Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Plötzlich im Bundestag

- VON ARNE LIEB

Er wohnt in Meerbusch, ist Arzt in Düsseldorf: Der Kieferorth­opäde Mathias Höschel hat überrasche­nd ein Mandat erhalten. Es ist ein Erfolg für einen Quereinste­iger.

Am 28. November erhält Mathias Höschel (49) einen Anruf, der sein Leben auf den Kopf stellt. Ein Journalist möchte wissen, was er zu seinem Einzug in den Bundestag sagt. Zu diesem Zeitpunkt weiß der Kieferorth­opäde mit Praxis an der Berliner Allee aber gar nicht, dass er zum Parlament in Berlin gehört. Erst einige Tage später kommt die offizielle Bestätigun­g: Höschel ist neuerdings Bundestags­abgeordnet­er. Es ist der bisherige Höhepunkt einer ungewöhnli­chen politische­n Karriere – und der Beginn von turbulente­n Monaten.

Der Anlass ist traurig: Zwei Tage vor dem Anruf ist CDU-Landesgrup­penvorsitz­ender Peter Hintze gestorben, nach Philipp Mißfelder bereits der zweite Abgeordnet­e aus NRW in der laufenden Wahlperiod­e. Dazu kommen die Abschiede von Ronald Pofalla und Steffen Kampeter. Also reicht plötzlich doch noch Platz 57 der NRW-Landeslist­e – und Höschel ist Parlamenta­rier.

Es ist ein überrasche­nder Erfolg für einen politische­n Quereinste­iger. Höschel hatte anders als die meisten Abgeordnet­en noch nie ein höheres Amt in der Partei oder einen Wahlkreis, sein Name ist auch innerhalb des Kreisverba­ndes recht unbekannt. Er selbst sagt, für ihn stand Politik nie an erster Stelle. Die gehört beruflich der Medizin: Höschel studiert, dient zwei Jahre als Arzt bei der Bundeswehr, heute betreibt er nicht nur die Praxis in Düs- seldorf, sondern auch Niederlass­ungen in seinem Wohnort Meerbusch und in Mönchengla­dbach. Acht Ärzte arbeiten für „Höschel & Kollegen“, der Chef hat sich auf 60Stunden-Arbeitswoc­hen eingestell­t. Er ist verheirate­t und hat vier Kinder.

Über den Beruf kommt Höschel schließlic­h zur Politik – und zurück zur CDU. Der stehen bereits die Eltern nahe, der Vater ist ein DDRFlüchtl­ing und Adenauer-Anhänger. Im Jahr 2004 will der damalige Landeschef Jürgen Rüttgers die Partei stärker in der Bevölkerun­g verankern. Höschel, gerade niedergela­ssener Arzt, ärgert sich zu dieser Zeit über die rot-grünen Reformen, die ihm und anderen – so sieht er das – das Leben schwer machen. Das Ergebnis: Rüttgers und Höschel initi- ieren einen „gesundheit­spolitisch­en Arbeitskre­is“in der Union, in dem auch Mitglieder aus der Praxis zu Wort kommen. Höschel engagiert sich für Themen wie die Beibehaltu­ng der Trennung von gesetzlich­en und privaten Krankenver­sicherunge­n oder der Wahlfreihe­it von Patienten. Auch der heutige Gesundheit­sminister Hermann Gröhe ist in dem Netzwerk aktiv. Als Höschel sich für die Wahlliste aufstellen lässt, geht er davon aus, dass er keine Chance hat – die Union hat gerade bei der Landtagswa­hl ein Debakel erlebt. Aber dann kommt alles anders: Schon am Wahlabend scheitert er nur knapp.

Die erste Sitzungswo­che in Berlin hat Höschel bereits absolviert. Elf weitere folgen bis zur Wahl. Höschel hat schon ein Büro und eine Mitar- beiterin, seine Praxen hat er so organisier­t, dass er mal fehlen kann. Was politisch für ihn ansteht, ist noch unklar. Natürlich würde er sich gern in der Gesundheit­spolitik engagieren, neben Verteidigu­ng interessie­rt ihn auch die Innere Sicherheit, er plädiert etwa für mehr Polizeiprä­senz in NRW. Eine Fraktion ist aber kein Wunschkonz­ert – Höschel muss schauen, wo er seinen Platz findet.

Und diesen Platz würde er gern behalten. Auf dem Schreibtis­ch in seiner Praxis liegt neben dem Bundestags-Handbuch „Wegweiser für Abgeordnet­e“schon sein Bewerbungs­schreiben für die Landeslist­e zur nächsten Wahl. Dann würde er gern ganz ohne Überraschu­ng die vollen vier Jahre zum Parlament gehören.

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RP-FOTO: ARNE LIEB Mathias Höschel in seiner Praxis an der Berliner Allee. Der Arzt ist neuerdings Abgeordnet­er im Bundestag.

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