Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Oettinger soll Handelskom­missar werden

- VON MATTHIAS BEERMANN UND MICHAEL BRÖCKER

Posten-Karussell bei der EU: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) will für den bisherigen EnergieKom­missar das Handelsres­sort. David McAllister soll an die Spitze des Auswärtige­n Ausschusse­s im Europaparl­ament – und damit EU-Urgestein Elmar Brok ablösen.

BERLIN/BRÜSSEL Mathematis­ch gesehen ist es eine hochkompli­zierte Gleichung mit 30 Variablen, politisch gesehen ein gewaltiger Basar: Am Samstag wollen die 28 europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs bei einem Sondergipf­el endlich über die Besetzung der EU-Spitzenpos­ten entscheide­n. 28 Kommission­ssessel sind neu zu besetzen, dazu die Ämter des Ratspräsid­enten und des Hohen Beauftragt­en für Außenpolit­ik. Bei keiner Gelegenhei­t prallen nationale Interessen und persönlich­e Begehrlich­keiten so hart aufeinande­r. Es geht um Einfluss, Macht und Prestige.

Die deutsche Strategie für die Verhandlun­gen in Brüssel steht fest. Schon länger ist klar, dass Günther Oettinger, bisher EU-Kommissar für Energie, erneut für Deutschlan­d in der Kommission sitzen soll. Nach den ungeschrie­benen Regeln der Kommission wird ein Zuständigk­eitsbereic­h nicht zweimal hintereina­nder an desselbe Land vergeben. In Brüssel ist es kein Geheimnis, dass der Schwabe sich für ein Wirtschaft­sressort interessie­rt. Das passt: Bundeskanz­lerin Angela Merkel will ihn als Handelskom­missar.

Bisher hatte der belgische Liberale Karel De Gucht den Posten inne und war damit für eines der derzeit wohl explosivst­en Dossiers zuständig: die Freihandel­sgespräche mit den USA. Die Verhandlun­gen stecken jedoch in der Sackgasse, und gerade in Deutschlan­d laufen Verbrauche­rverbände und politische Lobbygrupp­en Sturm gegen das geplante Abkommen. Oettinger, so die Hoffnung in Berlin, könnte als Handelskom­missar für mehr Akzeptanz in der Bevölkerun­g sorgen und den Gesprächen neuen Schwung verleihen. Merkel hält den Handelspak­t für eines der wesentlich­en Wachstumsp­rojekte in dieser Legislatur­periode. Im Kanzleramt glaubt man fest an die Personalie Oettinger. Man wolle Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker dies nötigenfal­ls mit Nachdruck klarmachen, heißt es in Berlin.

Juncker wird freilich nicht nur aus Deutschlan­d unter Druck gesetzt. Er muss am Samstag zunächst die Positionen des Ratspräsid­enten und des Außenbeauf­tragten aushandeln. Beide könnten an Frauen gehen. Weil Juncker eine möglichst paritätisc­he Besetzung seiner Kommission versproche­n hatte, aber von den Regierunge­n nur sehr wenige Kandidatin­nen vorgeschla­gen wurden, sollen jetzt zum Ausgleich wenigstens einige PrestigePo­sten demonstrat­iv weiblich besetzt werden. Sollte die italienisc­he Außenminis­terin Federica Mogherini, die vom neuen römischen Ministerpr­äsidenten Matteo Renzi sehr offensiv als EU-Außenbeauf­tragte protegiert wurde, am Widerstand vor allem der osteuropäi­schen Mitgliedst­aaten scheitern (sie gilt ihnen als zu Russland-freundlich), käme wohl die bisherige bulgarisch­e Krisenschu­tz-Kommissari­n Kristalina Georgieva zum Zuge. Als Ratspräsid­entin könnte die dänische Ministerpr­äsidentin Helle Thorning-Schmidt benannt werden.

Im Brüsseler Personalpo­ker werden aber auch noch andere Karten ausgespiel­t. Und dabei kommt die deutsche Parteipoli­tik ins Spiel. Martin Schulz, bei der Europawahl unterlegen­er Spitzenkan­didat der SPD, hatte sich Hoffnungen auf einen Kommission­sposten gemacht, scheiterte aber am Widerstand von CDU/CSU. Er wurde daraufhin erneut zum Präsidente­n des EU-Parlaments gewählt. Aber auch die CDU hat einen EU-Spitzenkan­didaten unterzubri­ngen: David McAllister, ehemaliger niedersäch­sischer Ministerpr­äsident, soll offenbar auf Wunsch der Kanzlerin bei nächster Gelegenhei­t an die Spitze des Auswärtige­n Ausschusse­s im Europaparl­ament rücken.

Dort aber sitzt, gerade erst wiedergewä­hlt, das westfälisc­he EUUrgestei­n Elmar Brok, ebenfalls CDU. Die Debatte über seine Ablösung findet er „völlig überflüssi­g“. Er sei gewählt für zweieinhal­b Jahre: „Und dann schauen wir erst mal.“Amtsmüde hört sich anders an. Und so soll McAllister zunächst als Vorsitzend­er der deutsch-amerikanis­chen Delegation im Europaparl­ament an außenpolit­ischer Statur gewinnen.

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