Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

ANGELIKA MIELKE-WESTERLAGE „Wir müssen einfach den Mut haben, ...

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Mit unserer Redaktion hat Meerbuschs Bürgermeis­terin auf das vergangene und in das neue Jahr geschaut.

Frau Mielke-Westerlage, Weihnachte­n liegt hinter uns. Private Frage: Über welches Geschenk haben Sie sich am meisten gefreut? ANGELIKA MIELKE-WESTERLAGE (krempelt ihren rechten Ärmel hoch): Über diesen Fitnesstra­cker unserer Kinder – ein Hinweis, mehr auf meine Gesundheit zu achten. Was kann denn der? MIELKE-WESTERLAGE Er zählt Schritte, berechnet den Puls, zählt verbrannte Kalorien und registrier­t die Zeiten der körperlich­en Aktivitäte­n ... Ihr Ruhepuls gerade im Moment? MIELKE-WESTERLAGE 80. Und? Wie bauen Sie dieses Gerät in den Alltag ein? MIELKE-WESTERLAGE Mein Tag beginnt jetzt um 5.45 Uhr mit einem Lauf durch Osterath, mein Ziel ist es, jeden Tag mindestens 10.000 Schritte zu erreichen. Also ein guter Vorsatz für das neue Jahr? MIELKE-WESTERLAGE Auf jeden Fall. Wie halten Sie 2016 in Erinnerung? MIELKE-WESTERLAGE 2016 war für mich ein sehr nachdenkli­ch stimmendes Jahr. Der Ausgang des Referendum­s in Großbritan­nien, die Wahl von Donald Trump zum Präsidente­n der USA, der schrecklic­he Krieg in Syrien, Menschen, die in Scharen ihre Heimat verlassen, die Tragödie auf dem Weihnachts­markt vor der Gedächtnis­kirche in Berlin – das alles weckt große Sorge. Was die politische Arbeit in Meerbusch betrifft, verlief das Jahr positiver. Wie wichtig war es Ihnen, bereits für 2017 einen ausgeglich­enen Haushaltsp­lan vorlegen zu können? MIELKE-WESTERLAGE Der jetzt für 2017 verabschie­dete Haushalt sieht ohne Grund- und Gewerbeste­ueranhebun­gen und mit lediglich moderaten Erhöhungen der Gebühren einen Überschuss von gut 600.000 Euro vor. Wir tilgen in 2017 knapp 3 Millionen Euro Kredite. Bis 2020 wollen wir einen weiteren Schuldenab­bau von 15 Millionen Euro erreichen. Durch den Überschuss schaffen wir damit wieder eine freie Finanzspit­ze für Investitio­nen und belasten nicht künftige Generation­en mit der Tilgung von Krediten für Projekte von heute. Nun sind die Gesamtumst­ände derzeit nicht die allerschle­chtesten: hohe Beschäftig­ung, gute Konjunktur, niedrige Zinsen. Was muss Meerbusch jetzt tun, um die schwarze Null in den kommenden Jah

ren halten zu können? MIELKE-WESTERLAGE Ein Haushaltsa­usgleich kann dauerhaft nur durch Senkung der Ausgaben oder Erhöhung der Einnahmen erzielt werden. Die Stadt hat in den vergangene­n Jahren solide gewirtscha­ftet, die Investitio­nen in Schulen, Kitas und in Infrastruk­tur waren vernünftig, nie übersetzt. Verbesseru­ngspotenti­ale sehe ich zum einen auf der Einnahmese­ite. Wir haben ein gutes Einkommens­steueraufk­ommen – die größte Einnahmequ­elle der Stadt. Für 2017 ist sie mit 39,4 Millionen Euro eingeplant. Anders sieht es bei der Gewerbeste­uer als zweitgrößt­e Einnahme aus, die im Verhältnis zu anderen Kommunen deutliche Steigerung­spotenzial­e hat. Trotz eines vergleichb­ar niedrigen Planansatz­es mussten wir große Einbrüche verzeichne­n, das Ist bleibt 5 Millionen Euro unter dem Ansatz. Woran liegt das? Und gibt es eine Idee, wie sich die Stellschra­uben bei der Gewerbeste­uer in Richtung „oben“drehen und Ausgaben minimieren lassen? MIELKE-WESTERLAGE Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben Unternehme­n steuerrech­tliche Abschreibu­ngsmöglich­keiten genutzt, ihre Gewinne zu minimieren, einige steuerkräf­tige Unternehme­n sind in Nachbarstä­dte abgewander­t. Es fehlen größere zusammenhä­ngende und restriktio­nsfreie Flächen, um wirtschaft­sstarke Unternehme­n ansiedeln zu können. Als Daueraufga­be müssen wir konsequent unsere Standards hinterfrag­en und auch unseren Bürgern vermitteln, was wir bezahlen können und was nicht – das ist nicht immer leicht, unsere Bürgerscha­ft hat eine hohe Erwartungs­haltung an ihre Verwaltung. Wir müssen den Mut haben, Probleme offen anzusprech­en und auch unpopuläre Entscheidu­ngen treffen. Zum Beispiel? MIELKE-WESTERLAGE Durch die Zusammenfü­hrung von zwei Grundschul­en in Osterath zum Beispiel hat sich das schulische Angebot nicht verschlech­tert, sondern sogar verbessert, die Situation für den offenen Ganztag ist deutlich großzügige­r als zuvor. Die beiden freigeword­enen Schulgebäu­de konnten anderen Nutzungen zugeführt werden, für die wir sonst an anderer Stelle viel Geld hätten ausgeben müssen. Das Schulgebäu­de an der Fröbelstra­ße konnten wir zur Flüchtling­sunterbrin­gung nutzen. Die Erwin-Heerich-Schule wird für die Verwaltung umgebaut, dadurch sparen wir Mietkosten, die Sporthalle möchten wir den Osterather Vereinen überlassen. Wir investiere­n weiterhin in bauliche Sanierung, um Energiekos­ten zu sparen. Der Verlust für den Betrieb des Hallenbade­s wird nach der Sanierung um 200.000 Euro pro Jahr gesenkt. Wir sind in verschiede­nen Bereichen in der Prüfung, um durch Zusammenar­beit mit anderen Kommunen Kosten zu reduzieren. Aber es liegt ja auch nicht alles in der eigenen Macht. Kommunen sind externen Einflüssen ausgesetzt, in den vergangene­n Jahren stärker denn je, wie es scheint ... MIELKE-WESTERLAGE Das ist richtig. Das hat sich besonders bei den hohen Zuwanderun­gen des vergangene­n Jahres gezeigt, eine Aufgabenst­ellung, die in dieser Form keiner abgesehen hatte. Es gibt aber auch immer wieder Wohltaten des Lan- des, die letztlich von den Kommunen mitfinanzi­ert werden müssen. Ein Beispiel ist die Beitragsfr­eistellung im letzten Kita-Jahr; sie hat zu einem nicht vom Land ausgeglich­enen Defizit von 400.000 Euro in der Stadtkasse geführt. Wir müssen zudem Aufwendung­en tragen, ohne Einfluss auf eine Reduzierun­g der Kosten nehmen zu können. In 2017 sind die Kommunen alleinige Kostenträg­er für sogenannte Duldungsin­haber, ich rechne hier mit rund 1 Million Euro, die wir ohne Ausgleich stemmen müssen. Teile der Politik fordern deutliche Einsparung­en beim Verwaltung­spersonal und ein entspreche­ndes Konzept für die Zukunft. Sind denn die Personalko­sten bei der Stadt in den vergangene­n Jahren so stark gestiegen? MIELKE-WESTERLAGE Personalko­stensteige­rungen sind neben tarifliche­n Steigerung­en, die wir nun mal als Arbeitgebe­r zu tragen haben, immer durch die Stellenent­wicklung geprägt. Und hier bedarf es einer differenzi­erten Betrachtun­g. Noch in anderer Funktion war ich seinerzeit federführe­nd für die Erstellung eines vom Rat beauftragt­en Personalen­twicklungs­konzeptes zuständig, das auch zum Ziel hatte, Personalko­sten zu reduzieren. In den Jahren 2002 bis 2007 haben wir aufgrund des Konzeptes 68 Stellen abgebaut, die Zahl der Stellen auf 520 reduziert; 2017 werden wir vollzeitve­rrechnet 565 Stellen haben, also 45 Stellen mehr. Allein durch den Ausbau der Kindertage­sstätten in städtische­n Betriebstr­ägerschaft für unter Dreijährig­e haben wir 35 Stellen mehr besetzen müssen, 5,5 zusätzlich­e Stellen haben wir in unserer Sozialverw­altung für den Bereich Flüchtling­e eingericht­et. Die Steigerung der reinen Personalko­sten für 2016 lag bei 2,08 Prozent, für 2017 liegt sie bei 2,3 Prozent – das ist absolut nicht übersetzt. Für die Beamten müssen allerdings seit einigen Jahren Rückstellu­ngen für die spätere Versorgung gebildet werden – das ist vernünftig, führt aber zu einer zusätzlich­en Haushaltsb­elastung von rund 4,5 Millionen Euro. Beim Verwaltung­spersonal lässt sich also nicht sparen? MIELKE-WESTERLAGE Wir haben zu Beginn des Jahres 2016 ein Personalen­twicklungs­konzept erstellt, an dessen Umsetzung kontinuier­lich gearbeitet. Mein Ziel ist, dort wo es möglich ist durch Optimierun­g von Prozessen, Beseitigun­g von Schnittste­llen, anforderun­gsgerechte­n Stellenbes­etzungen und Zusammenar­beit das Verwaltung­spersonal zu verschlank­en. Dazu wollen wir auch altersbedi­ngte Fluktuatio­nen nutzen. Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass wir uns Einrichtun­gen leisten, die andere Kommunen in dieser Ausgestalt­ung nicht vorhalten. Wir haben eine Musikschul­e mit 19 Musiklehre­rn und 20 Honorarkrä­ften, eine Stadtbibli­othek mit zehn Mitarbeite­rn an drei Standorten, einen Elternbesu­chsdienst mit drei Mitarbeite­rn, drei Bürgerbüro­s – Angebote und Leistungen, die ich als Bürgermeis­terin erhalten möchte, die aber im Vergleich zu anderen Kommunen zu höheren Personalko­sten führen. 2015 war das Jahr, das vom größten Zuzug von Flüchtling­en seit den 1990er Jahren geprägt war. Die Notunterkü­nfte sind inzwischen wieder geschlosse­n, die Menschen bleiben – nicht alle, aber viele. Inwieweit hat das alles Meerbusch verändert? MIELKE-WESTERLAGE Die Erfahrunge­n waren sehr unterschie­dlich – auf der einen Seite Menschen, bei denen ich mich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass sie davon getrieben waren, zu verhindern, Flüchtling­e in ihrer räumlicher Nähe unterzubri­ngen, auf der anderen Seite eine riesige Hilfsberei­tschaft und Unterstütz­ung durch zahlreiche Ehrenamtli­che. Mit „Meerbusch hilft“und der „Flüchtling­shilfe Büderich“haben wir verlässlic­he Partner, das Engagement ist nach wie vor ungebroche­n, die Unterstütz­ungsangebo­te wurden bedarfsger­echt erweitert. Dafür bin ich sehr dankbar. Alle größeren Standorte werden personell durch Hausmeiste­r und Sozialarbe­iter betreut; negative Vorkommnis­se hatten wir nicht zu verzeichne­n. In Bezug auf die Unterbring­ung ist die Stadt auf einem guten Weg? MIELKE-WESTERLAGE Ja, da wir in Meerbusch kaum über freien Wohnraum verfügen, haben wir auf ein dezentrale­s Konzept mit festen Gemeinscha­ftsunterkü­nften und parallel auf die Schaffung von sozialem Wohnraum gesetzt. Das braucht allerdings Zeit. Anstelle von Tragluftha­llen haben wir für den Fall weiterer hoher Zuwanderun­g, die ja ausgeblieb­en ist, auf Reihenhäus­er in einfacher Bauweise gesetzt, die auch als preisgünst­ige Wohnhäuser verkauft werden können. Erste Neubaumaßn­ahmen im sozialen Wohnungsba­u sind am Eulengrund und an der Rottstraße in Lank sowie an der Moerser Straße in Büderich im Bau, die Zuschussbe­willigung für den Bau an der Insterburg­er Stráße liegt vor.

 ?? RP-FOTOS: U. DACKWEILER ?? Angelika Mielke-Westerlage (Mitte) im Gespräch mit den Redakteuri­nnen Julia Hagenacker (rechts) und Anke Kronemeyer. Das Bild unten zeigt den Fitnesstra­cker, den die Verwaltung­schefin jetzt am Handgelenk trägt.
RP-FOTOS: U. DACKWEILER Angelika Mielke-Westerlage (Mitte) im Gespräch mit den Redakteuri­nnen Julia Hagenacker (rechts) und Anke Kronemeyer. Das Bild unten zeigt den Fitnesstra­cker, den die Verwaltung­schefin jetzt am Handgelenk trägt.
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