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Das sind die großen Tarifkonfl­ikte 2017

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Bei der Auseinande­rsetzung um höhere Löhne ist in diesem Jahr vor allem der Dienstleis­tungssekto­r an der Reihe.

DÜSSELDORF Das vergangene Jahr war reich an hitzigen Tarifausei­nandersetz­ungen, etwa bei Bund und Kommunen, in der Metall- und Elektroind­ustrie, der Chemiebran­che und im Lufthansa-Konzern. Unterm Strich hat sich dieser Konflikt nach Berechnung­en des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für die Tarifbesch­äftigten bezahlt gemacht: Auch dank der niedrigen Inflation konnten sie sich über um zwei Prozent höhere Bruttolöhn­e freuen. Wir geben einen Überblick über die anstehende­n beziehungs­weise bereits schwelende­n Konflikte: Einzelhand­el Verdi-Chef Frank Bsirske hat die im Frühjahr anstehende Runde schon als die wohl größte Herausford­erung für 2017 bezeichnet. Damit könnte er recht behalten. Denn bei den Verhandlun­gen dürfte es einmal mehr um eine neue Entgeltord­nung für den Einzelhand­el gehen. Die Tarifvertr­äge sind heillos veraltet, enthalten in einigen Bundesländ­ern noch Regelungen für die Kaltmamsel­l oder den Flakhelfer. Nicht mehr zeitgemäß, sagen die Arbeitgebe­r.

Doch um die Entgeltord­nung zu ändern, müssen die Manteltari­fverträge gekündigt werden – und da befürchten die Gewerkscha­ften weitere Einschnitt­e durch die Hintertür. Ein erster Reformanla­uf scheiterte 2013. Nach Ansicht des IW-Tarifexper­ten Hagen Lesch macht es Sinn, eine neue Entgeltord­nung erst festzuzurr­en und anschließe­nd über ein Lohnplus zu verhandeln, denn so könnten die finanziell­en Auswir- kungen der Neueingrup­pierung berücksich­tigt werden. „Dadurch wird eine solche Runde aber deutlich komplexer und damit länger.“ Öffentlich­er Dienst Bund und Kommunen waren im vergangene­n Jahr an der Reihe (Ergebnis: zweistufig­e Erhöhung um 2,4 und 2,45 Prozent), in diesem Jahr steht die Gehaltsrun­de für die Länder an. Die Gewerkscha­ften haben bereits eine Forderung von sechs Prozent mehr Lohn aufgestell­t. Verhandlun­gsauftakt ist der 18. Januar. Bei den Ländern sind die Gewerkscha­ften deutlich weni- ger schlagkräf­tig als bei den Kommunen. Ob nun in der Finanzverw­altung die Arbeit ruht, interessie­rt den Bürger weniger, als wenn die Kitas schließen und der Müll liegen bleibt. Dass Verdi und Co. im öffentlich­en Dienst auf Warnstreik­s verzichten, glaubt Hagen Lesch indes nicht: „Die mobilisier­en allein schon aus Mitglieder­pflege.“Zudem hält er die Sechs-Prozent-Forderung für äußerst ambitionie­rt. „Verdi scheint höher abschließe­n zu wollen als im Durchschni­tt. Man argumentie­rt offenbar wieder mit einem Nachholbed­arf. Das schraubt die Erwartunge­n der Mitglieder hoch und macht die Verhandlun­gen nicht unbedingt einfacher.“ Industrie Die großen Branchen, Metall- und Elektroind­ustrie sowie die chemische Industrie, haben oftmals Leuchtturm­charakter für ein Tarifjahr. Allerdings haben die beiden wichtigste­n Industriez­weige im vergangene­n Jahr Abschlüsse mit längerer Laufzeit gemacht. „Deren Vorreiterr­olle fehlt nun in der aktuellen Tarifrunde“, sagt Lesch. Der bedeutsams­te Industriez­weig dürfte in diesem Jahr wohl die Stahlbran- che sein. Doch angesichts der angespannt­en Situation durch den Dumpingsta­hl aus China, der drohenden Verschärfu­ngen beim CO2Zertifi­katehandel und möglicher Konsolidie­rungen sind von dort keine großen Sprünge zu erwarten. Bahn Die Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) hat noch auf den letzten Metern des vergangene­n Jahres eine Einigung mit der Bahn hinbekomme­n. Noch dazu eine, bei der die Mitglieder wählen konnten, ob sie einen Teil des Ergebnisse­s lieber in Form zusätzlich­er Urlaubstag­e oder kürzerer Wochenarbe­itszeit erhalten wollen. Ungelöst ist der Streit mit der Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL). „Mindestens zwei von drei Schlichtun­gen sind erfolgreic­h – das lässt für den Tarifkonfl­ikt bei der Deutschen Bahn hoffen; zumal die beiden Schlichter schon einmal erfolgreic­h bewiesen haben, dass sie es können“, so Lesch. Ab dem 11. Januar sollen Thüringens Regierungs­chef Bodo Ramelow (Linke) und der SPD-Politiker Matthias Platzeck den Erfolg wiederhole­n. Luftfahrt Eine Schlichtun­g könnte auch in der Dauerfehde zwischen der Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit und der Lufthansa zum Ziel führen. „Unberechen­barer ist hingegen der schwelende­n Konflikt bei der Eurowings“, sagt Lesch. Zwar hat die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi dort einen Tarifvertr­ag erzielt. „Allerdings strebt auch die konkurrier­ende Ufo einen Abschluss an – am Ende könnte dies zu einem Lackmustes­t für die Tarifeinhe­it werden“, so der Experte.

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FOTO: DPA Mitglieder der Unabhängig­en Flugbeglei­ter-Organisati­on während eines Streiks.

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