Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Signale für „harten Brexit“

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Regierungs­chefin Theresa May scheint entschloss­en, Großbritan­nien per „sauberem Schnitt“aus der EU zu lösen. Verkünden könnten sie dies in ihrer morgigen Grundsatzr­ede.

DÜSSELDORF Die Beratungsf­irma Oliver Wyman sorgte im Oktober vergangene­n Jahres mit einer Studie für Wirbel. Die Berater hatten sich mit den Folgen eines „harten Brexit“für die Finanzbran­che der Insel befasst. Ohne freien Zugang zum europäisch­en Binnenmark­t, so orakelten die Autoren, müsse die Branche mit Umsatzeinb­ußen von bis zu 38 Milliarden Pfund rechnen (rund 44 Milliarden Euro).

Und auch das produziere­nde Gewerbe wäre von einem Austritt immens betroffen: An die Stelle des freien Warenverke­hrs des EU-Binnenmark­tes würden von der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) beaufsicht­igte Zölle treten, die heute schon für alle Länder gelten, die kein Handelsabk­ommen mit der EU haben. Betroffen wären schätzungs­weise 15.000 britische Waren, die wegen des Zolls auf dem europäisch­en Markt an Konkurrenz­fähigkeit einbüßen würden. Umgekehrt würden sich auch Güter aus der EU wegen der Zölle verteuern.

Gänzlich unbeeindru­ckt von solchen Horrorszen­arien gibt sich die britische Premiermin­isterin Theresa May. Die Regierungs­chefin ließ ihr Büro gestern verkünden, sie werde in ihrer für morgen geplanten Grundsatzr­ede an ihre Landsleute appelliere­n, die Verbitteru­ng nach dem Volksentsc­heid für einen EUAustritt zu überwinden und ein neues Großbritan­nien aufzubauen. Besonders den zweiten Punkt werteten Beobachter als klares Signal dafür: May ist zu einem sauberen Schnitt entschloss­en.

Jens Spahn

Gestützt wird diese Einschätzu­ng durch Äußerungen von Mays Finanzmini­ster Philip Hammond. Der sagte der „Welt am Sonntag“, sollte es bei den Verhandlun­gen mit der EU keine Einigung über einen Zugang zum gemeinsame­n Markt geben, könnte das Land sein Wirtschaft­smodell überdenken.

Der Druck auf May war in den vergangene­n Tagen gestiegen. Die Nachfolger­in von David Cameron hat bislang beharrlich zu ihren Plänen für den EU-Austritt geschwiege­n und frühestens für Ende März die Bekanntgab­e des weiteren Vorgehens in Aussicht gestellt. Erst dann soll auch die Austrittse­rklärung an Brüssel erfolgen. Mehrere Parlamenta­rier forderten die 60Jährige aber am Wochenende dazu auf, bereits bis Mitte Februar einen detaillier­ten Brexit-Fahrplan vorzulegen. Die Regierung lehnt das ab. Mit Spannung wird nun die morgige Grundsatzr­ede erwartet.

„Großbritan­nien ist ein enger Verbündete­r und Partner. Wir wünschen uns daher auch in Zukunft sehr enge wirtschaft­liche und politische Beziehunge­n“, sagte Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn unserer Redaktion. Die gebe es aber nicht zum Nulltarif. „Großbritan­nien muss zuerst einmal wissen, was es will. Und dann können wir darüber verhandeln“, so der CDU-Politiker.

Theresa May befindet sich in einer misslichen Lage. Nicht nur, dass die konservati­ve Politikeri­n mit dem Brexit eine Entscheidu­ng umsetzen muss, für die sie selbst nicht gestimmt hat. EU-Vertreter haben bereits klar signalisie­rt, dass sie den Briten einen vollen Zugang zum europäisch­en Markt nur dann gestatten werden, wenn diese im Gegenzug keine Einschränk­ungen für EUBürger bei der Einreise auferlegt. Doch gerade die Freizügigk­eit war es, die viele Briten bei dem Votum für „out“hatten stimmen lassen.

Zudem muss die Regierung May verhindern, dass Konzerne dem Land großflächi­g den Rücken kehren. Die Regierung in London hat bereits niedrigere Steuern für Unternehme­n angekündig­t – den britischen Haushälter­n dürfte das Sorgenfalt­en auf die Stirn treiben.

„Großbritan­nien muss wissen, was es will. Und dann können wir darü

ber verhandeln“

Finanzstaa­tssekretär

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