Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schwimm-Erlass sorgt für Probleme

- VON JASMIN BUCK UND JESSICA KUSCHNIK

Lehrer müssen künftig alle vier Jahre beweisen, dass sie rettungsfä­hig sind. Das verlangt das Ministeriu­m. Der Unmut an den Schulen ist groß, denn die neue Regelung könnte auch Klassenfah­rten erschweren.

DÜSSELDORF Schwimmver­anstaltung­en werden für Schulen in Nordrhein-Westfalen immer mehr zum organisato­rischen Alptraum. Schon heute dürfen Lehrkräfte ohne den Nachweis der Rettungsfä­higkeit weder den Schwimmunt­erricht leiten noch Schulfahrt­en oder AGs betreuen, die mit Wasser zu tun haben. Nun muss dieser Nachweis aber alle vier Jahre aufgefrisc­ht werden. Das regelt ein ministerie­ller Erlass zur Sicherheit im Schulsport. Er legt Qualifikat­ionen fest, die Lehrkräfte im Sportunter­richt besitzen müssen. Das soll auch vor Haftungsan­sprüchen bei Unfällen schützen.

„Mit dem neuen Erlass soll die Rettungsfä­higkeit gerichtsve­rwertbar nachgewies­en werden, falls tatsächlic­h einmal etwas passiert“, sagt ein Sprecher der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG). Früher habe ein einmaliger Nachweis gereicht. Das Schulminis­terium bezeichnet die neue Regelung als „selbstvers­tändliche Absicherun­g für die Lehrkräfte“.

Seit Jahren wächst in NRW die Zahl der Kinder, die nicht gelernt haben zu schwimmen. Nach Anga- ben der letzten Befragung der DLRG können fast 45 Prozent aller Kinder nach der Grundschul­e gar nicht oder nicht richtig schwimmen. Viele Schulen seien mit dem Unterricht überforder­t. Der Lehrplan in NRW sieht vor, dass die Kinder in der Grundschul­e ein Jahr lang mindestens eine Stunde pro Woche Schwimmunt­erricht haben müssen. Oft findet er in der dritten Klasse statt. „Das ist viel zu spät. Kinder müssen spätestens mit Ende des zweiten Schuljahre­s schwimmen gelernt haben“, fordert Sebastian Krebs. Der stellvertr­etende Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft befürchtet, dass durch den Erlass der Fortbildun­gsetat vieler Schulen belastet wird. „Die sechsstünd­ige Kursgebühr beträgt 60 Euro pro Person. Es kann nicht sein, dass nur die Schulen dafür aufkommen müssen. Da ist auch die Landesregi­erung gefragt.“Bei der DLRG glaubt man zudem, dass sich gegen Ende der Frist – bis zum 31. Januar 2016 ist Zeit, die Auffrischu­ng nachzuhole­n – ein Ausbildung­sstau einstellen könnte, da die Informatio­nen nur schleppend zu den Schulen durchdring­en.

Schuldirek­tor Horst Obdenbusch spricht schon jetzt von einem „Eingriff in das Schulprogr­amm“. Der Leiter des Krefelder Gymnasiums Fabritianu­m fürchtet, dass außerschul­ische Schwimmver­anstaltung­en künftig seltener oder gar nicht mehr stattfinde­n. Denn der Nachweis der Rettungsfä­higkeit gilt auch bei Klassen- und Wanderfahr­ten. Ab einer Wassertief­e von 1,20 Metern ist ein Schwimmabz­eichen in Bronze vorgeschri­eben. Dafür muss die Lehrkraft eine Distanz von 200 Metern in sieben Minuten schwimmen, Kenntnisse der Baderegeln besitzen, einen Fünf-Kilogramm-Ring aus tiefem Wasser heraushole­n, zehn Meter tauchen und zwei Befreiungs­griffe anwenden. „Das kann man aber nicht jedem fachfremde­n Kollegen abverlange­n“, sagt Obdenbusch. Bei Tagesausfl­ügen – etwa Paddelfahr­ten auf der Niers – will er deshalb künftig externe Begleitper­sonen bezahlen, die einen Ruder- und DLRG-Schein besitzen. „Dann sind wir auf der sicheren Seite.“

Gunter Fischer, Schulleite­r am Clara-Schumann-Gymnasium in Viersen-Dülken, hält die neuen Anforderun­gen zwar für sinnvoll. Trotzdem sei die Verwaltung­skontrolle mittlerwei­le enorm. „Lehrer und Schulleite­r werden mit immensen Aufgaben beladen. Das führt dazu, dass der Beruf immer unattrakti­ver wird.“

Regine Schwarzhof­f, Landesvors­itzende des Elternvere­ins, nimmt auch die Eltern in die Verantwort­ung: „Heutzutage wird den Schulen immer mehr aufgebürde­t. Kindern das Schwimmen beizubring­en, ist in erster Linie Aufgabe der Eltern.“Leitartike­l Nordrhein-Westfalen

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FOTO: THINKSTOCK Schulkinde­r beim Schwimmunt­erricht. Künftig gelten für ihre Betreuung verschärft­e Anforderun­gen.

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