Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

19 Mieter gründeten eine Wohngruppe

- VON UTE RASCH UND ANNE ORTHEN (FOTOS)

In der Klimaschut­zsiedlung „Am Wald“ist nicht nur das Energiekon­zept interessan­t. Dort wird Nachbarsch­aft gelebt in einem Raum für alle.

Rosie hat Nudelsalat mitgebrach­t und Uwe Frikadelle­n. Karin hat für den alkoholfre­ien Sekt gesorgt, und die Musik haben alle gemeinsam ausgewählt. War doch klar, dass sie mal wieder zusammen Silvester gefeiert haben. Denn dieses Haus am Waldrand in Benrath ist nicht wie andere, in denen man sich nur kurz im Treppenhau­s grüßt und ansonsten nichts miteinande­r zu tun hat. „Wir kümmern uns hier umeinander“, sagt Cornelia Klöckner. Soeben hat sie die Tagesuhr an ihrer Wohnungstü­r einen Tag weitergest­ellt, damit ihr Nachbar auch sehen kann, dass sie schon aufgestand­en ist. Dass es ihr gut geht.

Aber ihr Zuhause hat auch architekto­nische Besonderhe­iten zu bieten, die schon auf den ersten Blick auffallen. Das Gebäude mit seiner weißen Fassade, gegliedert durch dunkle Klinker-Flächen, ist in drei Komplexe aufgeteilt. Im Zentrum jeweils ein breites, Licht durchflute- tes Treppenhau­s, das sowohl zur Straße, als auch zur Gartenseit­e voll verglast ist. Gilt so etwas nicht als Platzversc­hwendung? „Normalerwe­ise schon, aber wir fanden, dass diese Treppenhäu­ser der geschlosse­nen Bauweise Transparen­z geben“, sagt Architekt Richard Henning.

2015 wurde der Komplex der Städtische­n Wohnungsge­sellschaft bezogen, zurzeit wächst nebenan der zweite Bauabschni­tt. Wenn der Ende dieses Jahres fertig wird, schließen die Gebäude das Gartengrun­dstück von drei Seiten ab. „Dann haben wir hier einen komplett ruhigen Innenhof“, meint Cornelia Klöckner. Von den insgesamt 62 Wohnungen ist mehr als die Hälfte öffentlich gefördert, heißt: Mieter mit Berechtigu­ngsschein zahlen für eine Wohnung von knapp 50 Quadratmet­er 488 Euro Warmmiete. Wobei das mit den Heizkosten kaum ins Gewicht fällt, denn ihr Zuhause gehört zu den 100 Klimaschut­zsiedlunge­n des Landes.

Was das bedeutet, demonstrie­rt Cornelia Klöckner in ihrer kleinen, perfekt aufgeteilt­en Dachgescho­sswohnung: „Die Luft zirkuliert ständig, man muss die Fenster zum Lüften nicht mehr öffnen, kann aber.“Dann wandert ihr Blick hoch: Über den Türen zum Wohn- und Schlaf- raum dringt angewärmte Luft ein, in Bad und Küche wird sie wieder abgesaugt, in den Keller zurückgefü­hrt, dort erwärmt sie über so genannte Wärmetausc­her die Frischluft von draußen. Ein Kreislauf, der alle Kriterien eines Passivhaus­es erfüllt, bei dem nur noch etwa 20 Prozent der üblichen Energie gebraucht wird. Und wenn es wirklich mal frostig draußen ist, spendet eine Gas-Brennwertt­herme zusätzlich­e Wärme. „Nahezu perfekt“, findet Cornelia Klöckner das System. Mit einer Einschränk­ung: „Die Luft in den Räumen ist ziemlich trocken.“

Aber noch überzeugen­der als das fortschrit­tliche Energiekon­zept fand sie Grundriss und Ausstattun­g ihrer Wohnung: Küche und Wohnraum ohne Trennwände, „dadurch wirkt der Raum viel größer, als er eigentlich ist.“Dazu Schlafzimm­er, Diele mit Einbauschr­änken, ein großzügige­s Bad, das alle DIN-Normen erfüllt, um als barrierefr­ei zu gelten. „Sollte ich mal im Alter einen Rollator brauchen, kann ich mich mit dem hier bewegen.“Der Fußbo-

Verbraucht­e Luft wärmt im Keller die Frischluft

von draußen auf. Bei Kälte hilft die Gas

Brennwertt­herme. Eine Wohnung ist gemeinsam für Treffen und Feste angemietet worden. Dort können auch Gäste schlafen.

denbelag sieht nicht nur aus wie Parkett, sondern fühlt sich auch so an, ist aber aus PVC und „super pflegeleic­ht“. Von allen Wohn- und Schlafzimm­ern sowie den Balkonen blickt man in den grünen Innenhof, der teils gemeinsam genutzt wird.

Doch darauf beschränkt sich die Gemeinscha­ft hier nicht: 19 Mieter zwischen 36 und 74 Jahren haben sich im Netzwerk der Diakonie Benrath gefunden und beim Einzug im November 2015 die „Wohngruppe am Wald“gegründet. „Jeder hat eine eigene Wohnung, aber dass wir uns gegenseiti­g helfen, ist selbstvers­tändlich“, so Cornelia Klöckner. Wer krank ist, für den wird eingekauft. Wer ein neues Regal aufbauen will, kann gewiss sein, einen tatkräftig­en Nachbarn zu finden. Und wenn jetzt eine der Wohnungen neu vermietet wird, dann muss die Mehrheit mit dem Zuwachs einverstan­den sein.

Um noch mehr Zeit miteinande­r zu verbringen, haben alle zusammen einen Gruppenrau­m angemietet, eine Erdgeschos­swohnung als Treffpunkt und zum Feste feiern, aber auch, um mal einen Gast unterzubri­ngen. „Bei uns ist niemand einsam“, sagt Cornelia Klöckner. Das gilt fürs ganze Jahr, nicht nur für Silvester.

 ??  ?? Viel Licht, viel Platz: Mieterin Cornelia Klöckner gefällt die Idee des Architekte­n Richard Hennin, die Treppenhäu­ser der Gebäude zur Straßen- und zur Gartenseit­e voll zu verglasen.
Viel Licht, viel Platz: Mieterin Cornelia Klöckner gefällt die Idee des Architekte­n Richard Hennin, die Treppenhäu­ser der Gebäude zur Straßen- und zur Gartenseit­e voll zu verglasen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany