Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der Natur-Bildhauer
Olafur Eliasson ist der Shootingstar der internationalen Kunstszene. Knapp 40 Werke aus der Sammlung von Christian Boros zeigt die Langen Foundation in ihren lichten, streng komponierten Räumen in Neuss. Ein Dialog der Künste.
NEUSS Die japanischen Kirschen an der Eingangsallee blühen zartrosa. Sie stimmen den Besucher auf eine glückliche Vermählung ein: Zweimal rheinische Sammellust, die sich potenziert. Sabine Crasemann, Sammlerin und Stiftungsvorsitzende der Langen Foundation, hat Christian Boros, Werber und Sammler, eingeladen, sich mit einem Schwergewicht seiner Kollektion auszubreiten. Dafür stellt sie das streng und licht komponierte Haus des Architekten Tadao Andos zur Verfügung. Und Boros bringt einen Schatz mit, auf den er stolz sein darf. Niemand hat eine vergleichbar große Sammlung von Olafur Eliasson, dem stillen Shootingstar, der bei aller Bescheidenheit, die er an den Tag legt, Held vieler junger Menschen ist und mit seinem Werk stets Botschaften verknüpft.
Boros hat eine dieser Botschaften verinnerlicht, erzählt er. Seit er Eliassons Kunst kennengelernt hat – das ist jetzt 20 Jahre her –, hat sich sein Blick auf die Natur verändert. Es gibt keinen Sonnenuntergang, keinen Wind oder Nebel, den er heute nicht anders, nämlich viel tiefer und sinnlicher, wahrnimmt als zuvor. Eliasson hat ihn sensibilisiert für die Verbindung des Menschen zum Raum, in dem er lebt. Denn Eliasson ist ein Bildhauer, der mit der Natur gemeinsame Sache macht. Ein Natur-Bildhauer.
Eliassons Kunst, die ab dem Wochenende in der Langen Foundation zu sehen ist, bringt Weite, Wind und Wellen, Licht, Spiegelungen und Farben aus dem großen Kosmos in festgebaute Räume. Das meiste, was er erschafft, bezeichnet der Künstler als Experiment. So verweist er auf die Möglichkeit des Scheiterns, suggeriert, dass das Perfekte, das er präsentiert, vielleicht nur eine Versuchsanordnung ist.
Bei einer scheinbar puren Welt hat diese Kunst Anleihen gemacht, in der Naturgesetze gelten und Regie führen. Bei einer Welt, in der der dänisch-isländische Künstler sich forschend bewegt, die er vermisst und in die er immer tiefer und energischer eintaucht. Dass Kunst draus wird, ist sein Genie. Zum konzeptionell und technisch aufwendigen Arbeiten ist sein Team unerlässlich.
Boros ist Wuppertaler und über das Gastspiel am Niederrhein hocherfreut. In Berlin ist sein Kunstbunker Besuchermagnet, in den Wiesen rund um die Raketenstation kann er das Wichtigste und Liebste, das er in seiner großen Sammlung hat, zur Schau stellen. Einen besseren Ort könnte es nicht geben für den Dialog der kühnen Exponate mit der minimalistischen Architektur, die selbst Kunst und Natur in einer einmaligen Synthese vereint.
Eine Spirale fängt als erstes den Blick des Besuchers, vier Farben in verdrehten Stahlbändern, drei Meter hoch, frei schwebend, eine Doppelhelix. Aus Naturwissenschaft wird Kunst. Das lernt man bei Eliasson. Viele Schritte weiter auf dem Ausstellungsparcours, hinter dem langen Gang, ein Blick durch die zerklüftete „Brick Wall“nach draußen: die acht Meter hohe Skulptur wurde nie zuvor gezeigt.
Bald kommt der „Colour room“, in den eine Rampe führt. Alle Farben spielen abwechslend ihr Spiel auf einer großen Projektionsfläche. Was für eine Macht! Wer sich hinstellt vor die Installation, verliert fast die Orientierung. Er wähnt sich im Rausch, im Delirium, reibt sich die Augen. So stark wirkt Farbe.
Sehr verschlossen geben sich hingegen die Zeichnungen, eine Reihe kleiner weißer Blätter mit sehr einfachen Strichen. Das muss erklärt werden. Heraus kommt eine schräge Geschichte: Vater Eliasson bekam vom Künstler den Auftrag, beim Segeln einen schwarzen Stift auf ein weißes Papier zu setzen und zu halten. Die Wellen malen hier mit, der Seegang. Der Mensch ist Ideengeber und Handlanger.
Nicht weit entfernt, zwischen zwei strahlenden Sonnen, findet sich das Schlüsselwerk, das fast berühmteste, provozierendste und oft gezeigte aus Eliassons Werkstatt: Ein schwarzer einfacher Ventilator hängt an einem langen Kabel von der Decke herab, er trudelt vor sich hin, zieht unregelmäßige Runden, geht hoch und runter. Der Schwingradius ist auch davon abhängig, wie sich die Menschen im Raum bewegen. Besonders Kinder lieben dieses ungewöhnliche Kunstwerk, dessen Aufforderung zum Dialog sie gleich kapieren.
Dieser Ventilator hat einmal acht Jahre im Düsseldorfer Ständehaus gependelt. Und er ist daran Schuld, dass Boros und Eliasson zusammenfanden in einer Zeit, da weder der eine noch der andere so bekannt waren wie heute. Bis zu jener BerlinBiennale, auf der Boros das Kunstwerk entdeckte und kaufte, hatte er Eliasson schon hier und da gesehen, allerdings für sich unter dessen Namen das Etikett „Jugend forscht“gesetzt. Mit dem Ventilator, den Boros erwarb, ohne einen Ausstellungsort vor Augen zu haben, begann sein neuer Blick auf Eliasson. Seit 20 Jahren verfolgt und kauft er dessen Werk, er spricht von „Liebe und Treue“dem Künstler gegenüber.
Ähnliches kann diese Ausstellung bewirken. Wer Eliasson entdeckt, entdeckt niemals ihn alleine, sondern eine ganze Welt.