Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Signale für „harten Brexit“
Regierungschefin Theresa May scheint entschlossen, Großbritannien per „sauberem Schnitt“aus der EU zu lösen. Verkünden könnten sie dies in ihrer morgigen Grundsatzrede.
DÜSSELDORF Die Beratungsfirma Oliver Wyman sorgte im Oktober vergangenen Jahres mit einer Studie für Wirbel. Die Berater hatten sich mit den Folgen eines „harten Brexit“für die Finanzbranche der Insel befasst. Ohne freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt, so orakelten die Autoren, müsse die Branche mit Umsatzeinbußen von bis zu 38 Milliarden Pfund rechnen (rund 44 Milliarden Euro).
Und auch das produzierende Gewerbe wäre von einem Austritt immens betroffen: An die Stelle des freien Warenverkehrs des EU-Binnenmarktes würden von der Welthandelsorganisation (WTO) beaufsichtigte Zölle treten, die heute schon für alle Länder gelten, die kein Handelsabkommen mit der EU haben. Betroffen wären schätzungsweise 15.000 britische Waren, die wegen des Zolls auf dem europäischen Markt an Konkurrenzfähigkeit einbüßen würden. Umgekehrt würden sich auch Güter aus der EU wegen der Zölle verteuern.
Gänzlich unbeeindruckt von solchen Horrorszenarien gibt sich die britische Premierministerin Theresa May. Die Regierungschefin ließ ihr Büro gestern verkünden, sie werde in ihrer für morgen geplanten Grundsatzrede an ihre Landsleute appellieren, die Verbitterung nach dem Volksentscheid für einen EUAustritt zu überwinden und ein neues Großbritannien aufzubauen. Besonders den zweiten Punkt werteten Beobachter als klares Signal dafür: May ist zu einem sauberen Schnitt entschlossen.
Jens Spahn
Gestützt wird diese Einschätzung durch Äußerungen von Mays Finanzminister Philip Hammond. Der sagte der „Welt am Sonntag“, sollte es bei den Verhandlungen mit der EU keine Einigung über einen Zugang zum gemeinsamen Markt geben, könnte das Land sein Wirtschaftsmodell überdenken.
Der Druck auf May war in den vergangenen Tagen gestiegen. Die Nachfolgerin von David Cameron hat bislang beharrlich zu ihren Plänen für den EU-Austritt geschwiegen und frühestens für Ende März die Bekanntgabe des weiteren Vorgehens in Aussicht gestellt. Erst dann soll auch die Austrittserklärung an Brüssel erfolgen. Mehrere Parlamentarier forderten die 60Jährige aber am Wochenende dazu auf, bereits bis Mitte Februar einen detaillierten Brexit-Fahrplan vorzulegen. Die Regierung lehnt das ab. Mit Spannung wird nun die morgige Grundsatzrede erwartet.
„Großbritannien ist ein enger Verbündeter und Partner. Wir wünschen uns daher auch in Zukunft sehr enge wirtschaftliche und politische Beziehungen“, sagte Finanzstaatssekretär Jens Spahn unserer Redaktion. Die gebe es aber nicht zum Nulltarif. „Großbritannien muss zuerst einmal wissen, was es will. Und dann können wir darüber verhandeln“, so der CDU-Politiker.
Theresa May befindet sich in einer misslichen Lage. Nicht nur, dass die konservative Politikerin mit dem Brexit eine Entscheidung umsetzen muss, für die sie selbst nicht gestimmt hat. EU-Vertreter haben bereits klar signalisiert, dass sie den Briten einen vollen Zugang zum europäischen Markt nur dann gestatten werden, wenn diese im Gegenzug keine Einschränkungen für EUBürger bei der Einreise auferlegt. Doch gerade die Freizügigkeit war es, die viele Briten bei dem Votum für „out“hatten stimmen lassen.
Zudem muss die Regierung May verhindern, dass Konzerne dem Land großflächig den Rücken kehren. Die Regierung in London hat bereits niedrigere Steuern für Unternehmen angekündigt – den britischen Haushältern dürfte das Sorgenfalten auf die Stirn treiben.
„Großbritannien muss wissen, was es will. Und dann können wir darü
ber verhandeln“
Finanzstaatssekretär