Rallye durchs südliche Afrika
Bei einer Land Rover Experience Tour hat unser Reporter Norbert Eisele-hein die Victoriafalle. die Nationalparks zwischen Sambia, Simbabwe und Botswana und ein Stuck des Okavango-deltas erkundet. Eine Traumtour und ein unvergessliches Abenteuer im sudlichen Afrika - nicht nur fur Offroader.
»Okay, Leute, wir folgen jetzt der »Cutline«. 180 Kilometer pfeilgerade Piste durch die Wildnis. Richtgeschwindigkeit 60 Stundenkilometer, wir hören uns also in drei Stunden wieder, over and out«, schon endet der Funk, mit einem hörbaren Grinsen.
Drei Stunden langweilig geradeaus? Wie hatte es uns Dag Rogge, unser Expeditionsleiter, am Vorabend am Lagerfeuer eingetrichtert: »Lasst euch auf diesem Abschnitt nicht einlullen. Da kommen aus heiterem Himmel Schlaglöcher, in denen ein Elefant baden kann. Da einmal ungebremst reingerauscht, und wir müssen das Auto bergen lassen. Abgesehen davon, dass hier viele Elefanten, Giraffen, Antilopen und auch Löwen ohne jeden Sinn für die Straßenverkehrsordnung die Piste queren.« Aber alles der Reihe nach.
Die alle zwei Jahre stattfindende LET (Land Rover Experience Tour) steht in der Tradition der einst in den 1980er-jahren so erfolgreichen Camel Trophy. Nachdem Tabakwerbung aber verboten wurde, hat Land Rover dieses kongeniale Marketinginstrument weiterentwickelt. Und auch wenn viele Geländewagenliebhaber mit diesen Arbeitspfer
den nur die Kids zur Kita schaukeln, auf den LETS in Ländern wie Bolivien, Jordanien und Island werden die Fahrzeuge stets ihrer wahren Bestimmung zugeführt. Annähernd 30.000 Offroad-enthusiasten bewerben sich für die Teilnahme an dieser Tour. Nur sechs davon wurden über diverse Auswahlverfahren, die nicht nur das Fahrkönnen, sondern auch Geschicklichkeit, rasche Auffassungsgabe und soziale Softskills wie Teamfähigkeit abverlangen, für die Gratisteilnahme an der LET ausgewählt. Macht zusammen mit einem Mediateam, ein paar Instruktoren, einem Tropenmediziner und Dag Rogge mit seinem Land Rover Defender einen stattlichen Tross mit 18 Fahrzeugen.
Der Startschuss fällt in Simbabwe, genauer gesagt, direkt bei den Victoriafällen. So manchem wallt zwar schon beim ersten Anblick der im Expeditionsstil ausgestatteten Land-rover-discovery-modelle der Diesel im Blut, doch es wäre ein Frevel, diesem Unesco-weltkulturerbe nicht gebührend Zeit zu widmen. Der schottische Forscher und Missionar David Livingstone war wahrscheinlich der erste Weiße, der am 16. November 1855 vom Kololo-häuptling Sekeletu mit dem Ein
Die Victoriafalle werden von den einheimischen donnernder Rauch genannt. Wie passend.
baum zum »Mosi-oa-tunya«, zum »Donnernden Rauch« der gewaltigen Wasserfälle gebracht wurde. Die Victoriafälle, wie sie Dr. Livingstone sofort in guter kolonialer Manier und obendrein passend zu ihrem aufbrausenden Wesen, nach seiner Königin taufte, zählen zu den größten Wasserfällen der Welt. Sie sind doppelt so hoch und erheblich breiter als die Niagara-fälle Nordamerikas. Somit gebiert der Sambesi mit einer Fallhöhe von 108 Metern und einer Breite von 1.688 Metern die größte einheitlich herabstürzende Wassermasse der Welt.
Bei Hochwasser im Frühjahr bieten die dortigen Wassermassen ein wildes Spektakel. Unglaubliche 600 Millionen Liter Wasser pro Minute lassen die Gischt mehrere Hundert Meter hoch aufsteigen. In der Trockenzeit, im November und Dezember, sind es nur 20 Milionen Liter Wasser. Dann werden die wasserärmeren Fälle in einzelne Kaskaden zerteilt und geben den Weg zum atemberaubenden Devil’s Pool frei. Vor der Tour gibt es ein kurzes Briefing durch die bewaffneten Guides: »Nach ein paar Minuten auf dem Schnellboot müssen wir einen knappen Kilometer laufen, das Gebiet ist der natürliche Lebensraum der Hippos und Krokodile. Bleibt bitte zusammen.« Der Devil’s Pool selbst ist ein rund 30 Quadratmeter großes, natürliches Becken direkt am Abgrund. Es sind nur ein paar Schwimmzüge. Aber die kosten gewaltig Überwindung. Schon liegen wir bäuchlings am Beckenrand. Blicken den über 100 Meter jäh hinabstürzenden Wassermassen hinterher, die bei Sonnenschein immer von einem kolossalen, formvollendeten und fast schon psychedelisch beglückenden Doppelregenbogen umrahmt werden. Während handtellergroße Barsche die mutigen Badegäste gern mal in die Füße zwicken ... Insgeheim fürchtet doch jeder, es könnte noch ein kleines Krokodil im Pool dümpeln.
Etappe 1 Victoria Falls - Deteema Springs. 313 Kilometer, 8 Stunden, 60 % offroad.
Los geht’s. Im Konvoi gewöhnen wir uns erst einmal an den Linksverkehr. Bei der Grenzstation zu Sambia stauen sich Sattelschlepper mit schwerem Gerät. Meerkatzen wagen sich aus dem Geäst und turnen frech darauf herum. Frauen in farbenfrohen Gewändern balancieren Obst und Gemüse auf dem Kopf vom nahen Markt nach Hause. Unsere erste Station ist die »Painted Dog Conservation« bei Dete. Der afrikanische Wildhund zählt leider zu den vom Aussterben bedrohten
Arten. »Die bunt gesprenkelten Rudeltiere verenden häufig in Fangschlingen aus Draht. Dabei sind die Wildhunde ein Zufallsopfer. Die zum Teil sehr arme Bevölkerung will mit diesen Schlingen eigentlich Antilopen fangen, um den Speisezettel kostengünstig aufzubessern. Landet ein Wildhund in dieser tödlichen Falle, versuchen die äußerst sozialen Rudeltiere dem Artgenossen aus der Patsche zu helfen, und landen in weiteren Drahtfallen«, erklärt uns Tuvala Shakara, 26 Jahre, vom Volk der Ndebele, während ihrer eindrucksvollen Führung durch das Info-zentrum und Freigehege.
Wir verlassen den Asphalt und düsen auf Schotter und Sand weiter in den 14.600 Quadratkilometer großen Hwange Nationalpark – das größte Schutzgebiet Simbabwes.
Giraffen ragen turmhoch aus dem Dickicht hervor. Elefanten schlendern wohl wissend um ihre magische Aura gemütlich über die Piste. Wunderschöne Nyala-antilopen und grazile Impalas springen in gewaltigen Sätzen durch das Buschwerk. Ein Waran wackelt hüftschwingend über den Schotter. Warzenschweine mit kapitalen Hauern sausen neben den Fahrzeugen her. »Radio Simbabwe«, kommentiert Gerard van Meygaarden, 38 Jahre, am Mikrofon. »Beim Laufen richten sie ihre Schwänze wie Funkantennen in die Höhe.«
»Da oben auf dem Baum seht ihr einen afrikanischen Fischadler. Zu erkennen an seiner weißen Brust. Auf drei Uhr beim Wasserloch seht ihr einen Marabu, einen Sattelstorch und sogar einen ausgewachsenen Sekretär. Mit seinen knöchernen Stelzenbeinen entwickelt er eine enorme Schnellkraft und erlegt mit gezielten Kicks vorwiegend Schlangen, seine Lieblingsnahrung.« Mit diesem Livekommentar zirkeln wir zwischen Schlaglöchern durch dieses Wildparadies. An einem Wasserloch können wir eine Elefantenherde bei der Körperpflege beobachten. Babyelefanten unternehmen erste tapsige, aber putzige Schwimmversuche. Suhlen sich ausgiebig im Schlamm. Die Elefantenkühe umsorgen die Kleinen aufmerksam und schubsen sie wieder in Richtung Böschung, wenn sie in tiefere Gewässer abdriften. Nach der Wäsche gibt es noch ein ausgiebiges Sandbad – sozusagen das Anti-insekten-make-up der Dickhäuter. Wir passieren ein paar Landstriche, wo die Bäume arg zersaust aussehen.
Mit der Dämmerung landen wir im befestigten Deteema Springs Camp. Die meisten Teilnehmer stellen im Nu ihre stabilen Zelte und bequemen Feldbetten auf. Der Rest darf glampen. Alle Achtung: Die Panoramazelte auf erhöhten Holzterrassen sind mondän eingerichtet und verfügen sogar über luxuriöse Badezimmer. Das offen gehaltene Hauptdeck mit Restaurant und top sortierter Bar gibt einen umwerfenden Blick auf die Savanne und das nahe Wasserloch frei. Und während die Kohle für das »Braai«, den traditionell-afrikanischen Grillabend, angefeuert wird, genießen wir bei einem doppelten Gin Tonic ein tierisches Feierabend-theater. Ein Herde Büffel folgt einer Gruppe Elefanten ans Wasserloch. Schon schlägt eine Horde Paviane in den nahen Baumriesen Alarm, weil ein Rudel Löwen plötzlich aus der Deckung auftaucht. Die Großkatzen warten geduldig, bis die Elefanten das Wasserloch freigeben. In diesen Breiten fällt die Sonne im Nu hinter dem Horizont hinunter. Ratzfatz ist es stockfinster. Doch Dag Rogge hat ein paar Nachtsichtgeräte dabei, mit denen wir die Löwen trotz der Dunkelheit noch weiter beobachten können. Über eine App lassen sich sogar Schnappschüsse auf das Smartphone überspielen – ein Hoch auf die Technik. Die Kakophonie der Affenbande verstummt allmählich, weil das Löwenmännchen seinen sonoren Bass erschallen lässt. Der Rudelboss brüllt, dass sich uns spätnachts – trotz einer gepflegten Dosis Gin Tonic – immer noch die Nackenhaare aufstellen.
Etappe 2 Hwange - Elephant Sands Camp, 251 Kilometer, 8 Stunden, 80 % offroad.
Heute haben wir zwei Optionen: die normale Piste oder einen Leckerbissen für hartgesottene Offroader, die sogenannte Hunter’s Road. Mit
Der lowe brullt, dass sich uns spatnachts, trotz einer gepflegten Dosis Gin Tonic, immer noch die Nackenhaare aufstellen.
Lasst euch auf diesem Abschnitt nicht einlullen. da kommen aus heiterem himmel schlaglocher, in denen ein elefant baden kann.
steinigem, stufigem Gelände, schwer zu kalkulierenden Bachläufen, wo vielleicht auch mal die Seilwinde ran muss, Reifenprobleme an der Tagesordnung sind und das Durchkommen stark wetterabhängig ist. Noch strahlt die Sonne, aber die Vorhersage ist wankelmütig. »Zu Beginn der Regenzeit sind Prognosen ohnehin schwierig«, meint Stefan Auer aus dem österreichischen Montafon. Stefan gewann 1997 die Camel Trophy in der Mongolei und ist seither stets als Senior Instructor mit dabei. Die jungen Wilden schreien nach Action und entscheiden sich für die Hunter’s Road, die im besten Fall in vier Stunden zu bewältigen ist und im Worst Case-szenario schier unmöglich wird. Die genussorientierten Offroader möchten lieber früher im Elephants Sands Camp sein, um dort die Elefanten aus nächster Nähe zu beobachten. Wir fahren kaum eine Stunde Richtung Nordosten, als sich der Himmel urplötzlich schwarz verfärbt und die Sintflut losbricht. Unter dem Stakkato der Scheibenwischer ist die »normale« Savannenpiste bereits ein heftiges Unterfangen, das jede Menge Konzentration abverlangt. Erst kurz vor der Grenze zu Botswana beruhigt sich der Wolkenbruch. Grenzübertritte in Afrika sind häufig ein heikles und zeitraubendes Unternehmen. Artig präsentieren wir unsere Papiere. Stapfen durch ein kleines Becken mit einer zweifelhaften Brühe zur Desinfizierung der Schuhe. Eine besonders eifrige Inspektorin lässt uns noch weitere Paare Schuhe aus den Untiefen des Laderaums kramen, um diese ebenso chemisch zu behandeln. Auch die Autos müssen durch eine Wanne mit der Desinfektionssuppe fahren.
Die letzten 60 Kilometer legen wir auf der asphaltierten Hauptstraße zurück. Kurioserweise stehen Dutzende Elefanten, jede Menge Antilopen und auch eine Handvoll Warzenschweine am Straßenrand. Es dämmert bereits, als wir das Elephant Sands Camp erreichen. Normalerweise tummeln sich die Dickhäuter hier in Scharen. Heute steht nur ein besonders mächtiger alter Bulle mit im Kampf abgebrochenen Stoßzähnen mitten im Camp und posiert für die Kameras.
Im Licht der Scheinwerfer und Stirnlampen tanken wir zunächst. Zapfsäulen gibt es keine – mithilfe einer Handpumpe befördern wir den Diesel direkt aus Fässern in die Tanks. Zwei Stunden später trifft Gruppe II von der Hunter’s Road ein. Sie mussten nach Reifenpannen umkehren, weil die Piste im Nu zum Sturzbach wurde. Während der Nacht trommeln die Regentropfen weiter lautstark auf die Zeltdächer.
Etappe 3 Elephant Sands Camp - Khwai Safari Grounds, 307 Kilometer, 8 Stunden, 100 % offroad.
Früh am Morgen ist der Spuk vorbei. Die Erde ist im Nu strohtrocken, und die Sonne brutzelt regelrecht vom Firmament. Der Blick auf die Karte und das GPS machen es amtlich. Vom Abzweig an der Hauptstraße geht es schnurstracks westwärts. »Tiefes Schlagloch rechts«, lautet der Funkspruch. Kurz darauf: »Angespülte Äste links umfahren.« Der Konvoi lauscht den Ansagen des ersten Fahrzeugs. Nach gut der Hälfte der Strecke ragt mitten in der Piste ein Baobab-gigant aus dem Erdreich. Der Baum muss weit über 1.000 Jahre alt sein. Die »Cutline« fungiert eigentlich als Brandschneise, soll also im Katastrophenfall das Überspringen von Waldbränden verhindern, aber anscheinend haben es die Inspektoren nicht über das Herz gebracht, diesen monumentalen Zeitzeugen zu fällen. Genau hier machen wir Pause. Der umgebaute Küchen-land-rover fährt vor, wirft die eingebauten Kaffeemaschinen an. Es gibt Sandwiches und Cookies. Mitten auf der breiten Straße im Niemandsland, im Schatten eines ehrfurchteinflößenden Baobabs. David Livingstone berichtete seinerzeit bereits von Baobabs, in deren hohlen Stämmen 20 bis 30 Leute hausten. Die Bäume wurden sogar schon als Postschalter, Gefängnisse und Busch-pubs genutzt.
Kaum haben wir uns die letzten Brösel aus den Mundwinkeln gewischt, formieren sich in der Mittagshitze wieder apokalyptische Wolken. Bescheren uns aus dem Nichts heraus infernalische Regenschauer. Im Nu wird die Piste wieder zu einem teigigen Schlammbad. Jetzt können die Autos wieder zeigen, was sie draufhaben. Die 306 PS starken Dreiliter-turbodiesel wühlen sich mit einem irren Drehmoment aus dem knietiefen Schlamm. Ein unter der geschlossenen Wasseroberfläche verkeilter Ast zwingt uns zu einem Reifenwechsel im strömenden Regen.
Schon donnert es ohrenbetäubend direkt über uns. Blitze zucken durch das bedrohliche Schwarzgrau des Himmels. Kaum legt der Konvoi wieder los, geleitet eine riesige Elefantenkuh ihr Kleines über die Cutline. Mit lautem »Töröö« und aufgeklappten Ohren macht sie unmissverständlich klar, dass sie uns allesamt von der Piste rammt, wenn wir auf die Vorfahrt bestehen sollten. Nach weiteren 50 Kilometern ist diese Wetterkapriole auch wieder Geschichte. Schon schlucken wir wieder den Staub der voranfahrenden Fahrzeuge. Nach 180 Kilometern ohne jeglichen Gegenverkehr zweigt die Piste nach Norden auf eine Urwaldstraße ab, mit grandiosen Bodenwellen zum Abheben. Die Bewaldung wird wieder üppiger. Nahe einer Streusiedlung der Babukahwe tummeln sich Hippos und Krokodile am Fluss. Zum Finale schlängelt sich eine gerade mal eine fahrzeugbreite tief ausgefahrene Piste wild durch den dichten Wald. Die Sonne ist längst zurück und taucht die Ausläufer des Okavango-deltas in ein magisch-goldenes Licht.
Es ist der letzte Abend, der letzte Gin Tonic. Das letzte Mal Zelten in der wilden Heimat von Löwen, Elefanten und Co. Und schon gesellt sich zum Wermut auch Wehmut.
Land-rover-tour. Buchungen über das Land Rover Experience Buchungsbüro, Tel. +49 2058 77809 67. Weitere Informationen gibt es unter: www.landrover-experience.de
KAZA. Weiterführende Infos rund um den Kavango-zambezinationalpark im südlichen Afrika finden sich hier: www.kavangozambezi.org