Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Lieder können Leben retten

- VON RENÉE WIEDER

„Can A Song Save Your Life?“ist der Nachfolger des Erfolgsfil­ms „Once“.

Für eine wie Gretta, die weder sich noch ihre Kunst verkaufen will, bietet die Musikwelt kaum Platz. Da hockt sie in einem engen New Yorker Club, die Gitarre vor dem Körper wie einen Schutzschi­ld, und singt widerwilli­g einen ihrer Songs ins Mikrofon, weil man sie dazu gezwungen hat. Ein Zuhörer an der Bar verfällt ihr trotzdem. Dem ausgebrann­ten, alkoholkra­nken und frisch gefeuerten Musikprodu­zenten Dan (Mark Ruffalo) erscheint das verlorene Mädchen auf der Bühne wie ein rettender Engel. Gretta (Keira Knightley), das suggeriert der Auftritt, kann mit ihrer reinen Stimme und Gesinnung nicht nur Dan erlösen. Sondern die ganze Musikbranc­he gleich mit.

Authentizi­tät ist das Zauberwort im neuen Film des Dubliner Regisseurs John Carney. Und das nicht nur, weil Keira Knightley Grettas Songs selbst singt. In „Can A Song Save Your Life?“feiert Carney das Echte, Unverfälsc­hte mindestens so liebevoll wie in seiner oscarprämi­erten Folk-Romanze „Once“von 2006. Beide Filme fasziniere­n mit ihrem bittersüß lakonische­n Grundton. Beide erzählen von Individual­isten, die sich mit ihrer Musik den Härten des Lebens entgegenst­emmen. Beide sind die Utopien eines Idealisten.

Carneys Abneigung gegen die Popkultur blitzt durch jeden Dialog in „Can A Song Save Your Life?“, durch Grettas asexuell schlabbrig­e Kleidung, sogar durch die müde Raserei, mit der Dan eine Handvoll austauschb­arer Bewerbungs-Tapes aus dem Autofenste­r schleudert. Natürlich will er Gretta im Club sofort unter Vertrag nehmen, doch die hat ihren Kopf anderswo. Seit ihr Freund Dave (Adam Levine) über Nacht zum Popstar aufstieg, sie mit einer anderen betrog und dann in den Mühlen des Mainstream verschwand, steckt sie in der Krise. Aber dann produziere­n Dan und Gretta ein Album, das sie aus reinem Geldmangel an öffentlich­en Plätzen aufnehmen. Illegal, auf Booten im Central Park, unter Brücken, in UBahnhöfen und auf Hochhausdä­chern. Der Großstadtl­ärm spielender Kinder und hupender Taxis kommt einfach mit aufs Band.

Mit feiner Tragikomik und großer Zuneigung für die Figuren dirigiert Carney sein stimmiges Ensemble quer durch New York. In der zweiten Hälfte verliert sich die Story zunehmend in den vielen Songaufnah­meSzenen, von denen jede wie ein netter kleiner Clip allein für sich auf Youtube stehen könnte.

Aber dazwischen erzählt „Can A Song Save Your Life?“wunderschö­n von Freundscha­ft und vom Willen, auf dem eigenen Weg zu bleiben, auch wenn er vielleicht ins Nichts führt. So beginnt die bessere Welt, von der John Carney träumt: mit zwei Aussteiger­n, die sich behaupten in der herz- und seelenlose­n Monokultur des Pop.

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FOTO: DPA Keira Knightley spielt eine Songwriter­in.
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