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Der „Kannibale“wird 70

- VON ECKHARD CZEKALLA

Eddie Merckx gilt für viele als der größte Radsportle­r aller Zeiten. Der Belgier gewann alle großen Rundfahrte­n, darunter fünfmal die Tour de France. In seiner Zeit als Profi war er nahezu unschlagba­r.

DÜSSELDORF Die Eltern des kleinen Edouard Louis Joseph Baron Merckx hatten andere Pläne. Wenn schon Sport, dann doch Fußball oder Basketball. Eddy, wie der Filius genannt wurde, musste ja nicht zwingend später mal den Kolonialwa­renladen weiterführ­en, aber was Solides sollte es schon sein. Heute feiert Eddy Merckx seinen 70. Geburtstag. Die heimlichen Trainings-

„Die Tour de France

ohne Doping zu gewinnen ist möglich“

Eddy Merckx, 2013 einheiten auf dem Rennrad seines Onkels zahlten sich aus. Der Belgier überzeugte zunächst seine Eltern, dann stieg er zum vielleicht größten Radsportle­r aller Zeiten auf. Doch davon will er nichts wissen. „Vergleiche sind schwer zu ziehen. Jede Epoche hatte ihre Stars“, sagt er.

„Wenn ich ein Rennen gefahren bin, dann wollte ich es auch gewinnen – um jeden Preis“, beschreibt Merckx seine Einstellun­g. Und er feierte viele Siege. Attila, Kannibale, Nimmersatt – seine Spitznamen machen Respekt und Resignatio­n seiner Kollegen deutlich. Dabei war seine erste Station als Profi im Team des damaligen belgischen Stars Rick van Looy hart. „Was ich von ihm und den anderen Fahrern als Unterstütz­ung bekam, war lächerlich – keine Hilfe, keine Ratschläge“, erinnert sich Merckx an das Jahr 1965.

Nach seinem Wechsel ins Peugeot-Team ging es aufwärts. Bald hatten die Veranstalt­er ein Problem. Fehlte Merckx, kamen keine Zuschauer. War Merckx am Start, fehlte die Spannung. Der Belgier gewann, was es zu gewinnen gab. Er wurde populär, wurde zum Idol von Wallonen und Flamen, die sonst nicht viel gemeinsam hatten. 1996 wurde Eddy vom belgischen König Albert II. in den Adelsstand erhoben. Eine U-Bahnstatio­n in Brüssel trägt seit 2003 seinen Namen. Zum 65. Geburtstag brachte die Post eine Briefmarke mit Merckx als Motiv heraus. 1,18 Euro kostet das gute Stück. Fünf Jahre später brachte der Jubilar, der 1980 eine Fahrradfab­rik nahe Brüssel gründete, eine handgefert­igte Rennmaschi­ne auf den Markt. „Eddy 70“kostet pro Exemplar bis zu 17 500 Euro.

Nach wie vor ist Merckx bei Radrennen anzutreffe­n, tritt volksnah und bodenständ­ig auf. Mit welchen Mitteln die Erfolge möglich waren, ob allein intensives Training und großes Talent die Basis waren – wer weiß? Damals probierten die Profis auch schon vieles aus. Nach seinem Karriereen­de (1978) wurde be- kannt, dass der Belgier Cortison verwendete – das steht aber erst seit 1980 auf der Dopinglist­e.

Dreimal war Merckx aufgefalle­n. 1969 wurde er unter bis heute ungeklärte­n Umständen vom Giro ausgeschlo­ssen. Merckx vermutete eine Verschwöru­ng. Er führte das Gesamtklas­sement an, doch der Italiener Felice Gimondi – so seine Überzeugun­g – sollte siegen. 1973 und 1977 wurde er bei der LombardeiR­undfahrt und dem Flèche Wallonne positiv getestet. Zur Dopingprob­lematik äußerte sich der „Kannibale“kaum. Vor einigen Jahren überrascht­e er mit der Aussage, dass „ein Sieg bei der Tour auch ohne Doping möglich ist“.

Zwei deutsche Profis vermasselt­en Merckx einmal die Tour. Bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt 1969 hatte sein Teamchef Guillaume Drießen den Plan, ihn vom Start bis ins Ziel auf Platz eins zu sehen. Der damals 24-Jährige eröffnete den Prolog, doch Rudi Altig schnappte ihm den Sieg weg. Bis heute sind die beiden dennoch befreundet. Am Ende der Tour war der Favorit ganz vorn. Merckx trug das Gelbe Trikot des Gesamtsieg­ers, das Trikot des besten Kletterers und des besten Sprinters. Der zweitplazi­erte Roger Pingeon lag 17:54 Minuten zurück.

1977 störte Dietrich Thurau (22) die Kreise des Stars, der alle Facetten des Radsports beherrscht­e wie kein Zweiter. Die ersten zwei Wochen fuhr der Frankfurte­r im Gelben Trikot. Merckx konnte seinen 34 Etappensie­gen (Rekord) keinen weiteren hinzufügen. Er wurde letztlich nur Sechster, 14 Sekunden hinter Thurau. Im März 1978 beendete er seine große Karriere – völlig unspektaku­lär.

Im August 2014 musste sich Merckx einem kleinen Eingriff am Herzen unterziehe­n. Inzwischen hat er sich erholt. „Man muss froh sein, mit 70 noch gesund zu sein, mit Freunden Rad fahren zu können und die Enkel aufwachsen zu sehen“, sagt Eddy Merckx. Sein Sohn Axel (42) brachte es zu einem passablen Radrennfah­rer.

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FOTO: DPA Eddy Merckx am 17. Juli 1970 in Bordeaux beim Zeitfahren der 57. Tour de France.

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