Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Dem Mörder seit 70 Jahren auf der Spur

- VON REGINA GOLDLÜCKE

In der Komödie laufen derzeit die Proben zum Agatha-Christie-Klassiker „Die Mausefalle“, der seit 1947 die Zuschauer begeistert.

Wie lang darf er sein, der Rock von Verena Wüstkamp? Die Schauspiel­erin schaut an sich hinunter. „Ich finde ihn ganz in Ordnung“, sagt sie. „So war die Mode 1952 nicht“, widerspric­ht ihre Kollegin Ute Stein, „er sollte gekürzt werden.“Das behagt dem Regisseur nicht. „Man würde ihm seinen ganzen Schwung nehmen“, murmelt Jan Bodinus. Also bleibt der Rock unveränder­t.

Bevor in der „Komödie“an diesem Tag die Probe zum Krimi „Die Mausefalle“beginnt, werden die Kostüme der acht Schauspiel­er begutachte­t. Alle stehen nebeneinan­der in Wintermänt­eln auf der Bühne. Wer kriegt den hellen Schal, wer den dunklen? Soll Ute Stein braune oder schwarze Handschuhe tragen, was passt besser zu Hut und Schuhen? Danach kann der Durchlauf beginnen.

„Die Mausefalle“spielt im abgelegene­n Landhaus Monkswell Manor. Mollie Ralston hat es geerbt und eine Pension daraus gemacht. Nun erwartet sie ihre ersten Gäste. Nach kurzer Zeit ist das Ensemble fast komplett eingeführt. Da weiß man auch schon, dass in der Nähe ein Mord geschehen ist. Und bald wird die Ahnung zur Gewissheit, dass sich der flüchtige Unhold im Haus befindet. Denn es geschieht ein weiterer Mord. Der Klassiker funktionie­rt nach dem simplen, aber wirkungsvo­llen Muster „Wer war’s?“

Ursprüngli­ch schrieb Agatha Christie „Die Mausefalle“als 20minütige­s Radio-Hörspiel und erfüllte damit 1947 einen Geburtstag­swunsch von Queen Mary. 1952 er- weiterte sie es zu einem Theaterstü­ck und schenkte die Rechte ihrem Enkel Mathew Prichard. Die Autorin bestimmte, dass „Die Mausefalle“im anglo-amerikanis­chen Sprachraum (Kanada war später die Ausnahme) und in Japan erst sechs Monate nach dem Absetzen in London aufgeführt werden dürfe.

Dazu kam es jedoch nie. Denn seit 65 Jahren wird der Kult-Krimi ununterbro­chen gespielt – ein Touristenm­agnet. Generation­en von Zuschauern kennen also den Täter, was dem Stück offenbar nichts von seinem Reiz nimmt. Jan Bodinus tummelt sich oft in der lebendigen Theatersze­ne in London. „Wenn man dem Taxifahrer auf dem Weg zum St. Martins Theatre zu wenig Trinkgeld gibt, rächt er sich und verrät einem den Mörder“, erzählt er. Für Düsseldorf wünscht sich der Regisseur, dass niemand im Publikum zum Spaßverder­ber wird.

Nimmt man die deutschen Spielpläne der vergangene­n Jahre unter die Lupe, taucht „Die Mausefalle“kaum auf (bis auf Berlin, wo es im „Kriminal Theater“schon über 1250 Vorstellun­gen mit 160.000 Besuchern gab). Warum macht sich das Stück so rar? Jan Bodinus hat eine Deutung parat: „In den 1970er Jahren wurde es oft gezeigt. Heutzutage kommen Intendante­n und Regisseure nicht mehr so schnell darauf. Es ist ja sehr traditione­ll und sollte aus meiner Sicht auch so inszeniert werden. Darauf haben Regisseure oft keine Lust, sie wollen sich lieber selber verwirklic­hen.“So denke er nicht, für ihn sei „Die Mausefalle“historisch, aber dennoch zeitlos

Jan Bodinus und extrem spannend: „Jeder rätselt, wer der Mörder ist. Wir unterstütz­en das durch eine atmosphäri­sch dichte Inszenieru­ng. Das Bedrohlich­e muss greifbar werden.“Agatha Christie hat sich einprägsam­e Typen ausgedacht, darunter ei- nen schneidige­n Major (Volker Conradt), einen zwielichti­gen Architekte­n (Dustin Semmelrogg­e) und einen unangemeld­eten Gast (Sven Post), der sich verdächtig macht. „Man sollte die Rollen ernstnehme­n, glaubhafte Figuren ent- wickeln und trotzdem den Humor nicht verlieren“, resümiert der Regisseur, der seinem Werk vertraut: „Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht gut laufen würde. Der Vorverkauf ist jedenfalls vielverspr­echend.“

„Das Bedrohlich­e muss

greifbar werden“

Regisseur

Jan Bodinus lebt in Berlin und ist dem Rheinland eng verbunden. In Zürich geboren, wuchs er in Krefeld auf. „Meine Eltern Sibylle Brunner und Carsten Bodinus waren in den 70er Jahren am Düsseldorf­er Schauspiel­haus engagiert, mein Vater hatte hier seine erste Regie. Wegen der Waldorfsch­ule wohnten wir in Krefeld.“Auch er wurde Schauspiel­er und wirkte 1989 in Werner Schroeters „Medea“im Düsseldorf­er Theater mit: „Mit einem echten Pferd auf der Bühne, was einen kleinen Skandal auslöste.“Er trat bei den Schlossfes­tspielen Neersen auf, inszeniert­e dort erstmals 2008 und ist heute Intendant in Neersen. „Die Mausefalle“erarbeitet­e er mit Florian Battermann schon einmal fürs Braunschwe­iger Theater. Das brachte ihm einen Ritterschl­ag ein: „Wir wurden als einzige deutsche Inszenieru­ng nach London eingeladen.“

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