Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Frauenfußb­all muss sich nicht rechtferti­gen

- VON GIANNI COSTA

OTTAWA/DÜSSELDORF Wenn es um die Entwicklun­g des deutschen Frauenfußb­alls geht, wird gerne die Geschichte von diesem Kaffeeserv­ice mit Blumenmoti­v erzählt. Als die deutschen Fußballeri­nnen 1989 zum ersten Mal den Titel bei der Europameis­terschaft gewinnen, bekommen sie als Amateure keine Geldprämie ausbezahlt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich dennoch eine besondere Anerkennun­g ausgedacht – er schenkt den Nationalsp­ielerinnen stattdesse­n ein Kaffeeserv­ice von Villeroy & Boch mit blauen, gelben und roten Blümchen drauf, 41 Teile insgesamt.

Die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Sollte die deutsche Auswahl bei der derzeit laufenden Weltmeiste­rschaft in Kanada den Titel holen, würde jede Spielerin die Rekordpräm­ie von 65 000 Euro vom Verband kassieren. Schon jetzt haben die Akteurinne­n im Team von Bundestrai­nerin Silvia Neid mit dem Erreichen des Achtelfina­ls immerhin 10 000 Euro sicher.

Vor allem finanziell hat sich also einiges entwickelt. Doch noch immer ist der Frauenfußb­all in einer absurden Rechtferti­gungsrolle. Im Fernsehen ist oft die Floskel „Werbung für den Frauenfußb­all“zu hören. Ein Satz, der nur sehr selten bei den Männern verwendet wird. Es schwingt immer im Unterton mit, dass sich die Sportart im Besonderen anstrengen muss für ihre Legitimati­on. So, als ob man nach ausreichen­d schlechten Spielen alle Sachen wieder einpacken müsste.

Das ist natürlich schrecklic­her Unfug. Man quält sich ja auch bei einer Männer-WM durch langweilig­e Kicks, ohne das ganze System in Frage zu stellen. Allerdings – Frauenfußb­all muss auch Kritik aushalten können.

Deutschlan­d zählte lange nicht zu den Vorreitern in der Welt. Man nimmt heute Frauenfußb­all als Selbstvers­tändlichke­it war. Doch noch vor 45 Jahren war der Sport hierzuland­e nicht erlaubt. 1955 beschloss der DFB auf seinem Verbandsta­g, Fußballspi­elen mit Damenmanns­chaften zu verbieten. In der damaligen Begründung hieß es, dass „diese Kampfsport­art der Natur des Weibes im Wesentlich­en fremd ist“, dass „im Kampf um den Ball die weibliche Anmut schwindet und Körper und Seele unweigerli­ch Schaden erleiden“und dass das „Zurschaust­ellen des Körpers Schicklich­keit und Anstand verletzt“. Erst seit 1982 gibt es eine Nationalel­f. Gero Bisanz wurde als Bundestrai­ner abgestellt, eine Auf-

Für den Titelgewin­n

bei der WM würde der DFB den Spielerinn­en 65 000 Euro zahlen Die Duisburger­in

Martina VossTeckle­nburg betreut die Schweiz bei der

WM-Premiere

gabe, die er anfangs nur missmutig übernahm. Heute ist Silvia Neid im Amt. Sie stand als Spielerin beim ersten Länderspie­l gegen die Schweiz am 10. November 1982 auf dem Platz.

In Kanada wird derzeit erst die siebte Frauen-WM veranstalt­et. Es sind große Leistungsu­nterschied­e zu sehen zwischen Ländern mit viel (Deutschlan­d) und jenen mit wenig (Elfenbeink­üste) Förderung. Die größte Leistung ist vermutlich, dass in vielen Staaten der Sport ausgeübt werden darf, unabhängig vom sportliche­n Abschneide­n.

Die Schweiz nimmt zum ersten Mal an einer WM teil. Ob sie den Sprung ins Achtelfina­le schafft, war bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe noch nicht entschiede­n. Eine Deutsche ist für die Entwicklun­g bei den Eidgenossi­nnen verantwort­lich. Martina Voss-Tecklenbur­g hat als Vereinstra­inerin mit dem FCR Duisburg den Uefa-Pokal gewonnen. Als der DFB eine Nachfolger­in von Silvia Neid suchte, zählte die 47Jährige nicht mal zum erweiterte­n Kandidaten­kreis. Als Typ zu unbequem, zu schlecht innerhalb des Verbands vernetzt. Stattdesse­n übernimmt die unerfahren­e Steffi Jones ab Herbst 2016 die Aufgabe. Beim DFB hatte man sich erst gar nicht die Mühe gemacht, die geeignetst­e Kandidatin zu suchen. Man entschied sich für den einfachste­n Weg. Diese Herangehen­sweise ist aber keine Frage des Geschlecht­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany