Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neue Jobs – die beste Sozialpolitik
Die Nachhaltigkeit der Globalisierung und der Demokratie stehen so sehr infrage wie lange nicht mehr. Die Zukunft des friedlichen europäischen Integrationsprozesses ist ungewiss. Und die Digitalisierung hat bereits begonnen, das Wirtschaftsleben und die Arbeitswelt grundlegend und umfassend zu verändern. Politische Strategien, die mehr auf Vorsorge statt auf Heilung setzen, dürften am besten dazu geeignet sein, auch künftig ein hohes Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu gewährleisten. Die Fähigkeit zur selbstbestimmten Anpassung und viele neue Stellen sind hierfür die besten Schlüssel.
Das gilt umso mehr in der Zeit eines radikalen Wandels von der bisherigen zur digitalen Arbeitswelt 4.0. Flexibilität und Fluktuation werden prägende Elemente dieses Arbeitsmarktes der Zukunft sein. Damit werden wir uns arrangieren müssen. Wer für die Zukunft die gewohnte Sicherheit individueller Lebensentwürfe und Berufsverläufe in Aussicht stellt, verspricht daher eine Wirkmächtigkeit politischen Handelns, die nicht eingelöst werden kann.
Stattdessen muss es für die Politik in dieser Zeit um zwei Dinge gehen. Erstens sollten aktuelle und künftige Generationen von Arbeitnehmern noch stärker befähigt werden, sich immer wieder an neue Gegebenheiten anzupassen. Die Basis sollte eine schulische Bildung legen, die die Grundzüge des modernen Wirtschaftslebens (Zins und Zinseszins, reale und nominale Größen etc.) vermittelt – und jungen Menschen damit auch den Mut verleiht, ihr Berufsleben selbst zu gestalten.
Zweitens sollte die Politik mit möglichst hoher Priorität attraktive Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln setzen. Nur dann wird am Standort stärker investiert, werden mehr neue Unternehmen gegründet, werden viele neue Stellen geschaffen. Versuche, den Strukturwandel aufzuhalten, werden hingegen mehr denn je zum Scheitern verurteilt sein. Besser ist, alle Anstrengungen darauf zu legen, ein Umfeld bereitzustellen, in dem viele neue Jobs entstehen können.
Auf beiden Handlungsfeldern gibt es für die NRW-Landespolitik durchaus Möglichkeiten, sich von der Politik anderer Länder abzuheben. Natürlich hängt das Land in seinem wirtschaftlichen Erfolg stark von den gesamtwirtschaftlichen Schwankungen auf Bundesebene ab. Deswegen waren gerade für NRW die im Jahr 2003 beschlossenen Reformen der Agenda 2010 so wichtig. Sie haben dazu beigetragen, die verfestigte Massenarbeitslosigkeit der vergangenen Jahrzehnte abzubauen. Dadurch konnten viele Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zurückkehren, denen dies vorher weitgehend verwehrt schien.
Nordrhein-Westfalen hat jedoch gegenüber den anderen Ländern auch völlig eigene Entwicklungslinien. Im Vergleich der Länder sind hohe Quoten der Arbeitslosigkeit und der Armutsgefährdung für NRW ebenso typisch wie große und dauerhafte regionale Ungleichheiten. Dabei werden die Unterschiede in der demografischen Struktur der Regionen noch immer nicht ausreichend beachtet, obwohl diese einen erheblichen Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes haben: Regionen mit vergleichsweise wenigen jungen Arbeitnehmern haben typischerweise eine niedrige Produktivität und eine geringe Innovationsfähigkeit. Gerade in Zeiten der umfassenden Digitalisierung werden die Jungen mit ihrer Flexibilität und schnellen Auffassungsgabe daher dringend gebraucht.
Darüber hinaus birgt der demografische Wandel erheblichen regionalpoli- tischen Sprengstoff. Die wirtschaftsräumlichen Unterschiede innerhalb von NRW sind nach wie vor erheblich. Infolge langjähriger Wanderungsverluste befindet sich die Bevölkerung des Ruhrgebiets bereits in einem fortgeschrittenen „Alterungsstadium“.
In Städten wie Düsseldorf oder Köln geht der wirtschaftliche Erfolg dagegen einher mit einem starken Zuzug jüngerer Erwerbstätiger. Allerdings sind nicht alle Teilräume des Ruhrgebiets gleichermaßen vom Wandel der Bevölkerungsstruktur betroffen. So ist die Ausgangslage in den großen (Universitäts-)Städten ganz anders als in den kleineren Städten und in den Randzonen. Außerhalb der Ballungsräume werden sich insbesondere Teile des Sauerlands voraussichtlich längerfristig auf Bevölkerungsrückgänge einzustellen haben.
Bei der Frage, wie die Zukunft erfolgreich gestaltet werden kann, geht es nicht vordringlich darum, wie sehr diese Nachteile dem wirtschaftshistorischen Erbe geschuldet sind oder ob sie doch eher falsche politische Weichenstellungen reflektieren. Viel wichtiger ist es, aus dieser Ausgangslage heraus einen wirtschaftlichen Aufbruch zu ermöglichen. Denn das Land und seine Regionen stehen national und international in einem immer schärferen Wettbewerb um junge Talente und Arbeitskräfte. Diese jungen Talente können sich ihren Lebensmittelpunkt heutzutage aussuchen. Eine Region wie das Ruhrgebiet wird sie nur mit einer florierenden Wirtschaft anlocken können.
Neben der Zuwanderung qualifizierter junger Arbeitnehmer geht es aber auch darum, die Abwanderung junger Menschen mit hohen Qualifikationen aus der jeweiligen Region zu verhindern. Weit mehr Mittel für Bildung und Forschung wären dazu ein wichtiger Schritt. Die Politik müsste darüber hinaus deutlich vernehmbar und glaubwürdig nach außen signalisieren, dass eine prosperierende Wirtschaft und ein leistungsfähiger Arbeitsmarkt ganz oben auf der Liste ihrer Prioritäten stehen.