Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Winterkorn profitiert von schwachem Verhör
Ein Vorstandsvorsitzender des wichtigsten deutschen Unternehmens mit mehr als einer halben Million Beschäftigten weiß um seine Macht. Martin Winterkorn hatte zu seiner Zeit als VW-Chef kaum etwas von Bundestagsabgeordneten zu befürchten. Und diese bittere Feststellung gilt offensichtlich heute noch – wohlgemerkt nach dem Auffliegen des größten Skandals in der Konzerngeschichte, nach Winterkorns glanzlosem Abgang wenige Tage später, nach etlichen Untersuchungen und Schuldzuweisungen.
Der Auftritt des heutigen Ruheständlers vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages jedenfalls dürfte ganz nach Winterkorns Geschmack verlaufen sein. Er konnte die – alles andere als glaubwürdige – Botschaft platzieren, im Vorfeld nichts von den Manipulationen bei den Abgaswerten der Dieselfahrzeuge gewusst zu haben. Und immer wenn es kritisch wurde, durfte er unter Berufung auf ein laufendes Verfahren der Staatsanwaltschaft die Aussage verweigern. Zudem half es Winterkorn, dass die Abgeordneten bei ihren Fragen ins Straucheln gerieten, sich als Laien in Technikfragen darstellten, ihm schlicht kaum gewachsen waren. Ein schwaches Verhör und eine vertane Chance für mehr Aufklärung. BERICHT EX-VW-CHEF: HABE NICHTS . . ., TITELSEITE
Kanonen auf Spatzen?
Wenn die NRW-Steuerfahndung mit dem Kauf der Steuer-CDs gegen Schwarzgeldkonten in der Schweiz vorgeht, ist das gut. Ebenso ist es vernünftig, wenn Steuerermittler und EU versuchen, massenhaften Betrug mit falschen Abrechnungen von Mehrwertsteuer zu stoppen. Natürlich kann der Staat nicht hinnehmen, wenn beim Handel mit Gebrauchtwagen und anderen Waren viele Milliarden Euro hinterzogen werden.
Auch wenn die Staatsanwaltschaft nun überprüft, ob Bauern am Niederrhein über ihre Erzeugergemeinschaft einige Millionen Euro an ungerechtfertigtem Steuervorteil kassiert haben, ist das verständlich. Falls sich herausstellt, dass sie viele Tiere in Wahrheit selbst vermarktet haben, muss auch der korrekte Steuersatz abgerechnet werden. Trotzdem bleiben Fragezeichen: Bei 72 Landwirten die Büros zu durchsuchen, ist schon ein heftiger Eingriff. Hinzu kommt, dass die Vermarktungsfirma keineswegs eine reine Briefkastenfirma zum Steuertricksen war. Dies bedeutet: Der Fiskus sollte nachsichtig mit den Bauern umgehen, falls sich Fehler herausstellen. BERICHT STEUERRAZZIA BEI SCHWEINEBAUERN, TITELSEITE
Risiko Flüchtlingspolitik
Die jüngsten Zahlen zu Familiennachzug und Flüchtlingszustrom zeigen, dass die Krise jederzeit wiederaufleben kann. Denn an den Ursachen der Flucht hat sich so wenig geändert wie an den löchrigen Strukturen Europas. Deshalb warnt die Kanzlerin, dass die Freizügigkeit nur bleiben kann, wenn Europa gemeinsame Antworten zur Migrations-Herausforderung findet.
Es steht viel auf dem Spiel. Wenn wir rückblickend den „Kontrollverlust“vom Herbst 2015 mit täglich Tausenden Flüchtlingen beklagen, sollten wir uns vor Augen halten, dass täglich allein über die A 40 36.000 Autos unkontrolliert nach Deutschland kommen. Schlepper wissen, wie viele Wege nach Deutschland und noch mehr nach Europa führen.
Ein schlichtes „Grenzen zu“hilft nicht. Nur die Entschlossenheit der Politik, Europa zusammen zuführen. Und die Erkenntnis, dass Wohlstand und Wohlbefinden auch mit den täglich überall erlebten offenen Grenzen zusammenhängen. Wer das eine aus Nostalgie oder Angst beenden will, riskiert auch das andere. BERICHT