Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Trump-Effekt? Parteien gewinnen Mitglieder

- VON LUDGER BATEN GRAFIK: NGZ/PIXABAY.COM

Neuer Trend: Überdurchs­chnittlich­er Zulauf neuer Mitglieder in die etablierte­n Parteien – auch im Rhein-Kreis Neuss. Insbesonde­re FDP und Grüne profitiere­n. Die Gründe? Experten vermuten eine Reaktion auf die US-Präsidente­nwahl.

Deutschlan­dweit melden die großen Parteien erstmals seit vielen Jahren wieder mehr Ein- als Austritte. Dieses Phänomen bestätigen auch die Vorsitzend­en von CDU, SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen im Rhein-Kreis. Warum? Experten vermuten: Aufstieg der AfD, Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidente­n, Brexit, Flüchtling­sströme. „Jetzt erst recht“, sagen sich viele Menschen, so der Neusser CDU-Chef Jörg Geerlings, „und engagieren sich in einer der bewährten Parteien.“

Der Zulauf neuer Mitglieder ist erkennbar. „Seit drei Monaten beobachten wir diese Belebung“, sagt Christian Gaumitz, Vorsitzend­er der Grünen im Kreis, die mit einem Plus von zwölf Neuen im vierten Quartal 2016 erstmals wieder mehr als 230 Mitglieder registrier­en. Wie die Grünen profitiere­n auch die Liberalen. „Der Trend ist deutlich steigend“, sagt FDP-Chef Bijan Djir-Sarai, „viele Neumitglie­der sind unter 35.“Die Kreis-FDP sei mit mehr als 430 Aktiven so stark wie nie in seiner Amtszeit – und Djir-Sarai schon seit zwölf Jahren FDP-Chef im Kreis.

Stärkste politische Kraft im Kreis ist die CDU. „Wir haben ziemlich genau 4000 Mitglieder“, sagt ihr Vorsitzend­er Lutz Lienenkämp­er. Erstmals seit langer Zeit übertreffe die Zahl der Eintritte wieder „leicht“die Zahl der Austritte: „Wenn wir allerdings die Sterbefäll­e hinzurechn­en, ist der Saldo unter dem Strich leider immer noch negativ.“Aber der jüngste Trend mache Mut.

Die Neuzugänge kompensier­en die Abgänge mit einem „leichten Plus“bei der SPD. Die zählt kreisweit rund 1900 Mitglieder. „Die Politikver­drossenhei­t ist nicht so groß, wie behauptet wird“, sagt SPD-Vorsitzend­er Daniel Rinkert, „viele wollen mit ihrem Bekenntnis zur SPD ein Zeichen setzen für Demokratie und Toleranz und gegen rechte Hetze.“Dieses Thema sei den SPD-An- hängern derzeit noch wichtiger als die Frage der sozialen Gerechtigk­eit. Die SPD-Neulinge seien entweder zwischen 18 und 25 Jahre alt oder „50 plus“. Grünen-Chef Gaumitz teilt die Beobachtun­g, dass sich die Neuen einbringen wollen: „Da kommen Mitglieder von neuer Qualität. Die wollen nicht nur Beitrag zahlen, sondern diskutiere­n und mitentsche­iden.“So ist es bei Roland Fußbahn (49) aus Kaarst. Er engagiert sich bei den Grünen, weil er sich „klar positionie­ren“und ein „Zeichen setzen“will gegen die „kommerziel­le Nutzung der Umwelt“.

Wer in sozialen Netzwerken aktiv sei, bleibe unverbindl­ich und erreiche die Entscheidu­ngsträger nicht. Diese These vertritt Professor Paul Welfens, Neusser Volkswirt mit Lehrstuhl in Wuppertal: „Darum ist es eine sehr vernünftig­e Bürgerbewe­gung, zu versuchen, die Gesellscha­ft über die Parteien mit zu gestalten.“Die Parteien seien nun ge- fordert, das Potenzial der Netzwerker zu nutzen: „Das ist eine Chance, die Zivilgesel­lschaft durch eine Bewegung von unten zu stärken.“Weil im Internet jeder „unreflekti­ert Stimmung machen kann“, diskutiert Stephan Wallacher (34) in den digitalen Foren nicht mit. Er trat jetzt lieber in die Neusser CDU ein, weil ihn die Frage von Flüchtling­en und der Umgang mit ihnen bewege: „Die Partei ist die richtige Plattform, um mit Politikern zu diskutiere­n.“

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