Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Brasilien am Rhein
Die Düsseldorfer Symphoniker gaben ein Neujahrskonzert mit lateinamerikanischem Schwerpunkt in der Tonhalle. Unter Leitung von Alexandre Bloch spielte als Gastsolist der venezolanische Trompeter Francisco „Pacho“Flores.
Zu einem musikalischen Transatlantikflug nach Südamerika luden die Düsseldorfer Symphoniker mit ihrem Neujahrskonzert ein. Unter anderem ließen Heitor Villa-Lobos und der Tango-Nuevo-König Astor Piazzolla grüßen. Aus dem amerikanischen Norden steuerte Leonard Bernstein einen Mambo aus der „West Side Story“bei. Der garantierte einen furiosen Schluss des Konzerts. Aber jetzt erst mal von vorn.
Nicht nur musikalisch, sondern durchaus real kam auch der Solist des Vormittags vom südamerikanischen Kontinent, genauer: aus Venezuela. Pacho Flores hat dort die Trompetentöne gelernt, wobei ihm seine fantastische musikalische Karriere nicht in die Wiege gelegt wurde. Aber davon, dass bei ihm ein staatliches Förderungsprogramm auf äußerst fruchtbaren Boden fiel, durfte sich ein begeistertes Publikum in der ausverkauften Tonhalle überzeugen.
Gleich sechs verschiedene Instrumente brachte Flores mit, drei kamen im ersten, drei im zweiten Teil zum Einsatz. Darunter war auch ein Kornett, auf dem er eindrucksvoll Piazzollas „Invierno Porteño“vortrug. Flores beeindruckte in jeder Beziehung. Technisch bis in die höchsten Höhen absolut sicher, verstand er sich auf schnelle Figuren genauso wie auf lange Melodiebögen. Den Ansatz konnte er wahlweise hart und schmetternd oder lyrisch weich modifizieren. Dazu setzte er geschmackvoll ein leichtes, unaufdringliches Vibrato ein. Konditionelle Probleme kannte er nicht, je drei Stücke kamen ohne Zeit zum Verschnaufen hintereinander. Sein Auftritt blieb trotz der hohen Anforderungen immer locker. Natürlich wollte er nicht, wie er scherzhaft anmerkte, nach dem Konzert einige seiner Trompeten verkaufen. Sie waren für unterschiedliche Klangfarben und Tonarten erforderlich.
Durch und durch locker agierte auch Dirigent Alexandre Bloch. Besonders wichtig war ihm ein Stück, bei dem zwar keine Kuh vom Eis zu bringen ist, wohl aber ein Ochse vom Dach. Der stammt aus dem musikalischen Stall des Darius Milhaud, heißt korrekt „Le boeuf sur le toit“und hat eine Menge mit Südamerika zu tun. Der französische Komponist hielt sich von 1916 bis 1918 in Brasilien auf und nutzte die Gelegenheit, brasilianische Folklore kennenzulernen und anschließend zu verarbeiten.
Was in dem Stück stammt nun von brasilianischen Komponisten, was von Milhaud? Den Unterschied erläuterte Bloch anschaulich mit einer Mischung aus Schulfunk und Live-Konzert. Er ließ die brasilianischen Original-Beispiele aus der Tonkonserve einspielen und die Milhaudschen Fassungen vom Orchester. Das zog sich zwar ein bisschen in die Länge, erleichterte aber anschließend sehr das Verständnis des Werkes. Vereinfacht gesagt, stand das Original-Brasilianische für die einschmeichelnden Melodien, die Milhaud-Bearbeitungen für zwar schräge, dabei aber auch sehr originelle Wendungen. Mehrere Tonarten gleichzeitig veränderten die südamerikanischen Vorlagen ganz erheblich.
Unter der engagierten, ebenso lockeren wie konzentrierten Leitung Blochs hatte auch das Orchester offensichtlich viel Freude am Programm, obwohl die Stimmen mit den vielen lateinamerikanischrhythmischen Begleit-Figuren für europäisch sozialisierte Musiker recht ungewohnt waren.
Mit begeistertem Beifall bedankten sich die Zuhörer.