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Obamacare vor dem Aus
WASHINGTON Es ist die erste große politische Schlacht der Ära Trump: Die Republikaner wollen Obamacare, die 2010 beschlossene Gesundheitsreform, im Schnellverfahren rückgängig machen. Die Opposition wirft ihnen vor, allein aus ideologischem Eifer zu handeln, ohne praktische Alternativen anzubieten.
Die Einschnitte ins Gesundheitssystem würden Amerika nicht wieder groß machen, wie es Trump versprochen habe, protestierte Chuck Schumer, im Senat der neue Fraktionschef der Demokraten. Stattdessen würden sie Amerika wieder krank machen. Bereits am Mittwoch war Barack Obama in den Kongress gekommen, um seine Partei einzustimmen auf das bevorstehende Ringen. Der scheidende Präsident, berichteten Teilnehmer der Runde, macht. „Die Partei hat eine neue Religion Brexit“, urteilte die Publizistin Jenni Russell, „und eine neue Prophetin May.“Die Premierministerin wird daher nicht müde, „Brexit bedeutet Brexit“zu psalmodieren und jeden abzuwatschen, der ein Wort des Einwands hätte. Es gilt die neue Orthodoxie, dass der Volkswille nicht hintertrieben werden darf.
Die Spaltung reicht bis in die Spitzenzirkel der Diplomatie. So trat der britische Botschafter bei der EU, Sir Ivan Rogers, am Dienstag überraschend zurück. Eigentlich sollte er im Brexit-Verfahren eine entscheidende Rolle spielen. Britische Medien berichteten über Differenzen zwischen Rogers und Kabinettsmitgliedern wie Handelsminister Liam Fox und BrexitMinister David Davis. Rogers, der eindringlich vor den Gefahren eines EUAustritts gewarnt hatte, war ihnen zu vorbelastet. Selbst den Beamten wird jetzt Brexit-Begeisterung verordnet.
Wo bleibt in dieser Situation die Opposition? Das Mutterland der parlamentarischen Demokratie sieht sich einer Phase der fundamentalen Umwälzung gegenüber, aber das Parlament scheint seltsam impotent. Die eigentliche Opposition, spotten manche, sei nicht die Labour-Partei, sondern der Finanzmarkt, wenn der wieder einmal mit einem Kurssturz beim Pfund auf Signale der Regierung reagiert, einen harten Brexit ansteuern zu habe die Abgeordneten angefeuert, den Kampf anzunehmen.
Es ändert nichts daran, dass die Demokraten praktisch chancenlos in die Auseinandersetzung gehen. Ab dem 20. Januar, wenn Trump seinen Amtseid ablegt, kontrollieren die Republikaner sowohl die Exekutive als auch die Legislative, wobei sie in beiden Kammern des Parlaments eine komfortable Mehrheit stellen. Ihrem Angriff auf den „Affordable Care Act“(ACA), wie das Reformwerk offiziell heißt, steht nicht viel im Weg. In sechs Monaten, stecken die Strategen der „Grand Old Party“eine Zielmarke ab, soll Obamas wichtigstes innenpolitische Projekt Geschichte sein. Im Senat haben die Republikaner die ersten Weichen bereits gestellt: Kassiert werden soll die Novelle durch den Routineakt eines Haushaltsgesetzes; schon eine einfache Mehrheit reicht dafür.
Deutlich schwieriger dürfte die Suche nach Alternativen werden. Im Wahlkampf hatte Trump versprochen, Obamacare durch etwas „Wunderbares“zu ersetzen. Nach dem, was er bislang in groben Umrissen skizzierte, sollen die Versicherungskonzerne in einen härteren Wettbewerb treten, damit Quasi-Monopole fallen und die vom wollen. Seit dem Referendum hat das Pfund gegenüber dem Euro gut zehn Prozent seines Wertes verloren.
Das Problem ist: Labour ist schwach. Der Parteivorsitzende Jeremy Corbyn, der offizielle „Führer der Opposition“, wird seinem Job nicht gerecht. Er kann die 231 Abgeordneten seiner Fraktion nicht hinter sich vereinen. Das liegt zum einen daran, dass der 69-Jährige im Unterhaus keine glückliche Figur macht und im politischen Tagesgeschäft ein ungeschickter Taktierer ist. Schwerer ins Gewicht fällt allerdings, dass sich nur wenige seiner Kollegen mit den politischen Positionen des Altlinken anfreunden können. Auch beim Thema Brexit ist die Partei gespalten. Während einige Labour-Abgeordnete den Exit vom Brexit fordern, ist die offizielle Parteiposition, dass das Referendumsergebnis respektiert werden muss, man allerdings einen weichen Brexit, sprich: den Verbleib im Binnenmarkt, ansteuere.
Da haben es die Liberaldemokraten leichter, sich als die Partei der „Remainers“, der 48 Prozent Europafreunde, anzubieten. Der Liberalen-Chef Tim Farron tritt ausdrücklich für ein zweites Referendum ein, um den Briten die Chance zu geben, ihre Entscheidung rückgängig zu machen. Die Libdems haben kürzlich in Richmond bei London in einer Nachwahl zum Unterhaus triumphieren und den Sitz von den Konservativen gewinnen können. „Wir wollen keinen harten Brexit“, erklärte die Siegerin Sarah Olney: „Wir wollen den Binnenmarkt nicht verlassen, und wir werden Intoleranz, Spaltung und Angst nicht gewinnen lassen.“
Die Liberalen haben zwar eine klare Botschaft, aber ihr Problem ist: Die gesamte Fraktion würde in ein Großraumtaxi passen. Die mittlerweile neun Abgeordneten der Libdems kön-
Im US-Kongress beginnt das Ringen um die Gesundheitsreform. Die Demokraten haben wenig Chancen.
Kunden zu zahlenden Prämien sinken. Tatsächlich hat der Ärger über exorbitante Preissteigerungen dazu beigetragen, etliche Wähler ins Trump-Lager wechseln zu lassen.
Ohne den dämpfenden Effekt von ACA, glauben zahlreiche Experten, wären die Gesundheitskosten allerdings noch mehr ausgeufert. Dank der Novelle sind rund 20 Millionen Amerikaner krankenversichert, die zuvor im Falle einer schweren Erkrankung in den Ruin zu rutschen drohten. Wer an einer der OnlineBörsen eine Police kauft, bekommt – je nach Einkommen – Subventionen vom Staat, ohne die eine solche Police für viele unerschwinglich wäre. Trump scheint die staatlichen Zuwendungen entweder ganz zu streichen oder aber drastisch zu kürzen und die Steueraufschläge abschaffen zu wollen, aber auch da mangelt es noch an Details.