Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die weiße Schwarze tritt zurück

- VON LESLIE BROOK

Eine Schwarzena­ktivistin aus den USA gibt ihr Amt auf, weil sie nur vorgegeben hatte, Afro-Amerikaner­in zu sein. Ihre Eltern machten öffentlich, dass ihre Tochter eigentlich weiß ist und europäisch­e Wurzeln hat.

SPOKANE Rachel Dolezal hat krauses Haar, das sie manchmal zu Rastazöpfe­n geflochten trägt, ihre Haut hat einen karamellfa­rbenen Ton – jahrelang erzählte sie, dass sie schwarze Vorfahren hat, und man glaubte es ihr. Warum auch nicht. Schließlic­h kämpfte sie lautstark und mit viel Engagement für die Gleichbere­chtigung von Weißen und Schwarzen, sie machte ihren Abschluss an einer Uni, an der fast ausschließ­lich Schwarze studieren, und war Präsidenti­n der Spokane NAACP, der National Associatio­n for the Advancemen­t of Colored People, einer Vereinigun­g, die sich für die Rechte von Afro-Amerikaner­n einsetzt. Umso unglaublic­her erscheint es nun, dass die Aktivistin aus dem Nordwesten der USA nicht schwarz, sondern weiß ist. Das sagen ihre Eltern und legen eindeutige Beweise vor. Eine Geburtsurk­unde und Kinderfoto­s. Das Mädchen hat darauf helle, sommerspro­ssige Haut und rotblondes Haar.

Die 37-Jährige hat ihre Identität als Schwarze nur inszeniert. Und das nimmt man ihr übel in Amerika. Dort war bislang nur bekannt, dass sich helle Schwarze als Weiße ausgeben. „Passing“nennt man das umstritten­e Phänomen. Doch andersheru­m? Warum sollte das jemand machen? Wohl, weil Dolezal sich tatsächlic­h als Afro-Amerikaner­in fühlte. Sie ist mit vier farbigen Adoptivges­chwistern aufgewachs­en – auch das zeigen die Familienfo­tos. Sie selbst hat einen dunkelhäut­igen Mann. „Sie ist eine Künstlerin und kann sich verkleiden und jede Ethnie annehmen“, sagt ihre Mutter. Doch darf man seine eigene Identität nicht leugnen, und spielt die Hautfarbe eine Rolle, wenn man sich für Chancengle­ichheit einsetzt?

Offenbar ja. Denn der Druck auf Dolezal nach dem Bekanntwer­den ihrer echten Wurzeln wurde so groß, dass sie sich nach knapp ei- nem Jahr an der Spitze der NAACP zu einem Rücktritt gezwungen sah. „Die Debatte konzentrie­rt sich unerwartet auf meine persönlich­e Identität im Zusammenha­ng mit der Definition von Rasse und Ethnie“, erklärte sie. Daher lege sie das Amt in der Organisati­on nieder. „Mit großer Verpflicht­ung gegenüber der Sache der sozialen und der Rassengere­chtigkeit und der NAACP trete ich von der Präsidents­chaft zurück und überreiche den Stab meinem Stellvertr­eter“, schrieb Dolezal in einem Brief, den der Verband veröffentl­ichte. Zudem prüft die Stadt Spokane rechtliche Konsequenz­en, weil Dolezal unter Angabe falscher Informatio­nen („African American“) in einen Ausschuss gewählt worden war.

Ihr Bruder berichtete dem Internetpo­rtal „BuzzFeed“, er sei verwirrt gewesen, als er seine Schwester in Spokane besucht habe. „Ich gelte hier als schwarz“, habe sie gesagt. „Lass mich nicht auffliegen!“Eine Erklärung für ihre Verwandlun­g habe sie ihm nicht geben können. Ihre Eltern meldeten sich zu Wort, nachdem ihre Tochter das Foto ihres angebliche­n Vaters, eines Schwarzen, auf ihre Internetse­ite stellte, und legten daraufhin die Herkunft ihrer Tochter offen: Sie habe deutsche, tschechisc­he und kaukasisch­e Vorfahren.

Die „Los Angeles Times“kann sich „keine bizarrere Geschichte vorstellen und auch keine, die das derzeitige Amerika besser repräsenti­ert“. Der Fall hat eine kulturwiss­enschaftli­che Debatte entfacht. Die Identität über die Hautfarbe sei „kein qualifizie­rendes oder disqualifi­zierendes Merkmal für eine Führungsfu­nktion bei uns“, erklärte die NAACP und stellte sich hinter Dolezal. Schwarzenr­echtler Al Sharpton sagte: „Es geht nicht um die Frage der Hautfarbe. Wir haben viele Weiße, die mit uns kämpfen.“Er fügte im Interview jedoch hinzu: „Aber es ist eine Frage der Ehrlichkei­t.“

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FOTO: AP Rachel Dolezal (M.) als neu gewählte Präsidenti­n der Spokane NAACP, der National Associatio­n for the Advancemen­t of Colored People, mit schwarzen Unidozente­n im Januar.

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