„Selenskyj gelingt es, Nähe zu schaffen“
Ein Krieg ist immer auch eine Informationsschlacht. Der Medienethiker Christian Schicha erklärt, warum der ukrainische Präsident Selenskyi eine geschicktere Strategie verfolgt als Putin.
Christian Schicha, Professor für Medienethik an der Universität Erlangen-nürnberg, erklärt, warum der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die geschicktere Kommunikationsstrategie verfolgt als Wladimir Putin.
Wolodymyr Selenskyj zeigt sich der Weltöffentlichkeit im olivgrünen T-shirt, Putin sitzt im Anzug am großen Konferenztisch – welche Botschaften wollen die beiden mit diesen Bildern transportieren? Christian Schicha: Anzug und Krawatte sind klassisch seriös und sollen Vertrauen einflößen. Putin nutzt aber auch ansonsten die klassische Politikerpose und richtet sich mit Ansprachen an das Volk und die Welt. Das von ihm gewählte Setting wirkt zugleich protzig und auch hässlich, wie eine Kulisse aus den Sechziger-, Siebzigerjahren. Auf der anderen Seite der nahbare Selenskyj, der sich im T-shirt als Kämpfer zeigt.
Selenskyj nimmt von sich auch Handy-videos auf. Welche Funktion haben sie?
Er ist medial in zwei Bereichen unterwegs. Das eine sind die klassischen Schaltungen in die Parlamente aus aller Welt. Sie zeigen ihn am Schreibtisch, mit ukrainischer Flagge im Hintergrund. Das zweite sind die Selfies, die unter anderem zeigen, dass er tatsächlich noch in Kiew ist.
Wirkt Selenskyjs Bildgebung sympathischer als die Putin-auftritte? Selenskyj gelingt es mit seinen Aufnahmen, Nähe zu schaffen. Und er schottet sich nicht ab. Oft ist er in einer Gruppe von Menschen zu sehen und zeigt sich an
Orten, die von russischen Truppen angegriffen werden. So wirkt er bodenständig und nah am Volk. Putin dagegen ist hängengeblieben bei klassischer Verlautbarungs-kommunikation, die streng und distanziert wirkt.
Ist es etwas Neues, dass ein
Politiker mitten im Krieg per Handyvideo mit der Außenwelt kommuniziert?
Es ist insofern etwas Neues, als dass Selenskyj seine Bilder zum Teil selber macht. Mit dieser Häufigkeit und Regelmäßigkeit gab es das vorher noch nicht. So schafft er es, das Interesse der Weltbevölkerung wachzuhalten. Man könnte sich ja auch vorstellen, dass sich nach zwei Kriegsmonaten bei Menschen in anderen Ländern eine gewisse Distanz aufbaut, weil sie das Leid nicht mehr ertragen können.
Ist Selenskyj dabei, den Krieg der Bilder zu gewinnen?
Das ist gut möglich. Selenskyj hat inzwischen unglaublich viele Verbündete, die ihm militärisch, finanziell oder einfach solidarisch zur Seite stehen. Das liegt sicher auch an seiner offensiven Kommunikation.