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NRW fehlen Plätze für Abschiebehaft
Nach Einschätzung der Polizei und der Opposition im Landtag wird der Bedarf aber in wenigen Monaten dramatisch steigen.
DÜSSELDORF Für in Gewahrsam genommene ausreisepflichtige Flüchtlinge gibt es in NRW zu wenige Unterbringungsplätze. „Das Land muss seine Kapazitäten für die Abschiebehaft um mehrere Tausend Plätze ausbauen. Die vorhandenen Kapazitäten werden bald zu dramatischen Engpässen führen“, warnt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, gegenüber unserer Redaktion. Aktuell kann NRW lediglich rund 100 Ausländer in Abschiebehaft nehmen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat ebenfalls gefordert, dass die Länder ausreichend Plätze für die Abschiebehaft zur Verfügung stellen müssten. Wie groß der Bedarf ist, wollte das Ministerium nicht sagen. Aber eine Sprecherin verweist auf ein drängendes Problem, das sich aus den knappen Kapazitäten ergibt: „Die Behörden der Länder beantragen keine Haftbefehle, wenn sie wissen, dass keine ausreichenden Haftplätze vorhanden sind.“
Nach Auskunft des Düsseldorfer Innenministeriums betreibt NRW derzeit nur eine einzige sogenannte Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (Ufa) in Büren. Für Frauen stehen im Zuge einer Verwaltungsvereinbarung weitere fünf Plätze in Rheinland-Pfalz zur Verfügung. „Diese Kapazitäten sind auskömmlich“, so ein Ministeriumssprecher. Zur Belegungsquote macht das Ministerium keine Angaben; Insider berichten von durchschnittlich 60 Prozent.
Nach Einschätzung von Plickert und der Opposition im Landtag wird der Bedarf aber in wenigen Monaten dramatisch steigen. Zum einen wird allgemein mit der baldigen Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer gerechnet. Laut Plickert bedeutet das: „Dann fällt die Duldung weg, und die Personen aus diesen Staaten fallen unter das Verfahren zur beschleunigten Abschiebung.“Weil gerade bei abschiebepflichtigen Nordafrikanern häufig damit zu rechnen ist, dass sie sich per Flucht der Abschiebung entziehen wollen, rechnet Plickert dann mit „einer massenhaften Ingewahrsamnahme von Nordafrikanern in Abschiebehaft“.
Laut Ausländerzentralregister lebten im August 2016 in NRW 45.436 geduldete Flüchtlinge. Mehr als 2000 davon kamen aus den MaghrebStaaten. Diese Flüchtlinge haben keinen Anspruch auf Asyl, werden aber geduldet. Käme die Hälfte davon in Abschiebehaft, bräuchte NRW das Zehnfache der heutigen Haft-Kapazitäten.
Plickert verweist zudem auf einen Erlass des NRW-Innenministers vom Dezember 2016. Dort schreibt Ralf Jäger (SPD) vor, dass Asylbewerber oder geduldete Flüchtlinge, die nicht mehr auffindbar sind, künftig unmittelbar zur Fahndung ausge- schrieben werden sollen. Der Erlass ist offenbar auch eine Reaktion auf den Fall Anis Amri: Der Berliner Attentäter war, nachdem er mit diversen Behörden in Kontakt gestanden hatte, für die zuständige Ausländerbehörde in Kleve plötzlich nicht mehr auffindbar. Plickert: „Das Er-
Sprecherin des Bundesinnenministeriums gebnis dieser Fahndungen wird sein, dass sich der Bedarf an Abschiebehaft-Plätzen nochmals erhöht.“
Laut NRW-Innenministerium sind die Kapazitäten in Büren erweiterbar. Das früher als normales Gefängnis genutzte Gebäude hatte in der Spitze rund 500 Haftplätze – aber auch die wären nach Plickerts Prognosen längst nicht ausreichend. „Die unzureichenden Haftkapazitäten zeigen, dass NRW gar nicht gewillt ist, das Thema Abschiebungen konsequent anzupacken“, sagt der innenpolitische Experte der FDP im Landtag, Marc Lürbke. Ähnlich äußert sich sein CDU-Fachkollege Gregor Golland.
NRW steht mit dem Problem nicht alleine da. Nach Recherchen unserer Redaktion hat Hessen gar keine eigenen Abschiebehaftplätze und greift ausschließlich auf Kapazitäten in Rheinland-Pfalz und NRW zurück. Auch Bayern hält nur 82 Abschiebehaftplätze vor. Baden-Württemberg hat 36 Haftplätze, die zurzeit auf bis zu 80 ausgebaut werden. NRW hat also vergleichsweise viele Plätze, braucht aber auch deutlich mehr, weil hier die meisten nordafrikanischen Flüchtlinge leben.
Das deutsche Aufenthaltsgesetz sieht verschiedene Möglichkeiten für eine Abschiebehaft als letztes Mittel vor. Auf richterliche Anord- nung kann ein Ausländer für maximal sechs Wochen inhaftiert werden, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann (Vorbereitungshaft). Die gängige Form der Abschiebehaft ist die Sicherungshaft. Demnach kann ein ausreisepflichtiger Ausländer auf richterliche Anordnung für bis zu sechs Monate inhaftiert werden. Eine der dafür nötigen Voraussetzungen ist, dass er sich der Abschiebung bereits entzogen hat oder sich ihr durch Flucht entziehen will. Die Sicherungshaft kann in Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert, indem er etwa seine Identität verschleiert, um weitere zwölf Monate verlängert werden, so dass insgesamt 18 Monate Abschiebehaft möglich sind. Eine Sicherungshaft ist allerdings unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der betreffende Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb von drei Monaten vollzogen werden kann.
„Die Behörden beantragen keine Haftbefehle, wenn sie wissen, dass nicht genug Haftplätze
vorhanden sind“