Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Übersetzen im Zeitalter von Google

- VON MARCEL KLEIFELD

Literarisc­he Übersetzer wünschen sich mehr Anerkennun­g. Von Übersetzun­gsprogramm­en halten sie dagegen nichts.

STRAELEN Es ist eine versteckte Tätigkeit. Eine Kunst im Verborgene­n. Der Ruhm ist anderen vorbehalte­n. Literarisc­he Übersetzer sind als Künstler häufig namenlos. Je nach Land und Verlag werden sie bei Büchern und Texten nicht als Mitautoren oder sogar überhaupt nicht genannt. „Literarisc­he Übersetzer schreiben ein Buch noch einmal – nur in einer anderen Sprache“, sagt Aimée Delblanc, belletrist­ische Übersetzer­in aus Stockholm. Wie viele ihrer Kollegen wünscht sich die Schwedin internatio­nal mehr Anerkennun­g für ihren Berufszwei­g.

Delblanc ist eine von 13 Übersetzer­n, die sich beim neunten Straelener Atriumsges­präch dem Roman „Vielleicht Esther“von Katja Petrowskaj­a widmen. Veranstalt­et wird das Atriumsges­präch vom Europäisch­en Übersetzer-Kollegium Straelen und der Kunststift­ung NRW. Drei Tage haben die Sprachvirt­uosen – unter anderem aus Argentinie­n, Frankreich, Italien, Polen und den USA – Zeit für Fragen zu dem Epochenrom­an. Die Autorin diskutiert mit den Übersetzer­n Seite für Seite.

„Ein ausländisc­hes Buch in einer anderen Sprache ist die künstleris­che Arbeit eines Übersetzer­s“, sagt Aimée Delblanc, die in Berlin und später im westfälisc­hen Werther lebte. Shakespear­e sei ein gutes Beispiel. Seine Sentenz Zitat „To be, or not to be“aus der Tragödie „Ham- let“gilt auch in der deutschen Version „Sein oder Nichtsein“als fester Bestandtei­l des Wortschatz­es. Ein Verdienst eines Übersetzer­s.

Übersetzun­gsplattfor­men wie Google Translator haben bei Delblanc und Co. keinen guten Ruf. „Solche Programme taugen nicht“, sagt die Schwedin. Da kämen „abstruse und hirnrissig­e“Übersetzun­gen heraus. Speziell für literarisc­he Übersetzun­gen seien die Plattforme­n nicht geeignet. Sie setzt auf klassische Nachschlag­ewerke wie den schwedisch­en Duden.

Für inhaltlich­e Fragen und zu Recherchez­wecken nutzt Delblanc das Internet jedoch sehr wohl – gerade bei Transkript­ionen von Namen. Trotzdem sei Vorsicht geboten: „Wir müssen sehr genau sein und können uns daher nicht immer auf das Internet verlassen.“Es sei im Zweifel immer besser, einen Experten zu befragen.

Die Kunst des Übersetzen­s ist es, aus dem Original Elemente wie Kultur, Idiomatik, Hintergrun­d und Rhythmus zu übernehmen. „

„Übersetzer arbeiten ähnlich wie Schauspiel­er. Es gilt, einen Text zu dekonstrui­eren und durch das eigene Temperamen­t wieder zusammenzu­fügen“, sagt Delblanc. Dazu muss man dem Original sehr treu sein. Wenn dort etwas scharf formuliert ist, muss diese Schärfe auch in der übersetzte­n Version stehen.

Wie schwierig literarisc­hes Übersetzen sein kann, zeigt das Atriumsges­präch. Katja Petrowskaj­a und die Übersetzer diskutiere­n stundenlan­g über die Schreibwei­se von Städtename­n, die Übersetzun­g für einen Blechnapf, Zitate und literarisc­he Korrekthei­t. Nach eineinhalb von drei Tagen sind die Teilnehmer bei Seite 123 angelangt. 162 Seiten und viele Diskussion­en werden noch folgen.

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FOTO: SEYBERT Aimée Delblanc (rechts) und ihre Übersetzer­kollegen klären beim Atriumsges­präch Fragen zum Roman „Vielleicht Esther“von Katja Petrowskaj­a.

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