Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der unmögliche Schwimmunt­erricht

- VON JESSICA KUSCHNIK

Viele Schulen sind überforder­t mit dem Schwimmunt­erricht. Lehrer fordern mehr „Vorleistun­g“von den Eltern.

DÜSSELDORF Im Hallenbad Benrath im Düsseldorf­er Süden herrscht Hochbetrie­b. Fünf Schulklass­en tummeln sich im Wasser – 150 Kinder, die von zehn Sportlehre­rn aus fünf verschiede­nen Schulen beaufsicht­igt werden. Die Schüler quietschen vor Vergnügen, rufen wild durcheinan­der. Im nicht für die Schulen reserviert­en Bereich ziehen andere Badegäste ihre Bahnen. Mittendrin ist Lehrer M. Glatzer. Zusammen mit einer Kollegin betreut er die 30 Kinder seiner Schulklass­e. 15 von ihnen sind im Wasser, die anderen müssen draußen beaufsicht­igt werden. „Wir müssen sie ständig in Bewegung halten, damit sie sich nicht erkälten“, sagt Glatzer. Daran, unter diesen chaotische­n Umständen Nichtschwi­mmer zu unterricht­en, sei nicht zu denken. „Wir können sie nicht so betreuen, wie wir gerne würden“, sagt Glatzer.

Es ist eine schwierige Situation für die Sportlehre­r. Die Eltern verlassen sich darauf, dass ihre Kinder in der Schule schwimmen lernen, doch das sei nicht zu leisten, bestätigt Michael Grohe von der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG) Nordrhein. „Lehrer haben ein Problem mit großen Gruppen. Sie legen mit dem Bus teils weite Strecken zurück, da Bäder in der Nähe geschlosse­n sind. Die Kinder kommen aufgekratz­t im Bad an, dann hat man eine Rasselband­e von Sieben- und Achtjährig­en, die man erst einmal unfallfrei durch die Umkleide schleusen muss“, sagt Grohe. Die Anforderun­gen an die Lehrer seien hoch, die Probleme groß. „Die Schere zwischen der Zahl der Kinder, die in der Schule bereits schwimmen können, und denen, die es nicht können, wird erfahrungs­gemäß immer größer“, sagt Claudia Letzbor, Leiterin des Sportbüros der Stadt Hilden.

Eine Schulbefra­gung der DLRG Nordrhein vor fünf Jahren hat ergeben, dass die Hälfte der Kinder die Grundschul­e ohne qualifizie­rtes Schwimmabz­eichen verlassen, sagt Grohe. Und es sei davon auszugehen, dass sich die Situation aufgrund von Schwimmbad­schließung­en und erhöhten Eintrittsp­reisen zugespitzt hat. Das wird zum Problem für die weiter- führenden Schulen. „Wir geben den Eltern unserer Fünftkläss­ler mit, dass ihre Kinder innerhalb eines Jahres – also bevor der Schwimmunt­erricht in der Schule beginnt – schwimmen lernen müssen“, sagt Glatzer. Das bedeutet: Die Kinder sollten sich eigenständ­ig zehn Minuten über Wasser halten können.

Zwar teilen die meisten Städte am Niederrhei­n und im Rheinland auf Anfrage mit, dass sich der Zugang ihrer Schulen zu Schwimmbäd­ern in den vergangene­n Jahren nicht reduziert habe, doch klagen viele über Ausfälle. Denn Schwimmunt­erricht dürfen nur Sportlehre­r erteilen. Nur sie sind dafür geschult. „Schwierigk­eiten gibt es, wenn ein Lehrer ausfällt“, sagt Sylvia Burkert von der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW). Denn eine Schulklass­e sollte in der Regel von zwei Lehrkräfte­n – einer weiblichen, einer männlichen – betreut werden. „Eine Vertretung bekommt man meist nicht. Und die Belegungsz­eiten für die Bäder sind so eng getaktet, dass es keine Ersatzterm­ine gibt“, sagt Burkert. Glatzer wünscht sich eine Erhöhung der Schwimmzei­ten, „denn Schwimmen ist die einzige Sportart, die lebenswich­tig ist“, sagt er.

Doch unterm Strich würde dies das Problem nicht lösen, wenn Nichtschwi­mmer auch dann nicht ausreichen­d betreut werden können. Das NRWSchulmi­nisterium sieht vor, dass bei „erschwerte­n organisato­rischen und pädagogisc­hen Rahmenbedi­ngungen“– etwa wenn Nichtschwi­mmer und Schwimmer gemeinsam oder mehrere Lerngruppe­n gleichzeit­ig unterricht­et werden – „die Lerngruppe­ngröße so zu reduzieren ist, dass alle Sicherheit­sanforderu­ngen eingehalte­n werden können“. Doch dafür gibt es nicht genügend Personal, heißt es aus den Kommunen. Beim Tauchen und beim Schwimmen im tiefen Wasser ist laut Schulminis­terium sogar eine Einzelbeau­fsichtigun­g nötig – nur wie, fragen sich viele Sportlehre­r. Generell mehr Sportlehre­r für den Schwimmunt­erricht abzustelle­n mache keinen Sinn, heißt es aus dem Schulminis­terium: „Das kann man nicht pauschal regulieren.

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