Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Eine Meisterin unter Männern

- VON OLIVER BURWIG

Maler- und Lackiererm­eisterin Anne Lilly Lippek gehört als Frau in technische­n Ausbildung­sberufen einer Minderheit an. Obwohl der Job nicht ihre erste Wahl war, ist sie nun das Gesicht einer Werbekampa­gne.

Eine Köchin wollte sie sein, da war sich die 16-jährige Anne Lilly Lippek sicher. Noch ausgeprägt­er war aber ihr Wunsch, keine Schulbank mehr drücken zu müssen und so schnell wie möglich den Sprung von der grauen Theorie in die bunte Praxis der Arbeitswel­t zu schaffen. Der ging in Erfüllung: Heute ist die 30Jährige ihre eigene Chefin und als Maler- und Lackiererm­eisterin auch eine kleine Sensation in dem männerdomi­nierten Berufsfeld. Als gutes Beispiel wird Lippek deshalb jetzt von der Handwerksk­ammer (HWK) auf Plakaten präsentier­t, die mehr junge Frauen zum Umdenken bewegen sollen, um die Geschlecht­erungleich­heit in den technische­n Jobs auszugleic­hen – und den Bedarf an Unternehme­nsnachfolg­ern zu decken.

„Der entscheide­nde Satz war: Du machst das schon!“, erinnert sich Lippek an das, was ihr Ausbilder sagte, als er sie an einem ihrer ersten Tage in der Maler-Ausbildung allein eine Wohnung streichen ließ. Nur eine kurze Anleitung habe es gegeben, dann war der Chef weg – und kam erst abends wieder: „Ich musste mich in der Zwischenze­it einfach selber behelfen. Es war kein anderer da.“Doch Lippek überzeugte mit ihrem Talent, der Chef war zufrieden, und einige Zeit später ließ er seine Auszubilde­nde einmal seine Rolle einnehmen: Gemeinsam mit einer Meisterin und zwei Gesellen sollte sie sich um eine ganze Baustelle kümmern. Lippek sollte die Koordinati­on übernehmen – und meisterte auch das. Damals bereitete der Stapel der zu erledigend­en Papierarbe­it noch schlaflose Nächte, heute ist die Dokumentat­ion verwendete­r Materialie­n selbstvers­tändlicher Teil ihres Jobs, den sie schätzt: „Seine eigene Chefin sein: Da teile ich mich selbst ein. Und die schönen Momente überwiegen.“

Nur jeder fünfte Absolvent der Meisterfor­tbildung im Handwerksk­ammerbezir­k Düsseldorf ist weiblich, und gerade einmal fünf Prozent des Bestandes jetziger Meister. Die Vorbehalte vieler Frauen gegenüber dem Handwerk, insbesonde­re den technische­ren Ausbildung­sberufen, reichen tief, sagt HWK-Präsident Andreas Ehlert: „Wir wissen aus zahlreiche­n Gesprächen, dass sie es sich als Schülerinn­en oft gar nicht vorzustell­en getraut haben, ihre Lust aufs Montieren, auf Mechanik, Elektrik und Elektronik, auszuleben.“Die HWK-Kampagne „Wir können Technik“, für die sich auch Lippek vor die Kamera gestellt hat, soll neue Rollenbild­er schaffen.

Dass sie nicht Köchin, sondern Malerin geworden ist, hat praktische Gründe: Ein großes Cateringun­ternehmen, bei dem Lippek anheuern wollte, schätzte sie als „zu jung für die Lehre“ein, die anschließe­nde Lehre an der Elly-HeussKnapp-Hauswirtsc­haftsschul­e war ihr zu theoretisc­h, allein das Praktikum in einer Krankenhau­sküche habe ihr gefallen. „Auf Lernen hatte ich keinen Bock mehr“, sagt die 30Jährige. Über ihre Freunde gelangte sie erst an ein Praktikum und schließlic­h an eine Ausbildung­sstelle als Maler- und Lackiereri­n.

Drei Jahre blieb sie nach der Gesellenpr­üfung und Berufsschu­le, die sie als Klassenbes­te hinter sich ließ, in dem Betrieb, und immer war es die Praxis, die ihre Leidenscha­ft für den Beruf am Brennen hielt: „Das Gefühl, am Abend einen Raum gestaltet, eine sichtbare Werkleistu­ng erbracht zu haben, war gut. Und auch, dass ich morgens ohne großen Aufwand vor dem Spiegel in die Firma gehen und einfach losmachen konnte.“

Nach einiger Zeit wandelte sich Lippeks Blick auf die Arbeit. Sie verstand, dass die Ansprüche der Kunden immer höher sein würden als die ihres Chefs, und dachte sich: „Ich kann das selbst besser!“Sie ging zur Meistersch­ule, und ein Verwandter half ihr mit der Einrichtun­g eines Betriebes, für den sie sich mit Buchhaltun­g und Steuern auseinande­rsetzen muss. Mit 30 Jahren kann sie auf gute Referenzen zurückblic­ken. Die Elephant Bar und das Sir Walter in der Altstadt wurden von ihr gestaltet. Viel Zeit scheint seit ihrem Berufseins­tieg vergangen. Den Weg, der aus ihr statt einer Köchin eine kreative Malermeist­erin hat werden lassen, bereut Lippek kein bisschen: „Es zählt das, was am Ende dabei rauskommt.“

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