Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Diamanten von Nizza
Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, dass sich Mimi geschmeichelt fühlte und aufgeregt war. Philippe hatte sich aus gegebenem Anlass rasiert, und nach einer beschwingten zweistündigen Fahrt betraten sie Claudines Büro, das sich – naturellement – an der Promenade des Anglais befand, wo sie von der Kulturredakteurin höchstselbst in Empfang genommen wurden. Diese war, wie man es von einer Frau erwarten konnte, die inmitten der Mode- und Promiwelt arbeitete, gnadenlos schick – eine coiffure, die dem letzten Schrei entsprach, das angesagte Sommerkleid der Saison und Schuhe, die man nur als avant-garde bezeichnen konnte. Sie gab zu, 39 zu sein, ein wunderbar elastisches Alter, und war entschlossen, noch ein paar Jahre daran festzuhalten.
„Endlich lerne ich das Genie hinter der Linse kennen!“Sie ergriff mit beiden Händen Mimis Hand. „Kommen Sie, wir trinken ein Glas Champagner.“Sie führte die beiden in ihr Büro, das sich als Schrein für alles entpuppte, was Rang und Namen besaß, mit Fotos an sämtlichen Wänden.
Der Champagner wurde eingeschenkt, der eine oder andere Trinkspruch ausgebracht und Mimis Fotostrecke, die inzwischen ausgedruckt und an die Wand gepinnt war, inspiziert und in den Himmel gehoben. Es war Philippe, der die Lobeshymne mit der beiläufigen Bemerkung unterbrach, dass sich die Besitzer zum Verkauf entschlossen hatten. Plötzlich trat Stille ein, bevor Claudine, die einen Exklusivbericht witterte, erklärte, dass der Verkauf dieses hochherrschaftlichen Anwesens eine schlagzeilenträchtige Neuigkeit sei, die Salut! bringen sollte. Das heißt, falls die Besitzer einverstanden waren. Sie blickte Philippe mit hochgezogenen Brauen an. Der Wink mit dem Zaunpfahl war nicht zu übersehen und Philippe zückte sein Handy. – „Mr Johnson, hier ist Philippe Davin. Ich hoffe, ich störe nicht.“
„Keineswegs, alter Junge, keineswegs. Ich wollte Sie ohnehin gerade anrufen, um Ihnen zu sagen, wie sehr uns die Schnappschüsse gefallen haben. Hätte sie selber nicht besser machen können – damit dürfte der Preis um eine weitere Million steigen.“
„Freut mich, dass Sie zufrieden sind. Mr Johnson. Ich befinde mich gerade in einer Besprechung mit unserer Chefredakteurin und sie hatte eine hervorragende Idee – ein Exklusivbericht, mit der Information, dass Ihr Anwesen zum Verkauf steht. Unter dem Strich würden Sie damit die gleiche Wirkung erzielen wie mit einer sechsseitigen Anzeige.“
Johnson zögerte nicht lange. „Glänzende Idee. Richten Sie Ihrer Redakteurin aus, dass sie sich mit mir in Verbindung setzen soll – vermutlich müssen wir einiges an Papierkram erledigen. Hier in Frankreich darf man sich ohne ein offizielles Stück Papier nicht einmal die Nase putzen.“
„Noch etwas“, warf Philippe ein. „Das Magazin würde gerne die Innenarchitektin namentlich erwähnen, falls Sie nichts dagegen haben.“
„Keineswegs. Hübscher Käfer. Spricht perfekt Englisch; heißt Coco irgendwas.“„Dumas?“„Ja, richtig. Coco Dumas.“Claudine war so glücklich über den Ausgang des Anrufs, dass sie um ein Haar vergessen hätte, ihr Make-up zu überprüfen, bevor sie das Büro verließen und zum nahe gelegenen Restaurant aufbrachen. Wie Mimi später sagte, lief das Mittagessen ähnlich ab wie ein Bankett mit einem Mitglied des Königshauses. (Fortsetzung folgt)