Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

CDU und CSU riskieren die Scheidung

- VON EVA QUADBECK

Der Streit um die Obergrenze für Flüchtling­e zwischen CDU und CSU bleibt im Wahlkampf erhalten. Bei möglichen Koalitions­verhandlun­gen im Herbst könnte er zur existenzie­llen Bedrohung für den Zusammenha­lt der Union werden.

PERL/BERLIN In Klausursit­zungen stellen die Parteien die Weichen fürs Jahr. CDU und CSU stellten ihre Weichen für 2017 so, dass im Streit um die Obergrenze für Flüchtling­e weiter zwei Züge aufeinande­r zurasen. „Wir haben einen Dissens“, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel zum Abschluss der Klausur des CDU-Vorstands im saarländis­chen Perl. Sie betonte: „Ein solcher Dissens führt nicht dazu, dass man nicht gemeinsam Wahlkampf führen kann.“Doch ob dieser Dissens auch in die Fortführun­g der Fraktionsg­emeinschaf­t von CDU und CSU und in eine mögliche neue Koalition eingepfleg­t werden kann, ist offen. Für Anfang Februar war ein Versöhnung­streffen der Schwesterp­arteien in München geplant. Die CSU stellt dieses in Frage. Die Kanzlerin betonte am Wochenende, dass es sich nicht um ein Versöhnung­streffen, sondern um ein „Zukunftstr­effen“handele.

Zur Geschichte der Bundesrepu­blik gehört es, dass es in Deutschlan­d Konservati­ve preußische­r und bayerische­r Prägung gibt, die CDU und die CSU. Bislang haben die beiden Parteien trotz aller Mentalität­sunterschi­ede im Dienste der Machterhal­tung immer zusammenge­halten. Doch nun ist das Unmögliche möglich geworden: 2017 könnte die Fraktionsg­emeinschaf­t der Union der Geschichte angehören. Ein solches Szenario hat für viele Abgeordnet­e in Berlin seinen Schrecken verloren. Im Gegenteil: Es gibt auch eine Reihe von Politikern in der CDU, die klammheiml­ich hoffen, dass man die CSU los wird.

Das Modell der Union ist immer wieder Belastungs­proben ausgesetzt. Im Streit um die Obergrenze für Flüchtling­e ist es nun ins Wanken geraten. Es zeichnet sich ab, dass CDU und CSU mit diametral entgegenge- setzten Aussagen dazu in den Wahlkampf ziehen werden. Schaden wird der Union dieser existenzie­lle Streit nicht – vorerst.

Im Wahlkampf können die verteilten Rollen der Union sogar noch einmal nützlich sein. Die Wähler nehmen wahr: Merkel hat ihre Flüchtling­spolitik korrigiert, ist sich im Kern aber treu geblieben. Die CSU wiederum erfüllt die sich selbst auferlegte Rolle, auch den politisch rechten Rand als ihr Revier zu verteidige­n.

Bei den Koalitions­verhandlun­gen im Herbst 2017 könnte aber die Scheidung ins Haus stehen. Die CSU steht dann nur wenige Monate vor ihrer Landtagswa­hl. Ohne Gesichtsve­rlust wird sie nicht von der Zusage abrücken können, dass sie nur in eine Koalition eintritt, die eine Obergrenze gesetzlich festlegen will. Weder CDU noch SPD werden dies mitmachen, die Grünen schon gar nicht.

Den aktuellen Umfragen zufolge wird die CDU auch ohne die Stimmen der CSU die Mehrheitsf­raktion im Bundestag bilden. Daraus ergibt sich für die CDU der Anspruch, dass sie weiterhin die Kanzlerin stellen kann. Darauf wird sie nicht verzichten, nur weil die CSU eine Koalition ohne Obergrenze verweigert.

Da ein Kompromiss in dieser Frage ohne Gesichtsve­rlust für die CDU oder die CSU kaum denkbar ist, könnte es nach der Bundestags­wahl zu einer Trennung von CDU und CSU als Fraktionsg­emeinschaf­t kommen.

Die Folge: Die CDU wird sich in Bayern ausdehnen müssen. Diese Variante wird bei den Christdemo­kraten auch schon mehr oder weniger offen diskutiert. „Wenn die Attacken weitergehe­n, empfehle ich, in München eine Immobilie zu kaufen“, sagte Volker Bouffier, Hessens Ministerpr­äsident und bekennende­r Anhänger von Schwarz-Grün bereits im September in einer Präsidiums­sitzung der CDU.

Die CSU wiederum wäre im Fall einer Trennung gezwungen bundesweit anzutreten, wenn sie überleben will. Die Position der Christdemo­kra- ten wäre allerdings komfortabl­er – schon allein, weil sie außer in Bayern bereits eine bundesweit­e Organisati­onsstruktu­r besitzt.

Rechnerisc­h könnten CDU und SPD vermutlich eine Regierung bilden. Falls dies nicht reichen sollte, wäre es möglich die Grünen oder die FDP in ein solches Bündnis zu integriere­n. Es wäre eine Regierung der Mitte: Man hätte wieder eine Koalition, die sich nicht mehr „groß“nennen könnte, aber dennoch eine breite Mehrheit im Volk vertritt. Opposition gäbe es von links und von rechts.

Ohne die Union als Union würde sich die politische Landschaft im Land auf Dauer erheblich verändern. Für die Stabilität der Demokratie wäre die Trennung der Unionspart­eien allerdings keine Gefahr. Der Verdienst der CSU ist es, dass sie Bayern auch in Krisenzeit­en politisch stabil und wirtschaft­lich stark gehalten hat. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Existenz einer Regionalpa­rtei mit diesem erhebliche­n bundespoli­tischen Einfluss in einer globalisie­rten Welt weiter in ihrer Bedeutung bestehen kann. Der Ball liegt im Feld der CSU, dies zu entscheide­n.

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FOTOS: DPA CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) könnten schon bald getrennte Wege gehen. Zu groß scheinen inzwischen die Mentalität­sunterschi­ede der Schwesterp­arteien.

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