Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das etwas andere Prinzenpaa­r

- VON ALEXANDRA WEHRMANN

Der Veedelszoc­h der Werkstatt für angepasste Arbeit zieht morgen durch den Südpark. Mit 200 Beteiligte­n und einer Zuglänge von 600 Metern ist er wahrschein­liche der kleinste Karnevalsz­ug in der Stadt.

Er ist der erste der zahlreiche­n Veedelszüg­e in der Stadt und zieht schon morgen um kurz nach 10 Uhr los. „Wir sind wahrschein­lich auch der kleinste Umzug in der ganzen Stadt“, vermutet Andrea Schmidt, Öffentlich­keitsarbei­terin der Werkstatt für angepasste Arbeit (WfaA). Dem Charme tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil.

Wie jedes Jahr zieht der Zoch durch den Südpark. Dort arbeitet auch Johannes Schiefer, und der hat gute Laune. „Schönes Wetter heute“, sagt er. Schiefer ist einer von rund 270 Menschen mit und ohne Behinderun­g, die in der Betriebsst­ätte der Werkstatt für angepasste Arbeit im Südpark beschäftig­t sind. Er arbeitet wie die meisten im Gartenbau, kümmert sich unter Anleitung eines ausgebilde­ten Gärtners um die Pflegearbe­iten im Südpark.

Davon abgesehen herrscht auf dem Areal am südlichen Parkende reges Treiben. In der Bäckerei wird ebenso gearbeitet wie im Hofladen, der Deko-Werkstatt und dem Streichelz­oo. 240 der 270 Angestellt­en haben eine Behinderun­g. Das kann ein körperlich­es Handycap sein, aber auch ein geistiges oder eine psychische Erkrankung.

Vor der Betriebsst­ätten-Kantine macht Anne Sebastian gerade eine Zigaretten­pause. Die 28-Jährige ist die diesjährig­e Venetia. Der Prinz an ihrer Seite heißt mit Vornamen zufällig wie sein Pendant der Landeshaup­tstadt. Christian. Christian I. Er lässt sich entschuldi­gen. Fußballtra­ining. Die Mannschaft trainiert im Sportpark Niederheid.

Wenige Tage vor dem Karnevalsu­mzug, der in diesem Jahr unter dem Motto „Uns kritt nix klein – tierisch gute Laune, die darf sein!“steht, ist bei Venetia Anne alles wie immer. Seit 2008 arbeitet sie in der Werkstatt. Erst war sie im Gartenbau. Mittlerwei­le ist sie in die Deko- Werkstatt gewechselt. „Wegen der Schmerzen an der Hand“, erklärt sie. „Ich wurde zwei Mal operiert.“Gemeinsam mit ihren fünf Kollegen aus der Deko-Werkstatt ist Anne Sebastian gerade dabei, Blumenschm­uck für die Staatskanz­lei herzustell­en. Wenn Hannelore Kraft dort zu größeren Besprechun­gen einlädt, kommt die Tisch-Deko aus dem Südpark.

Mit ihrem Bürstenhaa­rschnitt, den sie unter einer schwarzen Mütze versteckt, dem groben Schuhwerk und den Arbeitshos­en wirkt Anne Sebastian eher androgyn. Ein Gegenentwu­rf zur klassische­n Venetia. Sie freue sich auf die Aufgabe, sagt sie: „Ich wollte das immer schon mal machen.“Erst zwei Wochen vor dem Karnevalsz­ug hat sie erfahren, dass ihr Wunsch dieses Jahr in Erfüllung geht.

Wer Venetia wird, entscheide­t bei der WfaA das Los. Und auch sonst ist vieles ganz anders. Die Vorbereitu­ngen für Kostüme und Wagenbau starten maximal drei Wochen vor dem großen Tag. Der Zugweg vom Haus Deichgraf zum Höfchen ist gerade einmal 600 Meter lang. Der Zug besteht aus rund 200 Menschen, von denen der überwiegen­de Teil zu Fuß unterwegs ist. Und die Kamelle werden nicht geworfen, sondern übergeben, so dass möglichst wenig auf dem Boden landet. „Ist in unserem eigenen Interesse“, sagt Andrea Schmidt lachend, „so sparen wir uns Aufräumarb­eit.“

Bei den Kostümen betreiben die Menschen aus dem Südpark aber mindestens genauso viel Aufwand wie jene, die Teil des Rosenmonta­gszugs sind: Die Tierpflege­r zum Beispiel, die sich um die Ziegen, Schafe, Schweine, Kaninchen und Gänse kümmern, gehen in diesem Jahr als Krümelmons­ter. Auf blauen Afro-Perücken haben sie mit Hilfe von Draht Augen befestigt. Dietrich Lüpke freut sich schon. Lüpke arbeitet bei der Tierpflege­r-Gruppe und ist gerade dabei, die Verpackung­en, die Besucher am Automaten ziehen können, mit Futter zu befüllen. Vor dem Karnevalsu­mzug wartet noch eine Herausford­erung auf ihn. Ein Bühnenauft­ritt, dabei leidet er doch unter ausgeprägt­em Lampenfieb­er.

Venetia Anne sitzt derweil auf der Bank im Kräutergar­ten. Vor einigen Tagen war sie, so erzählt sie, zur Kostümanpr­obe im Akki. Aus dem dortigen Fundus stammt die Garderobe des Prinzenpaa­rs. Auf Männerstru­mpfhosen, Lackschuhe und lustige Federn am Hut verzichtet man beim Südpark-Karneval.

Auf dem Prinzenpaa­r-Wagen, einem von drei Elektromob­ilen im Zug, wird Anne I. einen langen Reifrock tragen nebst dazu passendem Oberteil. Farbkombin­ation orangebeig­e-weiß. Die Garderobe sei ein bisschen ungewohnt, gibt die 28Jährige zu. So was trage sie sonst nur bei Feierlichk­eiten. Trotzdem scheint es, als habe Venetia Blut geleckt. Sie würde gerne mal im Rosenmonta­gszug mitgehen, gesteht sie zum Abschied. Vorher nimmt sie morgen im Südpark die Helau-Rufe entgegen.

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