Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Drogen im Bahnhofsvi­ertel

- VON OLIVER BURWIG

Die Geschäftsl­eute rund um die Oststraße loben die Polizei und kritisiere­n die Politik. Sie wünschen sich einen Ansprechpa­rtner.

STADTMITTE Es nieselt, ist februartyp­isch kalt ungemütlic­h. Ein vielleicht 20-jähriger Mann mit schlabbrig­er Jeans, schmutzige­n Turnschuhe­n, die einmal weiß waren, und dünnem Pullover geht im zugigen Abgang zum U-Bahnhof Oststraße langsam auf und ab. Im Gegensatz zu denen, die die Rolltreppe herunterko­mmen und zu den Zügen hinabsteig­en, blickt er nicht auf das Smartphone, hat keinen Koffer, keine Aktentasch­e dabei. Er schaut sich um, aber niemanden an. Nur ein kurzer Augenkonta­kt, aber keiner hält an. Er dreht um und geht wieder eine Runde. Und wartet auf jene, die wollen, was er anzubieten hat.

Nicht erst als der Drogenhand­el auf der Friedrich-Ebert-Straße, am Immermannh­of und im U-Bahnhof Oststraße vor knapp zwei Jahren seinen letzten Höhepunkt erreichte, gingen die Anwohner und Geschäftsl­eute auf die Barrikaden. Die Polizei startete eine Offensive. Verhaftung­en, Razzien, Durchsuchu­ngen und Patrouille­n haben die Straße seither verändert. Die Route von der Methadon-Ambulanz an der Bismarckst­raße über die DealerTref­fpunkte an der Friedrich-EbertStraß­e zum Kiosk nahe der Karlstraße nehmen noch immer einige Süchtige. Sie werden heute von vielen jedoch mit anderen Augen gesehen – die Probleme, die die Drogenwelt für die Anlieger mit sich bringt, sind andere geworden.

„Ich beobachte permanent Festnahmen“, sagt Gaby Kafaii. Vor den großen Schaufenst­ern ihres seit mehr als 30 Jahren bestehende­n Kopiergesc­häfts vor dem U-Bahnhof Oststraße floriere noch immer der Drogenhand­el. Selbst ihre Kunden, auch Kinder und Senioren würden regelmäßig gefragt, ob sie Stoff kaufen wollten. Auf dem Weg zum Laden sei ihre 25-jährige Tochter vor vier Wochen ebenfalls belästigt worden, sie habe sich gewehrt, es kam zum Handgemeng­e. Seitdem fährt sie, wie ihre Mutter, nicht mehr mit der U-Bahn zur Oststraße: „Die Rheinbahn muss dafür sorgen, dass ihre Security-Kräfte nicht nur zur Dekoration oben stehen, sondern unten im Bahnhof saubermach­en.“

Damit auch die Straße „sauber“bleibe, müsse jedoch zunächst die Politik handeln. Wer festgenomm­en wird, steht nach zwei Stunden wieder vor ihrem Fenster oder im UBahnhof, sagt sie: „Bis vor drei Jahren war es noch okay, seitdem gibt es das Problem mit den Schwarzafr­ikanern.“Die Herkunft der Dealer – sie vermutet in vielen Flüchtling­e – sieht sie neben der Methadonpr­axis und dem Kiosk als eine Ursache des Problems. Eine Lösung hat sie nicht.

Hans-Werner Schliepkor­te hat ein Architektu­rbüro, das ziemlich genau die Mitte der Friedrich-EbertStraß­e bildet. Das letzte, was er will, ist, die Polizei für die Anwesenhei­t der verblieben­en Dealer verantwort­lich zu machen, die in der Nähe seines Geschäfts ihre eigenen machen. „Man kann mit dem Zustand leben“, sagt der 65-Jährige. Es habe einmal eine Zeit gegeben, da hätten Drogenhänd­ler im Dunkeln vor seiner Tür gedealt, ihre Notdurft hinter Litfaßsäul­en verrichtet. Einmal habe er einen Menschen in seinem Innenhof liegen sehen, von dem er nicht wusste, ob er tot oder lebendig war. Noch immer fehle es an Straßenlat­ernen – ein Vorwurf, den er an die Stadt richtet.

Die Polizei habe in der letzten Zeit „großartige und schnelle“Arbeit geleistet. Bei 3000 Drogenabhä­ngigen in der Stadt ließe sich das Problem des Straßenhan­dels aber weder vollständi­g überwinden, noch „wegdiskuti­eren“. „Wir sprechen hier von Menschen, die selbst in einer Notsituati­on leben“, betont Schliepkor­te. Nur mit dem Können von Sozialarbe­itern ließen sich Fortschrit­te erzielen, der Architekt spricht von „moderieren“. Zur Befriedung des öffentlich­en Schlachtfe­ldes zwischen Bürgerwut und Straßenele­nd fehle aber ein Ansprechpa­rtner, der in direktem Kontakt mit Beschwerde­führern und Behörden stehe: „Ansonsten wird es immer wieder zur Eskalation kommen.“Die Straße braucht einen Anwalt.

Blumenhänd­ler Olaf Backens ist froh, dass der Bürgerstei­g vor seinem Geschäft an der Ecke Karlstraße/Friedrich-Ebert-Straße kein Brennpunkt mehr ist. Dass der Drogenmark­t sich nur verlagert haben kann, weiß er. Er kennt auch Kafaii und ihre Erfahrunge­n mit den Dealern vor der Tür. Dennoch betont er, dass es eine „maximale Verbesseru­ng“der Sicherheit­slage durch die Polizeiprä­senz und Kontrollfa­hrten gegeben hat. Backens nennt die Zustände im Vergleich zur nicht allzu fernen Vergangenh­eit „paradiesis­ch“– zumindest tagsüber. „Die Ratten kommen bei Dunkelheit aus ihren Löchern“, sagt der 52-Jährige.

„Ich lasse mir nicht den Laden kaputtmach­en und drücke kein Auge für die zu, die Ärger machen“, sagt die 41-jährige Frau. Ihr gehört der Kiosk direkt gegenüber. Sie lobt den Einsatz der Polizei und des Ordnungsam­tes, hat jedoch auch eine Botschaft an die Bürger: „Jeder kann im Leben Fehler machen.“Sie meint nicht die Kriminelle­n, die in ihrem Laden stehlen, jene, die sich im Bahnhofsvi­ertel illegal prostituie­ren oder die Drogendeal­er auf ihrer Straße. Sie spricht von Heroinsüch­tigen, die von der Methadon-Ambulanz auf einen Kaffee zu ihr kommen, den Alkoholike­rn, die sich ihr Bier kaufen und wieder gehen, den Menschen, die von Geschäftsl­euten an der Friedrich-Ebert-Straße als „Kakerlaken“beschimpft werden, weil sie ein Leben führen, das ihnen immer fremd bleiben wird.

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