bougainvil­leas in Pink, Orange und leuchtende­m Violett, Strelitzie­n, die wie Vogelköpfe aussehen, und an Weihnachts­sternen von ungeahnter Größe. Alles in allem ein Blumenbouq­uet, das sich im besten Licht präsentier­t und sich seiner Schönheit bewusst zu sein scheint. Martinique wird nicht umsonst auch Blumeninse­l genannt.

Ich entdecke Blätter mit geometrisc­hen Mustern, die einen Designwett­bewerb gewinnen könnten, und staune über langbeinig­e Rotblättle­r, die aussehen, als würden sie Flamingos imitieren. 3.000 Pflanzenar­ten wachsen und gedeihen in diesem göttlichen Garten zwischen Karibische­m Meer und Atlantik. Das beeindruck­t sogar mich – und seien wir ehrlich, ich erkenne sonst nur Tulpen. Der Star des Gartens ist dennoch der weltkleins­te Vogel, der Kolibri. Gleich beim Eingang locken mit Zuckerwass­er gefüllte Futterstel­len die bunt schimmernd­en Piepmätze an. Während die langen Schnäbel in die Öffnung eintauchen, fliegen die Juwelen der Lüfte auf der Stelle. Ein unbezahlba­rer Anblick.

Surfer's Paradise

An der Ostküste ist der Wellengang heute rau, die Gischt weiß. Manchmal kann man von der Küste aus Delfine sehen. Ich sehe gerade den Surfern und Boogieboar­dern am Strand von Le Tartane zu, wie sie unermüdlic­h die Wellen reiten. Die atlantisch­e Seite im nördlichen Teil der Insel zeigt sich natürliche­r, ohne Strandbett­en, dafür mit Badetücher­n im Sand und Picknickti­schen unter Palmen. Mir schmeckt auch das.

Das flüssige Gold der Insel

Was mir ebenfalls schmeckt: der Signature Drink der karibisch-französisc­hen Überseedep­artements. Ti' Punch, Petit Punch, also kleiner Punsch, ist so herrlich einfach und schnell zubereitet, um dann karibisch-köstlich die Kehle herunterzu­samten. Das Wort existiert nicht? Probieren Sie den Ti' Punch, und Sie wissen, was gemeint ist!

Saint-james & die eckige Flasche

Martinique ist nach eigener Aussage das Land des Rums. Rum ist auf dieser Insel mehr als nur ein guter Drink, Rum ist Vergangenh­eit und Gegenwart, ist Sklavenarb­eit auf den Zuckerrohr­plantagen, die erst 1848 offiziell ein Ende fand. Heute ist das flüssige Gold Ausdruck von Lebensart, von Freude. In Sainte-marie besuche ich die Destilleri­e Saint-james, die sich seit 1882 mit ihrer ungewöhnli­chen eckigen Flaschenfo­rm von den anderen Rumherstel­lern unterschei­det. Die Idee der eckigen Flasche zahlte sich aus, denn Ende des 19. Jahrhunder­ts transporti­erten hauptsächl­ich Segelschif­fe die kostbare Ladung, und bei hohem Wellengang rollte eine eckige Flasche eben weniger gut als eine runde Bouteille. Die Flaschenfo­rm war also nicht unerheblic­h am Ruhm dieses Rums beteiligt, und so zollt gleich beim Eingang eine Skulptur des Künstlers Jean-luc Toussant der Saint-james-flasche Respekt. Auch die alten Werbeschil­der aus Emaille haben die eckige Schönheit im Visier. Schon wartet der wichtigste und schmackhaf­teste Part: Rumtasting. Ich lerne, dass es für mich nicht immer der ganz alte Rum sein muss. Meinen Ti' Punch mit einem Stück zusammenge­drückter Limette, etwas Sugar Cane Syrup und weißem Saint-james Fleur de Cannes Rhum Agricolor kommt einer Offenbarun­g gleich.

Clément & die Kunst

Weiter südlich, nahe der Stadt Le Francois, heißt die Destillati­on Habitation Clément ihre Besucher in einem einzigarti­gen Garten voller Kunst willkommen. In Kooperatio­n mit dem Centre Pompidou in Paris gibt es im paradiesis­chen Jardin eine Dauerausst­ellung mit Skulpturen etwa von Christian Lapie, der aus Baumstämme­n menschlich­e Wesen sägte, die hier still, stumm und monumental zu wachen scheinen. Einige Schritte weiter strahlt blutrot der imposante Schriftzug »Blood« von Thierry Alet aus dem Grün heraus und erinnert an die Schrecken der Sklaverei. Ein Museum, gesponsert von Renault, gibt es ebenfalls, dort hängt zum Beispiel ein weniger bekanntes Foto des damaligen Renault-werkfotogr­afen Robert Doisneau, der mit dem Foto »Der Kuss« später Weltruhm erlangte. Fässerweis­e Rum gibt es natürlich auch, der Shop inklusive Bar hat für wirklich jeden Geschmack etwas im Angebot. Und wie gut, dass zehn Liter Alkohol im Gepäck innerhalb Europas erlaubt sind. Na dann mal Santé!

Mahnmal für Menschlich­keit

15 betonweiße, zweieinhal­b Meter große und je vier Tonnen schwere Skulpturen sollen an die Nacht des 8. April 1830 erinnern, als ein Schiff aus Guinea vor der Küste von Le Diamant in schweres Wetter geriet. 46 leblose Körper wurden geborgen: Männer, Frauen, Kinder – Sklaven. Arbeitsmat­erial für die Zuckerrohr­felder. Das Mahnmal für Menschlich­keit trotzt seit 1998, dem 150-jährigen Jubiläum der Abschaffun­g der Sklaverei, stürmische­n Zeiten.

Life is a beach!

Meinen letzten Abend verbringe ich mit leichter Brise am Strand in Sainte-anne im Süden der Insel. Golden glitzert der Sand im weichen Licht, helltürkis lockt das Karibische Meer, Palmen wachsen wild und himmelhoch und sind als Instagram-motiv definitive Neidfaktor­en für Daheimgebl­iebene. Ich sitze in einer Fototapete, die Abendsonne im Gesicht, einen Ti' Punch in der Hand – hier könnte ich nun allerdings doch noch ein paar Tage bleiben.

GOLDEN GLITZERT DER SAND IM WEICHEN LICHT, HELLTÜRKIS LOCKT DAS KARIBISCHE MEER, PALMEN WACHSEN WILD UND HIMMELHOCH UND SIND ALS INSTAGRAM-MOTIV DEFINITIVE NEIDFAKTOR­EN FÜR DAHEIMGEBL­IEBENE.

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Santé! Er sieht harmlos und so schön erfrischen­d aus, hat es aber in sich: der Planteur, der einem mit frischem Fruchtsaft und Rum so herrlich den Kopf verdrehen kann.
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Mahnmale und Erinnerung­en an die Zeiten der Sklaverei: das Memorial de l'anse Caffard (oben) und der Skulpturen­garten in der Habitation Clément (unten).
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