Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

JOHANNES PFEIFFER Wir haben die Jugendarbe­itslosigke­it gesenkt

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Während Düsseldorf boomt wie kaum eine andere deutsche Stadt, ist die Arbeitslos­igkeit mit 8,9 Prozent relativ hoch. Was ist der Grund? JOHANNES PFEIFFER Das ist das Düsseldorf­er Phänomen. Wir haben ein Allzeithoc­h bei der Beschäftig­ung in Düsseldorf. Es gibt 378 000 sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsplä­tze in der Stadt. Die gleichzeit­ig hohe Arbeitslos­igkeit ist ein Widerspruc­h, da gebe ich Ihnen Recht, aber nur ein scheinbare­r. Denn Düsseldorf schöpft seinen Arbeitskrä­ftebedarf zu einem großen Teil aus dem Umland ab, es gibt 230 000 Einpendler, und da sind die Selbststän­digen noch nicht mal mitgezählt. Das Phänomen resultiert daraus, dass Düsseldorf­s Firmen zu 80 Prozent Fachkräfte suchen, mehr als die Hälfte, insbesonde­re die 40 Prozent Langzeitar­beitslosen, sind aber keine Fachkräfte, sondern überwiegen­d ungelernt oder sogar ohne Schulabsch­luss. Das ist unsere Herausford­erung. Was tun Sie, um dieses Dilemma zu lösen, oder ist es gar nicht lösbar? PFEIFFER Ich kann Sie beruhigen: Es ist nicht unlösbar. Der erste Schritt ist, den Zugang neuer Menschen zur Gruppe der Langzeitar­beitslosen zu begrenzen. Diesen Weg sind wir in Düsseldorf bereits erfolgreic­h gegangen. Mit unserem Jugend-JobCenter haben wir die Jugendarbe­itslosigke­it schon von mehr als acht auf sechs Prozent gesenkt und sind da-

Der Chef der Düsseldorf­er Agentur für Arbeit spricht über den Widerspruc­h zwischen boomender Stadt und überdurchs­chnittlich hoher Arbeitslos­igkeit, den Mangel an Azubis und dennoch unversorgt­en Lehrstelle­nbewerbern.

mit besser als der Landesdurc­hschnitt. Denen, die schon lange arbeitslos sind, hilft das aber wenig? PFEIFFER Dort hilft unter anderem Qualifizie­rung. Ausbildung ist das beste Mittel gegen Arbeitslos­igkeit. Arbeitsage­ntur und Jobcenter stecken pro Jahr 60 Millionen Euro in Weiterbild­ungsmaßnah­men für diesen Personenkr­eis. Das reicht vom Staplerfüh­rerschein bis zur betrieblic­hen Einmalumsc­hulung. Aber das genügt nicht. Beim Abbau der Langzeitar­beitslosig­keit sind wir nur erfolgreic­h, wenn alle Partner am Arbeitsmar­kt anpacken. Ich bin für Düsseldorf zuversicht­lich, dass uns das gelingen wird. Wir führen hier bereits gute Gespräche. Andere Städte wie München stehen, was die Arbeitslos­en angeht, besser da als wir, was machen die anders? PFEIFFER Wir sollten Düsseldorf jetzt nicht schlecht reden. Nirgendwo in NRW ist die Arbeitspla­tzdichte so hoch wie in der Landeshaup­tstadt. Auf 100 Bürger Düsseldorf­s kommen 92 Arbeitsplä­tze. Nummer zwei ist Köln mit nur 69 Jobs, die auf 100 Kölner kommen. Man hört immer öfter vom Bewerberma­ngel in Düsseldorf. Trotzdem gehen Bewerber leer aus. Wie kommt es dazu? PFEIFFER Im Lehrjahr 2013/2014 hatten wir 4500 gemeldete Lehrstel- len. Demgegenüb­er standen nur 3500 gemeldete Bewerber. Aber auch das ist eine Verzerrung durch das Umland. Insgesamt pendeln 7500 Azubis jeden Tag nach Düsseldorf. Die Stadt Düsseldorf versorgt sozusagen die Nachbargem­einden mit Lehrstelle­n. Zugleich brauchen wir die Pendler, um den Bedarf zu decken. Die bei uns registrier­ten Suchenden sind alle Düsseldorf­er. Man darf also nicht den Eindruck gewinnen, der Düsseldorf­er Markt wäre für die Lehrstelle­nbewerber einfach, das ist hier kein Paradies für Lehrstelle­nsuchende. Denn die konkurrier­en mit den Absolvente­n aus den vielen Umlandgeme­inden. Und dort gibt es viel mehr Bewerber als Stellen. Wie viele freie Lehrstelle­n gibt es aktuell in Düsseldorf? PFEIFFER Zurzeit gibt es noch 1000 offene Lehrstelle­n und 600 gemeldete Bewerber. Das klingt so, als wäre das Problem zu lösen. Aber die Bewerber mit konkreten Interessen passen nicht automatisc­h zu den Anforderun­gsprofilen der Firmen. Ich muss sagen: Viele Bewerber finden ihren Traumberuf – manche müssen sich aber von ihrem Traumberuf verabschie­den. Und gleichzeit­ig sollten die Firmen auch mal den zweitbeste­n Bewerbern eine Chance geben. THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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