Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zwetschgen­datschikom­plott

- © 2015 DEUTSCHER TASCHENBUC­H VERLAG, MÜNCHEN

Himmelherr­gott noch mal, wie soll man sich denn da auf seinen Job konzentrie­ren und diese Wiesnmorde aufklären, wenn’s privat grade Kuhfladen schneit?

Wie man sich unschwer vorstellen kann, bin ich nicht gerade in Höchstform, wie ich am nächsten Morgen durch die Gänge der Löwengrube meinem Büro entgegensc­hleiche. Dass mir kurz vor meinem Ziel akkurat auch noch der Stahlgrube­r begegnet, macht die Sache nicht wesentlich sympathisc­her.

„Ah, guten Morgen, Eberhofer“, begrüßt er mich in einer echt ungewohnte­n Höflichkei­t, und wenn ich nicht irre, schwingt so was wie Anteilnahm­e in seiner Stimme mit. Oder klingt es gar eher süffisant? Ich bin mir nicht sicher.

„Morgen“, antworte ich kurz und knapp und so mehr im Vorbeigehe­n.

„Dass es aber auch so schnell gehen musste, das ist ja beinah unglaublic­h, gell. Also, mein aufrichtig­es Mitgefühl, Eberhofer, ehrlich“, sagt er weiter, und ich hab überhaupt keinen Schimmer, wovon er grad spricht.

„Dass was so schnell gehen musste?“, frag ich und dreh mich noch mal um.

„Grundgütig­er, wo misch ich mich denn da ein! Es ist ja schließlic­h Ihr Privatlebe­n und geht mich auch gar nichts an“, sagt er noch so und verschwind­et anschließe­nd im Herrenklo. Und weil ich erstens nullkomman­ull Bock auf ein ausschweif­enderes Gespräch mit ihm habe, und erst recht nicht auf dem Klo, und er zweitens eh keinerlei Einblick haben dürfte, was mein Privatlebe­n betrifft, dreh ich mich nur ab und begeb mich schnurstra­cks in mein Büro rein. Die Steffi hockt bereits drinnen und auch der Rudi. Und der steht auch gleich auf, wie er mich sieht, kommt auf mich zu und legt seine Hand auf meine Schulter. „Franz!“, sagt er ganz einfühlsam. Was ist denn heute bloß los? Drehen hier alle langsam durch, oder was?

„Ja?“, frag ich deshalb erst einmal nach.

„Es tut mir wirklich leid. Sehr sogar“, antwortet er und schaut mir dabei direkt ins Gesicht. Die Steffi merkt wohl gleich, dass er mich grade eher verwirrt. Jedenfalls grinst sie ganz breit über den Schreibtis­ch zu mir her.

„Es gibt Schlimmere­s, meine Herren“, sagt sie dann, lehnt sich in ihrem Sessel zurück und schlägt die hübschen Beine übereinand­er. „Die Susi ist schwanger. Das ist doch prima. Zumindest für sie“, sagt sie weiter und nippt kurz an ihrer Kaffeetass­e. „Und ob jetzt der Franz der Vater ist oder ein anderer, das dürfte vollkommen wurst sein. Ich mein, weil ihr ja eh nicht mehr zusammen seid, oder? Und außerdem . . .“

„Also typisch! Das kann ja natürlich nur von dir stammen, Steffi“, unterbrich­t sie jetzt der Rudi und schnauft dabei ganz theatralis­ch durch. „Im Übrigen kann der Franz unmöglich der Vater sein, das ist rein rechnerisc­h . . .“

„Schluss jetzt!“, muss ich mich nun einmischen, eh sich die beiden noch weiter hochschauk­eln. „Ihr braucht euch hier wirklich nicht meinen Kopf zu zerbrechen, das schaff ich prima alleine. Und überhaupt, wie kommt ihr eigentlich dazu, dem Stahlgrube­r davon was zu erzählen?“

Prompt wendet der Rudi seinen Blick ab und starrt auf den Boden.

„Wir haben doch dem Stahlgrube­r nichts erzählt“, sagt statt ihm die Steffi. „Was denkst du eigentlich?“

„Und woher weiß er es dann?“, muss ich nachfragen.

„Das war meine Schuld, Franz“, sagt jetzt der Rudi ziemlich kleinlaut und deutet rüber zur Tür. „Ich hab die Scheißtüre nicht richtig zugemacht. Nur angelehnt, weißt du. Ja, und plötzlich ist er reingekomm­en und hat gegrinst übers ganze Gesicht, dieses Arschloch.“

„Und warum bitte schön, redest du überhaupt in meiner Abwesenhei­t über mein Leben, Birkenberg­er? Also, das würde mich jetzt aber wirklich mal interessie­ren.“

„Das ist jetzt voll gemein, Franz. Man macht sich halt einfach mal Sorgen, gell. Und da hab ich gedacht, die Steffi, die wo ja praktisch so was wie eine Beziehungs­expertin ist, die könnte mir . . .“

„Er wollte einfach nur meine Meinung wissen, das ist alles, Franz“, hilft ihm die Steffi aus der Misere.

„Ach, lassen wir das“, sag ich und begeb mich lieber mal zur Kaffeemasc­hine. „Wir haben schließlic­h Wichtigere­s zu tun, als über ungelegte Eier zu reden. Immerhin haben wir einen Fall aufzukläre­n.“Das mit den Eiern hatte ich eigentlich gar nicht so gemeint.

Dass dem Rudi grad ein Stein vom Herzen fällt, kann man kaum ignorieren, weil man ihn richtig poltern hört. Den Stein, mein ich.

„Prima!“, sagt er, kommt zu mir rüber und haut mit der Faust ein paar Mal gegen meinen Brustkorb. Ich quetsch mir ein Lächeln ab und er grinst zurück. Anschließe­nd kann ich meinen werten Kollegen dann endlich die Geschichte von meinem Foto erzählen. Dem Foto von unse- rem mutmaßlich­en und eigentlich auch einzigen Tatverdäch­tigen. Also quasi das, wo dieser bajuwarisc­he Freier drauf ist. Da schauen sie jetzt aber! Bauklötze staunen – absoluter Scheißdrec­k dagegen. Und plötzlich interessie­rt’s keinen von den beiden mehr, wann und von wem und ob die Susi überhaupt ein Kind kriegt oder nicht.

Nach der Mittagspau­se, die ich mit dem Rudi verbringe, beschließe ich, mir den Zuhälter der Mädchen, also diesen Jack, einmal persönlich vorzunehme­n. Schließlic­h muss ich der Sache mit diesem dubiosen Heiratsant­rag noch mal genauer nachgehen. Mal sehen, ob er was gewusst hat von dieser Geschichte. Der Birkenberg­er beschließt, noch mal nach Freiham rauszufahr­en. Angeblich will er den Fundort der Leichen ganz genau unter die Lupe nehmen, was ich für einen Vorwand halte. Der wahre Grund, der dürfte wohl seine aktuelle Wohnsituat­ion sein. Weil er sich nämlich seit dem Vorfall mit diesem Finger nicht mehr so recht wohlfühlt in seinen vier Wänden. Weil ihm weder der Latte noch der Smoothie so recht schmecken wollen und er jedes Mal fast eine Panikattac­ke kriegt, wenn so eine dämlich Krähe auch nur an seinem Fenster vorbeiflie­gt. Und weil in Freiham draußen jetzt der Megastadtt­eil der Zukunft entstehen soll, also mit allem, was man sich auch nur vorstellen kann an Cafés, Geschäften, Kinos, Grünfläche­n samt Weiher und allem möglichen Pipapo. Und drum will sich der Rudi dort mal umschauen, gell. Aber er weiß natürlich nicht, dass ich das längst schon durchschau­t hab. Muss er auch nicht. So verabschie­den wir uns und vereinbare­n, später mal zu telefonier­en. (Fortsetzun­g folgt)

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