Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ethanolkamine – die brennende Gefahr
Die Feuerstellen stehen mittlerweile als Dekoration in vielen Wohnzimmern, Büros und Diskotheken. Doch bei den Geräten kommt es immer wieder zu Verpuffungen. Nun geriet im Düsseldorfer Kö-Bögen ein solcher Kamin in Brand.
LEVERKUSEN/DÜSSELDORF Es war kurz nach halb zwölf, als vorgestern Mittag plötzlich die Alarmsirenen im Kö-Bogen in der Düsseldorfer Innenstadt schrillten. Die Kunden des Kaufhauses Breuninger, das im Kö-Bogen untergebracht ist, mussten schnell das Gebäude verlassen. Im vierten Stock war in einem Büro einer Investmentgesellschaft ein Brand ausgebrochen. Feuer und Rauch breiteten sich aus. Die Sprinkleranlage konnte verhindern, dass das Feuer auf andere Etagen übergriff. Die Feuerwehr löschte schließlich den Brand, der, wie sich herausstellte, durch einen Ethanolkamin ausgelöst wurde. Der Schaden wird auf mindestens 100.000 Euro geschätzt.
Nicht nur in Büros und Diskotheken, sondern auch in immer mehr Wohnzimmern sind solche Ethanolkamine mittlerweile zu finden. Lagerfeueridylle ganz ohne Asche und Gestank, lautet das Versprechen der Hersteller. Günstig in der Anschaffung, einfach im Aufbau sollen die dekorativen Feuerstellen sein. Doch leider sind diese auch brandgefährlich, warnen Experten. Die mit dem flüssigen Brennstoff Ethanol betriebenen Geräte können vor allem beim Nachfüllen leicht in Brand geraten. „Bei Ethanol handelt es sich um einen Brennstoff, der offen stehend bei Temperaturen über 21 Grad Celsius zusammen mit Luft ein leicht entzündliches, sogar explosionsfähiges Gemisch bildet“, erklärt ein Feuerwehrsprecher.
Die Unfälle häufen sich – zum Teil mit schwerwiegenden Folgen. So kam es zum Beispiel vor Kurzem in Leverkusen nach Angaben der Polizei durch falsche Handhabung eines Ethanolkamins zu einer Verpuffung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses. Die Explosion war so groß, dass sie ein metergroßes Loch in die Hauswand riss. Verletzt wurde niemand. Ein Bewohner aus Krefeld hatte weniger Glück. Dort kam es im November beim Anzünden der Deko-Feuerstelle zur Verpuffung des Ethanol-Luftgemisches. Die Person erlitt schwere Verbrennungen und musste in eine Spezialklinik für Schwerbrandverletzte transportiert werden. Im Kreis Mettmann explodierte vor einem Jahr ein Ethanol betriebener Tischkamin in einem Partykeller. Drei Männer hatten diesen unsachgemäß bedient und erlitten Verbrennungen. Sechs weitere Personen bekamen eine Rauchvergiftung.
Meist passieren die Unfälle beim Nachfüllen der Feuerstellen. Ethanol ist ein hochprozentiger, leicht entzündbarer Alkohol, der auch als Brandbeschleuniger eingesetzt wird. „Gießt man das Material ein, während im Kamin noch eine Flamme brennt, kann es zu einer Verpuffung kommen“, sagt Frank Ehlert vom Tüv Rheinland. Problematisch seien daher Ethanolkamine, deren Brennwanne mit Watte ausgekleidet ist. „In der Watte können sich noch kleine Flämmchen verbergen, die von außen nicht mehr sichtbar sind“, ergänzt Ehlert. Doch selbst wenn die Flammen schon erloschen sind, der Kamin aber noch heiß ist, ist das Nachfüllen von Ethanol gefährlich. Auf dem heißen Stein oder Metall verdampft der Alkohol schlagartig und reichert sich in der Raumluft als explosives Gemisch an. Dann genügt schon ein Funke, um das Gemisch zu entzünden.
Hans Lemke
Allein im Zentrum für Schwerbrandverletzte an der Unfallklinik in Dortmund wurden in den vergangenen vier Jahren zehn schwer verletzte Patienten nach Verpuffungen in Ethanolkaminen behandelt. Zwei von ihnen starben. „Wenn das Ethanol in geschlossener Umgebung zündet, gibt es oft eine Explosion und eine riesige Druckwelle. Die Personen werden dann möglicherweise wegkatapultiert oder stehen in einer Feuerwalze“, sagt der Leitende Oberarzt Hans Lemke. Dabei wird Ethanol bis zu 400 Grad heiß. „Das kann bis zu Verbrennungen vierten Grades führen“, ergänzt der Mediziner. Das ist der höchste Verbrennungsgrad, wobei die komplette Haut bis zum Fettgewebe zerstört und auch die Nerven, Muskulatur und schlimmstenfalls die Knochen beschädigt werden. „Durch die eingeatmete Hitze werden zudem die Schleimhäute zerstört. Atmen die Opfer auch noch Rußpartikel ein, sieht die Lunge aus wie ein Kohleofen“, sagt Lemke.
Einige der freigesetzten Substanzen sind giftig und krebserregend, zum Beispiel Formaldehyd, Benzol und Kohlenmonoxid. „Zum Heizen eignen sich die Ethanolkamine also nicht“, so Ehlert. „Außerdem ist es wichtig, das Zimmer regelmäßig zu lüften, da das Ethanol nicht rückstandsfrei verbrennt.“
Laut Christiane Böttcher-Tiedemann von Stiftung Warentest besteht selbst bei einem sorgsamen Umgang mit den Ethanolkaminen ein Restrisiko. Zwar legen die neue Prüfnorm 16647 oder die alte DIN Norm 4738 Sicherheitsstandards bei der Konstruktion sowie ausführliche Warnhinweise auf der Verpackung fest. „Ethanolkamine können aber auch ungeprüft auf den Markt gebracht werden. Verpflichtende und überwachte Sicherheitsregeln für diese Geräte gibt es nicht“, sagt Böttcher-Tiedemann. Ehlert bestätigt, dass es bei schlecht verarbeiteten Geräten vorkomme, dass die Brennstoffbehälter nicht ganz dicht sind und die Geräte leicht kippen. Problematisch können auch Modelle sein, die an der Wand befestigt werden müssen, weil die Tapete durch die Wärmeentwicklung Feuer fangen kann.
In Onlineangeboten, warnt Stiftung Warentest, fehlten meist fast alle Sicherheitsangaben. Die Experten raten daher, Ethanolkamine nur im Fachgeschäft zu kaufen und sich diese vorführen zu lassen. „Man sollte auf jeden Fall eine Löschdecke oder einen Schaumfeuerlöscher in der Nähe des Kamins haben“, so der Feuerwehrsprecher.
Warum der Ethanolkamin im Düsseldorfer Kö-Center Feuer fing, ist noch nicht geklärt. Nach Angaben des Besitzers sei die Feuerstelle jedoch „durch einen Fachbetrieb eingebaut, geprüft und freigegeben worden“.
„Atmen die Opfer auch noch Rußpartikel ein, sieht die Lunge aus wie
ein Kohleofen“
Zentrum für Schwerverletzte