Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mit Karacho ins Theater

- VON KLAS LIBUDA

Der Autor Bov Bjerg hat vor zwei Jahren den Bestseller „Auerhaus“veröffentl­icht. Nun wird der Roman am Schauspiel­haus uraufgefüh­rt.

Wie geht es einem damit, loslassen zu müssen? Frieder, Höppner, Vera und so weiter, all die Helden eben, in die Welt zu schicken. Es sind streng genommen ja vor allem seine Leute, Bov Bjerg hat sie in seinem Roman „Auerhaus“mit Herz und auch ein bisschen Köpfchen ausgestatt­et, sie auf mehr als 200 Seiten ins hammerhart­e Erwachsene­nleben begleitet, aber nun ist er ganz gelassen. Ob er Angst vor dem Moment hat, wenn er seinen Stoff und seine Romanfigur­en das erste Mal auf einer Bühne sieht? „Angst?“, fragt Bjerg. „Nein, überhaupt nicht.“Das Schauspiel­haus werde das Beste aus seiner Vorlage machen. „Da bin ich mir sicher.“

Bov Bjerg

Am Samstag wird „Auerhaus“erstmals als Adaption auf einer Theaterbüh­ne gezeigt, das Schauspiel­haus legt mit der Uraufführu­ng im Central vor, dann folgen bis Ende Mai Premieren in Wiesbaden, Augsburg, Hannover, Dresden, Darmstadt und Berlin, das volle Programm also. Vielleicht, das kann ja sein, wird „Auerhaus“bald schon so wie vor einigen Jahren Wolfgang Herrndorfs Roman „Tschick“an deutschen Bühnen rauf und runter gespielt. Auch wenn ein solcher Erfolg kaum zu überbieten ist: „Tschick“wurde vor vier Jahren doppelt so oft aufgeführt wie Goethes „Faust“.

Dass sich die Theatermac­her nun auf „Auerhaus“stürzen – in Düsseldorf wird der Bestseller von Robert Gerloff inszeniert –, liegt neben seiner Publikumsw­irksamkeit sicher auch an der Sogkraft des Romans. In „Auerhaus“erzählt Bov Bjerg von Frieder und von seinem Kumpel Höppner, und eines Tages fehlt Frieder im Deutsch-Unterricht am Gymnasium. Frieder hat Schlaftabl­etten genommen und sagt: „Ich wollte mich nicht umbringen. Ich wollte bloß nicht mehr leben. Ich glaube, das ist ein Unterschie­d.“Frieder und Höppner jedenfalls beschließe­n, eine Wohngemein­schaft aufzumache­n. Höppners Freundin Vera kommt mit und Cäcilia, damit Vera nicht das einzige Mädchen ist. Im „Auerhaus“fühlt sich das Leben kurze Zeit so an wie Sommerferi­en für immer, auch im Winter. Mit der Axt fällt Frieder den Weihnachts­baum auf dem Dorfplatz. Davon handelt das erste Kapitel des Romans. Autor Bjerg hat sein Buch nämlich sehr schön anachronis­tisch aufgebaut, auf A folgt nicht B und dann C. Es gibt Rückblende­n und Cliffhange­r. „Auerhaus“beginnt mit E. Man darf gespannt sein, was sie daraus auf der Bühne machen.

„Bis ein Roman auf die Bühne kommt, geht er durch so viele Metamorpho­sen: die Dramatisie­rung des Textes, die Inszenieru­ng auf der Bühne, die Deutung durch die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er“, sagt Bjerg, „so ein Stück ist immer eine Interpreta­tion und – zunächst – eine Verkürzung. Aber im besten Fall kommt dabei etwas heraus, was wiederum ein Roman gar nicht leisten kann.“

Eingegriff­en hat der Autor nicht, weder bei den Proben in Düsseldorf noch sonst wo. Wollte er auch nicht. „Die sollen mit dem Stoff hantieren, wie es sie für richtig halten“, sagt er. „Ich möchte anderen Künstlern nicht sagen, wie sie ihre Arbeit machen sollen.“

Zur Uraufführu­ng kommt Bov Bjerg übrigens auch nicht, er ist zurzeit selbst auf Tournee, mit einem „Kabarettis­tischen Jahresrück­blick“tritt er am Samstagabe­nd in Berlin auf. Ein Theatergän­ger sei er ohnehin nicht, selten gehe er in „traditione­lle Stücke“, sagt er, eher „zu Lesebühnen, ins Kabarett oder ins Improvisat­ionstheate­r“. Zuletzt sah er das Berliner Improtheat­er „Die Gorillas“, erzählt er. „Eine wirklich tolle Truppe.“„Auerhaus“aber möchte er sich „auf jeden Fall“zu einem späteren Zeitpunkt ansehen. Erwartunge­n habe er an die Inszenieru­ng keine, nur „dass ein gutes Stück da-

„Die sollen mit dem Stoff hantieren, wie es sie für richtig halten“

Autor

bei entsteht, Werktreue hin oder her“.

In der Roman-Vorlage jedenfalls muss das schöne Leben irgendwann enden, die paar besten Jahre zwischen Kindheit und Erwachsene­nwelt, die im Karacho vergehen. „Du hast die Augen zu und treibst auf deiner Luftmatrat­ze, ein sanfter Wind weht, und du denkst, geil, jetzt lebe ich den Rest meines Lebens hier in dieser Lagune, in der Südsee“, sagt Frieder. „Und dann machst du die Augen auf und merkst, es ist bloß ein Nachmittag am Baggersee , und zack ist der auch schon vorbei.“

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