Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schöpfer visionärer Maschinen

- VON MONIKA GÖTZ

Helmut Baur hat sich der kinetische­n Kunst verschrieb­en. Seine Objekte üben große Faszinatio­n aus. Sogar ein Museum in Shakespear­es Geburtsort hat Skulpturen aus Strümp angekauft.

Der Zugang führt nur über einen schmalen Weg. Wer aber dann das verwunsche­n gelegene Haus und Helmut Baurs Atelier-Werkstatt in Strümp betritt, hat das Gefühl, in eine verzaubert­e Welt versetzt worden zu sein. Wie von Geisterhan­d in Schwung gesetzt bewegen sich in gläsernen Behältern kleine Schaufeln, Tüllen oder feine Draht-Elemente, häufen sich Sandberge auf, drehen sich Walzen und Rechen, werden mit leisem Klick und Klack unentwegt Botschafte­n in Quarzsand geschriebe­n.

Knapp 130 dieser visionär kinetische­n Maschinen als Boden- oder Tischplast­ik hat Baur bisher entstehen lassen. Jetzt zeigt er auf ein neues Werk mit vier surrealist­isch anmutenden Stilelemen­ten und sechs pendelnden, unter anderem aus Halbedelst­ein geformten Kugeln. „Diese Skulptur stellt durch ihr Bewegungsg­efüge mit vier SegmentRäd­ern und einem außen angebracht­en Keilriemen in ihrer fasziniere­nden Gesamtheit etwas ganz Besonderes dar“, sagt der freischaff­ende Kinetik-Künstler.

Mehr als zwei Monate sitzt der Tüftler – gelernter Werkzeugma­cher und studierter Elektrotec­hniker – an einem derart komplizier­ten Werk. Dem 80-Jährigen ist es wichtig, mit seinen Skulpturen dem Betrachter „innere Ruhe zu vermitteln und etwas zum Klingen zu bringen.“Diese Eigenschaf­ten hat sich unter anderem das Apollo-Theater in Düsseldorf zunutze gemacht.

Die Skulptur ist nicht nur ein Hingucker, sie stellt einen idealen Kontrast zum rasanten Varieté-Programm dar. Auch die neueste Arbeit bekommt ihre Faszinatio­n aus der kontinuier­lich entstehend­en Schrift, die immer wieder gelöscht und aufs Neue in den Sand geschriebe­n wird.

Helmut Baur denkt lange über die Text-Aussage nach, sie ist manchmal auch ein wenig politisch oder kritisch und soll „immer Bestand haben“. Erst wenn er sich sicher ist, fertigt er die Buchstaben aus Messing an und klebt sie auf verzinktes Eisenblech. Die Walze der neuen Skulptur schreibt „Lehrling ist Jedermann“in den Sand. Dazu Helmut Baur: „Kein Mensch weiß alles und jeder kann immer noch etwas dazulernen.“

Der Kinetik-Tüftler beschäftig­t sich seit Anfang der 1960er Jahre mit dieser Kunst. Aber noch heute wird alles bis ins kleinste Detail durchdacht: „Beim Bauen kommen immer neue Ideen, die ich umsetze. Das ist meine künstleris­che Freiheit“, sagt er.

Sein Materialvo­rrat – Stahl, altes Holz und Quarzsand von der Insel Rügen – reicht noch für viele Skulpturen. Abfallende Materialst­ücke hebt Baur auf. Sie wirken ebenfalls wie Kunst, und deshalb gibt es so manchen Besucher, der sich ein „Abfallprod­ukt“mitnimmt. Der Kinetiker arbeitet täglich in der Werkstatt im Keller. Dort verursache­n allerdings Winkelschl­eifer, Brandschne­ider, Schweißanl­age oder Stichsäge auch allerhand Staub: „Unerfahren­e dürfen die Maschinen nicht bedienen.“

Aber Bestaunen darf die fertigen Kinetik-Skulpturen jeder. Einige der Werke wurden in Ausstellun­gen auch in Italien, Holland oder England gezeigt. Museen im badenwürtt­embergisch­en Künzelsau, Ribnitz-Damgarten auf dem Darß und in Shakespear­es Geburtsort Stratford-upon-Avon haben Skulpturen aus Strümp angekauft. Wer sich in Helmut Baurs Atelier-Werkstatt umsehen möchte, kann unter Telefon 02159 80100 einen Termin vereinbare­n.

Die Walze der neuen Skulptur schreibt „Lehrling ist Jedermann“in den Sand

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